«der arbeitsmarkt» 12/2014FOTO UND TEXT: Salomé Weber
Co-Working-Spaces

Wo digitale Nomaden arbeiten

Mobiles Arbeiten ist in Mode. Alles, was die Herumziehenden dafür brauchen, ist ein Internetanschluss und eine Kaffeemaschine. Im Industriequartier Kreis 5 in Zürich bietet der «Impact Hub» Räumlichkeiten für moderne Arbeitsnomaden. 

Am Ende der Viaduktstrasse Richtung Bahngeleise befindet sich der «Impact Hub Zürich». Der gemeinnützige Verein gehört zu einem globalen Netzwerk, das 2005 in London gegründet wurde. Inzwischen bestehen über 60 sogenannte «Hubs» auf allen Kontinenten mit insgesamt über 9000 Mitgliedern. Neben einem Eingangsbereich mit Theke und Tischen befinden sich zwei Sitzungszimmer und der Gemeinschaftraum, ein offener Arbeitsbereich, wo auch Anlässe stattfinden. Unter einem zweiten Bogen des Viadukts sind die Küche und der ruhige Arbeitsbereich untergebracht. In einem dritten Teil arbeiten jene, die viel diskutieren und telefonieren müssen.

Wer im «Impact Hub» arbeiten möchte, muss sich mit einer Start-up-Idee um eine Mitgliedschaft bewerben. Dabei schauen die Organisatoren, ein Team von fünfzehn Personen, ob sich die Zielvorstellungen der Bewerber mit den ihrigen decken: Das Projekt muss nachhaltig und der Initiator an einer Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern interessiert sein. Zudem sollen die Mitglieder möglichst verschiedene Fähigkeiten mitbringen. Eine Mitgliedschaft mit Arbeitsplatz kostet zwischen 125 und 450 Franken pro Monat. Die Mietdauer wird in Stunden festgehalten und beträgt von 25 bis zu einer unlimitierten Anzahl Stunden. Sie beinhaltet den Zugang zu den Räumlichkeiten und der Infrastruktur, wie etwa Drucker, Kopierer und Schliessfach. Daneben können die Mitglieder Zusatzleistungen beziehen, wie etwa die Unterstützung durch das «Hub»-Team oder die Teilnahme an Promotionsanlässen.

Zwei Jungunternehmerinnen und ein Jungunternehmer stellen ihre Innovationen aus den Bereichen vegane Ernährung, Landwirtschaft und Soziales vor. Und sie erzählen von ihren Erfahrungen aus dem «Co-Working»-Raum.

Vegane Bioglace
Name: Sonja Dänzer
Alter: 35
Erstausbildung: Doktorat in Philosophie an der Universität Zürich
Jetzige Tätigkeit: Unternehmerin und Lehrtätigkeit als Philosophin
Firmenname: The Green Fairy

«Den Kontakt zum Impact Hub habe ich vor einem halben Jahr über einen Freund gefunden, mit dem ich mich seit längerem informell über unsere Erfahrungen als Jungunternehmer austausche. Er meinte, dass der Hub der perfekte Ort sei, um mit meiner Firma vorwärtszukommen. Hier knüpfe ich Kontakte zu anderen Unternehmern, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen. Wir geben uns gegenseitig Tipps, weisen einander auf hilfreiche Webseiten und Organisationen hin und erweitern unser Netzwerk. Nützlich sind auch die Help Desks, bei denen sich Hub-Mitglieder von Spezialisten beispielsweise in Stiftungsgesuchen, in Finanzierungsfragen oder in Business-Strategien beraten lassen können, andere sind im Risikomanagement versiert oder kennen sich mit Verträgen und Lizenzen aus.

Ich stelle vegane, laktosefreie Bioglace mit Fairtrade-Zutaten her. Einen Teil des Erlöses investiere ich in soziale Projekte in Entwicklungsländern. Im Namen ‹The Green Fairy› steht ‹green› für ökologisch. Vegane, pflanzliche Zutaten aus biologischer Produktion sind deshalb wichtig, weil sie einen viel besseren ökologischen Fussabdruck haben als tierische Lebensmittel. ‹Fairy› steht für fairen Handel und einen fairen Umgang mit Produzenten. Und der ganze Name mit seinem märchenhaften Beiklang steht für die Utopie einer ethischen, gesunden und genussvollen Ernährung.

Meine Doktorarbeit habe ich zum Thema fairer Handel aus ethischer Perspektive geschrieben. Dabei hat mich das Konzept von ‹Social Business› fasziniert: sich mit wirtschaftlichen Mitteln für die Lösung sozialer und ökologischer Probleme einzusetzen. Die meisten Menschen lassen sich nicht mit dem moralischen Zeigefinger von einer ökologisch sinnvollen, veganen Ernährung überzeugen, sondern mit leckeren Produkten. Meine Firma habe ich 2012 im Alleingang gegründet. Ich stehe nun in der Wachstumsphase und muss meinen Absatz erhöhen, damit das Geschäft nachhaltig funktionieren kann. Kürzlich habe ich bei einer Wettbewerbsveranstaltung im Hub ein Stipendium gewonnen, das mir eine achtmonatige Mitgliedschaft erlaubt und einen Mentor zustellt, der mich langfristig beraten wird. Auch habe ich hier eine zukünftige Geschäftspartnerin kennengelernt, die viel berufliches Wissen mitbringt. Ich arbeite nicht immer hier. Während des Studiums und auch später habe ich immer in Cafés am Computer gearbeitet, weil ich gerne unter Leuten bin. Ich kann mich besonders gut konzentrieren, wenn rund um mich etwas läuft. Das Arbeitsklima im Hub ist inspirierend – die Räume sind voll kreativer Energie, ich kann Synergien und Inputs nutzen.»

Wildbienen aktiv vermehren
Name: Claudio Sedivy
Alter: 33
Erstausbildung: Doktorat in Biologie, Institut für Agronomie ETH Zürich
Jetzige Tätigkeit: Co-Geschäftsführer
Firmenname: Wildbiene + Partner GmbH

«Die Frage, wo ich arbeiten würde, drängte sich mir zu Beginn meiner Selbständigkeit nicht auf. Dank einer Forschungsanstellung an der ETH Zürich hatte ich dort mein eigenes Büro. Und glücklicherweise findet ein Teil meiner Arbeit draussen im Feld statt.

Zuerst suchte ich zusammen mit meinem Geschäftspartner finanzielle Mittel. Wir bewarben uns mit unserer Geschäftsidee an einem Wettbewerb für Start-ups und gewannen. Der Preis beinhaltete nebst einer Anschubfinanzierung eine Jahresmitgliedschaft beim Impact Hub Zürich, womit sich die Frage nach einem Arbeitsort von selbst beantwortete. Seit Mai 2013 sind wir hier und gründeten vor einem Jahr unsere Firma Wildbiene + Partner.

Nach meinem Doktorat in Biologie wollte ich mein Wissen praxisorientiert anwenden. In meiner Doktorarbeit und schon zuvor, in der Masterarbeit, vertiefte ich mich in das Wissensgebiet der Wildbienen. Dabei beschäftigte ich mich mit Mauerbienen. Diese Wildbienen leben in unseren Breitengraden und sind hervorragende Bestäuber von Obst und Beeren. In unserem Projekt sind wir auf der Suche nach Bienengöttis oder -gotten, die mit Hilfe unserer speziell angefertigten Wildbienenhäuschen bei sich im Garten oder auf dem Balkon Mauerbienen beherbergen und vermehren. Wir organisieren dann den Transfer der Bienen zu den Obstbauern, wo sie unsere Früchte bestäuben.

Die Vorteile des Arbeitsortes im Hub sind die einmalige Atmosphäre und die vielen Möglichkeiten, die sich uns hier bieten. Ich lerne verschiedene Leute kennen, kann wertvolle Erfahrungen austauschen und Freud und Frust teilen. Auch interessieren mich das professionelle Coaching und die vielen angebotenen Anlässe. Zum Beispiel hatten wir vor gut einem Monat die Gelegenheit, dem Verein der Fachjournalisten, der hier sein Jahresjubiläum feierte, in zwei Minuten unser Start-up vorzustellen. Eine einmalige Gelegenheit, neue Kontakte zu knüpfen.

Ich arbeite gerne im Gemeinschaftsraum des Hubs, wo telefoniert und miteinander geredet wird. Mein Geschäftspartner zieht hingegen den ruhigeren Arbeitsraum vor. Leider können wir hier kaum Material lagern und haben unsere Produktionsstätte und unseren Lagerraum ausserhalb des Hubs. Das meiste Arbeitsmaterial befindet sich auf meinem Laptop. Wenn ich dringend ein Buch brauche, kann ich es zuhause holen. Ich wohne fünf Minuten von hier.

Für eine funktionierende Firma ist mehr als eine gute Idee nötig. Hier im Hub helfen sich die Mitglieder gegenseitig auf informeller Ebene bei Problemen. Zwar ist unsere gewonnene Mitgliedschaft mittlerweile abgelaufen, wir fühlen uns hier jedoch richtig zuhause und werden bis auf weiteres bleiben.»

Gemeinsam Projekte realisieren
Name: Isabelle Behrens
Alter: 32
Erstausbildung: Umwelt-Naturwissenschaftlerin ETH Zürich
Jetzige Tätigkeit: Unternehmerin
Firma: Intergenerator

«Ich bin seit August hier eingemietet, vorher arbeitete ich im Organisationsteam des Impact Hubs. In den ersten paar Wochen meiner Projektlancierung habe ich versucht, zuhause zu arbeiten. Ich war isoliert und für jegliche Inspiration und Motivation auf mich selbst gestellt. Für ein Start-up im Bereich nachhaltiger Entwicklung ist das hier der ideale Ort. Ich kriege kritische Inputs, die mich vorantreiben, und treffe Leute mit ähnlicher Erfahrung. Zum Beispiel brauchte ich für dieses Projekt einen Finanzierungs- und Businessplan. Ich fragte beim Hub-Team, wer mir helfen könnte, und tauschte mich für eine Stunde mit der vermittelten Person aus. Danach hatte ich einen ersten Entwurf. Eine Zeit lang arbeitete ich regelmässig mit einem anderen Hub-Mitglied zusammen. Wir gaben uns Feedback und tauschten Gedanken aus, verbesserten gegenseitig Grafiken oder probten Kurzpräsentationen. Das Arbeitsklima ist familiär. Wir sind ein eigenes Volk: unternehmerisch, international orientiert und digital unterwegs.

Meine Firmenidee fokussiert auf ein glücklicheres, längeres Leben. Ältere Leute, die in ihrem Berufsleben aktiv und erfolgreich waren, sollen nach der Pensionierung nicht inaktiv sein. Sie können in ihrer dritten Lebensphase noch viel umsetzen und bewirken, haben ein Potenzial, das sie nutzen könnten. Ich erstelle ein Netzwerk, in dem sich erfahrene Leute zu Projektteams zusammenfinden und neue Unternehmen aufbauen. Ich stehe noch ganz am Anfang. Seit September habe ich mit einigen älteren Leuten ein Konzept für meine Unternehmensidee entwickelt. Und im November führte ich die ersten Veranstaltungen durch. Ich biete den Projektverantwortlichen ein Umfeld und vermittle Experten, Entwickler oder Mitgründer. So stellte ich beispielsweise den Kontakt zwischen einem Tierrechtsanwalt und der ehemaligen Direktorin einer Kulturstiftung her. Gemeinsam entwickeln sie nun das Finanzierungsmodell und die Wachstumsstrategie für eine globale Tierrechtsplattform. Ältere Unternehmer wollen und müssen nicht mehr die ganze Arbeit selber machen, sie wollen ihre Erfahrungen einbringen und können es sich auch leisten, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Ich habe tolle Leute kennengelernt, die ein Leuchten in ihren Augen haben. Sie wollen Gleichgesinnte auf Augenhöhe treffen, über den menschlichen Kontakt hinausgehen, nicht nur miteinander wandern, sondern einen intellektuellen Austausch haben und gefordert bleiben.
Aktuell bin ich auf der Suche nach Mitgründern, die meine Leidenschaft für unternehmerisches Älterwerden teilen, gern auch selbst schon älter sein dürfen und die Brücke zu meiner Zielgruppe schlagen.»

 

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