«der arbeitsmarkt» 10/2005

Unterstützung für lebensfähige Projekte

Arbeitslose, die sich mit einer guten Idee selbständig machen wollen, finden bei der ALV Unterstützung für die Planungsphase und darüber hinaus. Tony Erb, Ressortleiter Arbeitsmarktmassnahmen beim seco, zieht Bilanz.

«der arbeitsmarkt»: Die Arbeitslosenversicherung (ALV) unterstützt bei Arbeitslosen die Aufnahme
einer selbständigen Erwerbstätigkeit. Welche Idee steckt dahinter?
Tony Erb: Für manche Arbeitslose stellt die Aufnahme einer beruflichen Selbständigkeit eine gute Lösung
dar, die Arbeitslosigkeit zu beenden und sich dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Wirtschaft bietet eine Unzahl von Möglichkeiten für Nischenprodukte. Da kann ein kleines Unternehmen erfolgreich sein.
Arbeitslose können sich für solche Alternativen als Weg aus der Arbeitslosigkeit entscheiden, ohne das Risiko
einer Sanktion oder einer Einstellung der Taggeldzahlung einzugehen.
Die ALV verhindert ebenfalls, dass Versicherte ein disproportioniertes Risiko eingehen, weil sie nirgendwo die nötige Beratung, Unterstützung oder Weiterbildung zur Verwirklichung ihres Projektes finden. Dank dieser Hilfe können Hindernisse beseitigt und die Zahl der Fehlschläge herabgesetzt werden.

Wann macht der Gang in die Selbständigkeit für Versicherte Sinn?
T.E.: Das hängt stark von den persönlichen Umständen ab. Manche stellen sehr bald fest, dass die Aufnahme
einer selbständigen beruflichen Tätigkeit oder die Gründung eines eigenen Unternehmens eine Lösung ist, die Arbeitslosigkeit zu beenden. Bei anderen Versicherten gehen längere Überlegungen der Entscheidung zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit voraus.
Generell ist zu bemerken, dass es ratsam ist, den Weg in die Selbständigkeit zu wagen, bevor der Versicherte durch eine längere Arbeitslosigkeit verunsichert und weniger belastbar geworden ist.

Wie gross ist das Interesse?
T.E.: Eher ein geringerer Teil der Versicherten interessiert sich für diese Lösung, da man zur beruflichen Selbständigkeit bestimmte Fähigkeiten besitzen muss, die nicht jeder hat. Zudem besteht ein nicht zu unterschätzendes finanzielles Risiko, und ein Fehlschlag würde von der Person besonders stark empfunden
werden, da sie bereits arbeitslos ist. Ich möchte betonen, dass es für die ALV nicht darum geht, Wunschträume von Versicherten umzusetzen, sondern lebensfähige, realistische Projekte zu unterstützen, die langfristig bestehen können.

Für wie viele Projekte werden pro Jahr Taggelder zur Förderung selbständiger Erwerbstätigkeit (FsE) bewilligt?
T.E.: Im Jahr 2004 wurden etwa 3800 Projekte eingereicht. Davon wurden 3500 positiv beurteilt und eine Unternehmensgründung befürwortet.

Wie hoch sind die Kosten für FsE-Taggelder?
T.E.: Für das Jahr 2003 beliefen sich die Kosten auf 32,153 Millionen Franken, im Jahr 2004 waren es 45,226 Millionen. Es handelt sich hierbei um die während der Vorbereitungsphase zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ausgezahlten Taggelder inklusive der Sozialversicherungen.

Wie viele Unternehmen werden gegründet?
T.E.: Es bestehen keine offiziellen Zahlen zu den Unternehmungsgründungen. Man kann aufgrund der positiven Entscheide, abzüglich der knapp 10 Prozent ohne Unternehmensgründung, von etwa 3150 Neuunternehmen ausgehen.

Gibt es Zahlen über den Erfolg dieser Gründungen?
T.E.: Eine Umfrage zum Jahr 2001 bei 323 Unternehmensgründern hat gezeigt, dass nach etwa drei
Jahren 72 Prozent weiterhin selbständig waren. 18,3 Prozent der befragten Personen gaben an, die selbständige Tätigkeit aufgegeben, und 9,7 Prozent, ihr einstiges Projekt zur Selbständigkeit nicht umgesetzt zu haben.

In welchen Branchen wollen sich die Versicherten selbständig machen?
T.E.: Die Unternehmensgründungen sind grösstenteils im Handwerksbereich und im Dienstleistungssektor zu suchen, das heisst in jenen Wirtschaftszweigen, in denen keine grossen finanziellen Investitionen nötig sind.

Wer sich in den Bereichen Gastronomie oder Kultur selbständig machen will, bekommt von den Banken keinen Kredit. Gibt es solche «Branchensperren» auch für FsE-Taggelder oder füllt der Staat da eine Lücke, wo die Finanzinstitute keine Verantwortung übernehmen wollen?
T.E.: Die zuständigen kantonalen Amtsstellen achten bei der Beurteilung eines Projektes darauf, dass die zukünftige Firma sich in einem Wirtschaftssektor ansiedelt, für den der Markt nicht bereits ausgelastet ist. Die Bewilligung der Taggelder während der Vorbereitungsphase wird aber nicht davon abhängig gemacht. Wenn man überzeugt ist, dass der Versicherte über ein kohärentes Projekt und über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, werden auch Projekte in diesen «kritischen» Gebieten gutgeheissen. Die Feststellung ist richtig, dass die Geldinstitute bei Kreditvergabe zwecks Firmengründungen in manchen Branchen sehr
restriktiv sind beziehungsweise auf Anträge nicht eintreten. Ob arbeitslos oder nicht, ein Kredit in Branchen, in denen Marktsättigung herrscht, wird seitens dieser Institutionen immer ein Problemfall sein. Es ist aber nicht Rolle des Staates, als Kreditanstalt zu fungieren. Dies wäre ungleiche Behandlung und zöge eine
Wettbewerbsverzerrung nach sich. Das einzige Mittel, das hier zur Verfügung steht, ist der Mikrokredit.

Worum handelt es sich dabei?
T.E.: Es gibt Stiftungen, die über eigenes Kapital verfügen, aus dem sie Mikrokredite vergeben. Sie sind nicht von der öffentlichen Hand finanziert, aber ein bescheidener Betrag pro Dossierbearbeitung wird ihnen vergütet. Es können bis zu 30000 Franken zu einem niedrigen Zinssatz für ein gutgeheissenes Projekt bewilligt werden. Diese finanzielle Unterstützung ist begleitet von Beratung und Coaching, die sich in die Anfangsphase der selbständigen Tätigkeit fortsetzen können. Auf diese Leistungen können auch Unternehmensgründer ohne Mikrokredit zurückgreifen. In der Westschweiz sind zwei Stiftungen aktiv: in Lausanne «asece» und «omage» in Cugy. Im Kanton Basel-Stadt gibt es die Stiftung «Arbeitslosenrappen», die mit uns seit diesem Jahr zusammenarbeitet.

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