02.07.2015
FOTO UND TEXT: Adriana Lombardi

Die Arbeitgeberpräsidenten der Schweiz (l.) und Deutschlands am Arbeitgebertag in Bern.

Arbeitgebertag 2015

«Ohne schmerzhafte Anpassungen wird es nicht gehen»

Starker Druck auf die Gewinnmargen und steigende Arbeitslosenzahlen sieht Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt im nächsten Halbjahr auf die Schweiz zukommen. Abhilfe schaffen könne der Abbau von Bürokratie. 

Schwerwiegende Konsequenzen für die Schweizer Wirtschaft im zweiten Halbjahr in Folge des starken Frankens: Mit diesen düsteren Prognosen eröffnete Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt den Arbeitgebertag 2015 am Donnerstag in Bern. Er sehe einen starken Druck auf die Gewinnmargen, die Auslagerung der Produktion ins Ausland sowie steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Exporte, so der Arbeitgeberpräsident. Der Markt ist laut Valentin Vogt gezwungen, entsprechende Anpassungen vorzunehmen.

«Steigende Bedeutung optimaler Rahmenbedingungen»

In diesem Zusammenhang sprach er von der «steigenden Bedeutung optimaler inländischer Rahmenbedingungen». Er forderte Bürokratieabbau und sprach von Deregulierungs- und Vereinfachungsbedarf. Im Hinblick auf die schrumpfende Zahl der Erwerbstätigen in naher Zukunft brauche es rasche Entscheidungsprozesse.

«Die wichtigste politische Frage, die wir in den nächsten Jahren klären müssen, ist, wie die Schweiz in Europa steht.»

Valentin Vogt, Arbeitgeberpräsident Schweiz

Zentraler Wert der bilateralen Verträge

Durch die befürwortete Masseneinwanderungsinitiative und die Ablehnung der Ecopop-Initiative, mit der die Schweizer Stimmbürger Nein zu einer strikten Kontingentierung sagten, setzt sich die Schweiz von ihrem europäischen Umfeld ab. Valentin Vogt stellte klar: «Die wichtigste politische Frage, die wir in den nächsten Jahren klären müssen, ist, wie die Schweiz in Europa steht.» Der Präsident des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes betonte, dass die Schweiz auf die stabile Beziehung mit Europa angewiesen ist. Das Kündigen der bilateralen Verträge ohne Alternative wäre «fahrlässig.»

Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative

Zentrales Thema ist in diesem Sinne auch die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Das Kontingentwesen müsse neu bestimmt, das Inlandspotenzial an Arbeitskräften – besonders in Hinblick auf die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, jungen Menschen und Alten – ausgeschöpft werden.

Trotz entsprechender Massnahmen sei eine Rekrutierung von Arbeitskräften aus dem europäischen Umland aber unumgänglich: Mit der Masseneinwanderungsinitiative und dem starken Franken ist die Schweiz angehalten, die Einwanderungszahlen auf der einen Seite zu verringern. Auf der anderen Seite müsse aber auf die Ressourcen der Personenfreizügigkeit im intereuropäischen Rahmen zurückgegriffen werden. Wichtig sei, dass die europäische «Sozialpartnerschaft wieder zu ihren ursprünglichen Werten zurückfinde» und gemeinsame Lösungen finde.

Die Schweiz aus europäischer Perspektive

In seinem anschliessenden Referat betonte Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, die Gemeinsamkeiten zwischen der Schweizer und der deutschen Innenpolitik. Zwar stehe die deutsche Wirtschaft so gut wie nie zuvor dar und habe nicht mit den gleichen wirtschaftlichen und finanziellen Herausforderungen wie die Schweiz zu kämpfen. Das jetzige Hoch in der deutschen Wirtschaft sei aber die Konsequenz geradliniger Reformen. Seine Botschaft: Strikte Reformen lohnen sich. Durchhalten auch.

Deutschlands Arbeitgeberpräsident führte weiter aus, dass die deutschen Sozialpartner ebenfalls mit einer Einmischung der Politik in Tarifeinheiten wie den Mindestlohn zu kämpfen hätten. Sozialpolitische Hürden und eine einhergehende Bürokratisierung seien auch in Deutschland «ein leidiges Thema».

Deutschland setzt auf ausländische Fachkräfte

Wie in der Schweiz sorge auch in Deutschland das Thema Migration und Arbeitnehmerfreizügigkeit für Diskussionen. Ingo Kramer setzt ähnlich wie sein Schweizer Pendant für die Zukunft auf das bisher unausgeschöpfte Potenzial von Frauen, Jugendlichen, Alten – plus die Migranten. Eine Integration dieser Gruppen in den aktiven Arbeitsmarkt sei notwendig, reiche aber nicht, um den Arbeitnehmerbedarf in Deutschland komplett abzudecken. Wie in der Schweiz herrsche auch in Deutschland Bedarf an ausländischen Fachkräften.

Er könne den kritischen Blick der Schweiz auf die Europäische Union gut nachvollziehen, sagte der deutsche Arbeitgeberpräsident. Er betont aber die Notwendigkeit des Zusammenhalts und der bilateralen Verträge. Nach dem Motto «Gemeinsam sind wir stark» könne jede Herausforderung gemeinsam gemeistert werden.

Obwohl die Schweiz offiziell nicht zur EU gehört, gehört sie für Ingo Kramer eben doch dazu.