«der arbeitsmarkt» 05/2006

Vermittlung von Stellen und Selbstwertgefühl

Seit 15 Jahren beteiligt sich Karl Emmenegger, der infolge eines Unfalls an den Rollstuhl gebunden ist, am Ausbau des von ihm geleiteten Instituts für Berufsfindung in Nottwil. Dort werden jährlich 60 bis 70 stationäre und zirka 40 ambulante Patienten in die Berufswelt zurückgeführt.

der arbeitsmarkt: Herr Emmenegger, wie kamen Sie dazu, Jobvermittler für Behinderte zu werden?
Karl Emmenegger: In meiner ehemaligen Tätigkeit als Lehrmeister von Zeichnerberufen – Maschinen-, Elektro-, technisch – habe ich gelernt, dass es in der Berufs- und Arbeitswelt immer wieder auf die richtige Begleitung bei Schnittstellen ankommt. Sei es, wenn es
darum geht, einzusteigen, umzusteigen oder sich weiterzubilden. Für behinderte Menschen werden diese Schnittstellen zu Schlüsselstellen. In diesen Fällen muss jedoch bei der Suche nach dem geeigneten Schlüssel ein «Vermittlercoaching» stattfinden, das alle Seiten genau kennt. Wie etwa Eigenschaften der Behinderung, verschiedene Möglichkeiten, in einer bestimmten Tätigkeit zu arbeiten, Versicherungsdenken, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerdenken und so weiter. In einer solchen Art und in einem solchen Umfeld zu arbeiten, hat mich so gereizt, dass ich meinen ersten Traumjob «Lehrmeister» wieder aufgab und mich vor 16 Jahren dieser Herausforderung stellte.
 
Warum machen Sie diesen Job?
Ich gebe drei Beispiele und stelle Ihnen zuerst eine Gegenfrage: Hätten Sie es gerne, wenn Ihnen ein solches Schicksal das Leben völlig verändern würde? Fall eins: Einem Patienten wird drei Monate nach dem Unfall während der Rehabilitation gekündigt mit der Begründung, die Firma könne so zusätzliche Lohnfortzahlungen sparen. Fall zwei: Einem Patienten wird während eines anschliessenden Arbeitsversuchs von der Firma jede erdenkliche Hilfe angeboten, damit für den Patienten eine neue, erfolgversprechende berufliche Tätigkeit aufgebaut werden kann. Fall drei: Ein Rotary-Club gibt unserem Institut bekannt, dass er sich mit mehr als 160 Firmen für unsere Patienten zur Verfügung stellen wird, sollten wir seine Hilfe gebrauchen. Ich denke, solange es in der Arbeitswelt solch enorme Unterschiede gibt, ist meine Arbeit
bestimmt noch gefragt!
 

Sie leisten trotz Ihrer Behinderung ein immenses Arbeitspensum.

Wenn man ein neues Selbstwertgefühl mit einer Behinderung aufbauen muss, darf man eines nicht vergessen: Schliesslich wird man trotz allem am Massstab der Nichtbehinderten gemessen. Die angestrebte Integration ist und bleibt die Integration in eine Gesellschaft, die sich zum grössten Teil aus Nichtbehinderten zusammensetzt. Somit gelten auch deren Spielregeln.
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