«der arbeitsmarkt» 05/2007

Traumjob sucht Traumbesetzung

Ob «Rentnerpaar sucht Raumpflegerin» oder «Bank sucht Broker»: Wem das persönliche Netzwerk nicht weiterhilft, der schaltet oder liest Inserate. Dank der erfreulichen Konjunkturentwicklung rekrutieren die Unternehmen wieder Mitarbeitende und bescheren der Branche mit gut 600000 Inseraten pro Jahr Millionenumsätze.

Pia Haussmann durchforstet einen ganzen Zeitungsstapel nach Stelleninseraten. Findet sie eines, das ihren Suchkriterien entspricht, reisst sie es mit Hilfe eines Lineals fein säuberlich aus und legt es zur Seite. Die Kundenberaterin sucht jedoch keinen Job, sie arbeitet bei der Prospective Media Services AG (PMS). Die PMS stellt Firmen und Personaldienstleistenden ein eDispositions-Tool – ein softwarebasiertes elektronisches Hilfsmittel – zur Verfügung, das die Erfassung und Platzierung von Stelleninseraten massgeblich vereinfacht. Die Kunden schreiben den gewünschten Inserattext in eine Maske, geben an, wo und wann das Inserat erscheinen soll und welche Details bezüglich der Platzierung zu beachten sind. Ist das Inserat gedruckt, erhalten sie von den Mitarbeitenden der PMS den Beleg dafür schwarz auf weiss.
Ein Inserat wird in den meisten Fällen erst geschaltet, wenn ein Posten nicht intern besetzt werden kann und auch das Netzwerken, also die Mund-zu-Mund-Propaganda, keine valablen Kandidatinnen oder Kandidaten zu Tage bringt. Diese internen und informellen Wege der Personalrekrutierung zeitigen oft gute Resultate. Deshalb werden nur gerade 44 Prozent der zu besetzenden Stellen öffentlich ausgeschrieben, wie eine Firmenumfrage 1996 ergab. Laut Matthias Mäder, Leiter Kundenberatung und Disposition bei der PMS, dürfte dieser Anteil heute sogar noch kleiner sein.

Kleine Texte mit grosser Leserschaft

Trotzdem finden sich in Tageszeitungen, in Stellenanzeigern und auf Stellenportalen Jobausschreibungen in grosser Zahl. Mark Sandmeier, Geschäftsführer des Stellenportals jobs.ch, schätzt die in der Schweiz veröffentlichten Stelleninserate auf 600000 pro Jahr – die eine Hälfte gedruckt, die andere elektronisch. Für das laufende Geschäftsjahr prognostiziert er dem Markt ein Umsatzvolumen von rund 350 Millionen Franken. Davon entfallen stolze 86 Prozent auf den Printbereich, denn eine gedruckte Ausschreibung kostet das Acht- bis Zehnfache einer elektronischen.
Jedes Jahr wechseln ein paar Hunderttausend Erwerbstätige in der Schweiz die Stelle und das SECO zählt gut 180000 bei den RAV gemeldete Stellensuchende. Doch die Zahl der Stellen wächst. Noch vor einem Jahr gingen bei den Personalabteilungen auf eine Stellenausschreibung bis zu 300 Bewerbungen ein. Mittlerweile hat der konjunkturelle Wind gedreht und die Stelleninserate müssen um Aufmerksamkeit buhlen.
«In Zukunft wird es immer weniger Bewerber auf die einzelnen Inserate geben», sagt Mark Sandmeier. Das ist erfreulich für Verleger und Portalbetreiber, denn schwierig zu besetzende Stellen werden häufiger ausgeschrieben. Das kann Pia Haussmann bestätigen: «Die Inserate werden oft mehrfach geschaltet, da man nicht immer auf Anhieb die richtigen Leute findet.» Deshalb werde der Inserattext nach der ersten Veröffentlichung oft noch umgeschrieben, um Stellensuchende anzusprechen, deren Qualifikationen auch wirklich dem Jobprofil entsprechen.
Diese Aufgabe gestaltet sich schwierig. Ausdifferenzierte Jobprofile lassen sich kaum in ein oder zwei Sätzen beschreiben. Und es sind hauptsächlich diese, die in den Stellenanzeigern der überregionalen Zeitungen beworben werden. Doch auch wenig anspruchsvolle Jobs mit unattraktiven Arbeitsbedingungen werden häufig ausgeschrieben. Da diese Stellen eine hohe Fluktuations-rate aufweisen, findet sich in den Tageszeitungen, so eine Studie des Soziologischen Instituts der Universität Zürich, auch eine grosse Zahl von Inseraten aus strukturschwachen Branchen und Randgebieten.
Über die Auswahl der Printmedien, in denen ein Inserat geschaltet wird – das heisst, ein Platz gebucht und das Inserat gedruckt wird –, lässt sich steuern, wie viele Leserinnen und Leser in welcher Region es auf den Frühstückstisch bekommen und welcher Einkommens- und Bildungsschicht sie angehören. Zumindest so genau, wie sich die Leserschaft einer Zeitung eben charakterisieren lässt. Daher lohnt es sich, eine Stelle in den richtigen Medien auszuschreiben. «Wenn jemand einen französischen Metzger braucht, dann suche ich nach Fachzeitschriften aus Frankreich und platziere dort das entsprechende Inserat», erklärt Pia Haussmann ihren Job.

Das Onlineinserat als Trendsetter

Zu einer guten Suchstrategie gehören auch präzise Formulierungen. Ein Kenner dieser Kunst ist Ivo Hajnal, der sich als Professor der Universität Innsbruck und als Gründungsmitglied der Schweizerischen Text Akademie unter anderem mit Unternehmens- und PR-Sprache beschäftigt. «Die Zeit der Märchenstunde im Inserat ist vorbei» diagnostiziert er. Bis ins Jahr 2000 seien Stelleninserate von gewaltigem Wortreichtum gewesen. Immer länger seien die Jobbeschreibungen und die Listen der Qualifikationsanforderungen geworden – bis das Gefäss übervoll gewesen und an seine Grenzen gestossen sei. Doch nun hat ein radikales Umdenken eingesetzt. Die Inserate werden entschlackt und nur noch die wichtigsten Punkte aufgelistet, statt Unternehmen und Job in ausufernden Beschreibungen darzustellen. «Reduce to the max», beschreibt der Schweizer Sprachwissenschafter den Trend. «Das kommt dem Leseverhalten und dem Bedürfnis nach möglichst schneller Information entgegen.» Deshalb gleiche das Print-inserat immer mehr seinem elektronischen Pendant.
Onlineinserate sind bezüglich Umfang und Übersichtlichkeit tatsächlich Trendsetter. Sie müssen knapp abgefasst und gut strukturiert sein. «Fliesstext wird am Bildschirm nicht gelesen», erklärt Mark Sandmeier. «Bei aller Übersichtlichkeit und Kürze ist aber wichtig, dass die relevanten Begriffe enthalten sind und das Inserat bei der Stichwortsuche gefunden wird.»
Die Funktion des Stelleninserats ist jedoch nicht nur die, eine offene Stelle möglichst ideal zu besetzen. Es ist auch ein Aushängeschild für das Unternehmen. Die Credit Suisse veröffentlicht pro Jahr rund 400 Stelleninserate in Schweizer Printmedien. Wichtig ist ihr dabei nicht nur, das Interesse potenzieller Bewerberinnen und Bewerber zu wecken, sondern auch die Attraktivität der Credit Suisse als Arbeitgeberin zum Ausdruck zu bringen. Das Inserat wird als Image­träger verstanden. «Die Stelleninserate werden in Einklang mit dem aktuellen Auftritt der Credit Suisse gestaltet», erklärt Nicole Pfister-Bachmann von der Kommunikationsabteilung der Grossbank.
«Das Inserat ist ein Instrument der Unternehmenskommunikation. Es entspricht dem Corporate Design und soll Lebenswelten vermitteln», analysiert Ivo Hajnal. Viele Firmen arbeiten zum Beispiel mit Bildern als Eye-Catcher. Diese vermögen die Aufmerksamkeit der Lesenden zwar nur für Sekundenbruchteile zu
fesseln, doch immerhin lenken sie den Blick auf das Inserat. Das Interesse muss dann die Stellenbezeichnung wecken.
Anuschka Greuter erstellt bei der PMS Vorlagen für Kunden, die ihren Inserattext danach nur noch in eine Maske abzufüllen brauchen, und entwirft Inserate für jene, die auf diesen Service verzichten. «Die Kunden wollen ein schön gestaltetes, auffälliges Inserat nach den Vorgaben des Corporate Design. Und das möglichst günstig.» Sie versucht den Wünschen der Kunden zu entsprechen, auch wenn das zuweilen ihren geschulten Augen weh tut. «Einige lassen mit sich reden, andere nicht. Aber letztlich muss der Kunde hinter dem Inserat stehen können, nicht ich.» Was ihr zum Beispiel gar nicht gefällt, sind die Inserateseiten in den Westschweizer Zeitungen. «Die Romands scheinen eine andere Inseratekultur zu haben. Sie verwenden eine andere Typographie.» Dafür fallen jene Inserate auf, welche die PMS in «Le Matin» oder «Le Temps» platziert.

Mehrfachausschreibungen sind üblich

Doch nicht jedes Stelleninserat schafft es in die Zeitung. Mark Sandmeier rät gar, eine Stelle zuerst auf der eigenen Homepage oder auf einem Stellenportal in verschiedenen Inseraten auszuschreiben. Finde man so nicht die passende Besetzung, könne man immer noch jenes Inserat, das die besten Bewerbungen
einbrachte, für mehr Geld in gedruckter Form veröffentlichen. «Diese Suchstrategie ist heute schon üblich. Im Onlineinserat kann der Text einfacher angepasst werden, um einen Treffer zu landen.»
Auch die zeitgleiche Mehrfachausschreibung bei Onlineinseraten ist laut Sandmeier üblich. So finde man für ein und denselben Job häufig mehrere Inserate unter verschiedenen Berufsbezeichnungen. Das hat den Vorteil, dass sich auch ein «Hausabwart», dem die englische Bezeichnung für seinen Beruf nicht geläufig ist, als «Facility Manager» bewerben kann.
Auch die Interaktivität ist ein Vorteil der Onlineinserate. Die Verlinkung ermöglicht es Interessenten, sofort mit dem Arbeitgeber in Kontakt zu treten, sich auf der Homepage über das Unternehmen zu informieren und ihre Bewerbung loszuschicken.

Personalsuche kann ins Geld gehen

Die Personalsuche per Onlineausschreibung lässt sich nicht nur flexibler gestalten, sie ist auch billiger. Printinserate können ganz schön ins Geld gehen. «Ein schlichtes Inserat in einer kleinen Zeitung kann man für 50 Franken haben», erklärt Anuschka Greuter. «Je nach Grösse, Layout und Zeitungen kann die Personalsuche aber schon mal 10000 Franken kosten.» Auch die Platzierung auf der Zeitungsseite beeinflusst den Preis. Für das Inserat oben rechts auf der Seite wird am meisten bezahlt, da auf diese Stelle der erste Blick nach dem Umblättern fällt.
Nicht wegen der anfallenden Kos-ten, sondern aufgrund der Tatsache, dass ein guter Geschäftsgang den Ausbau ermöglicht und mehr Personal erfordert, gilt das Stelleninserat als guter Konjunkturindikator. Das bekommen auch die Mitarbeitenden der PMS zu spüren. «Die Unternehmen haben mehr Arbeit, machen mehr Umsatz und brauchen mehr Personal und so steigen auch bei uns Aufwand und Belastung», erklärt Pia Haussmann. Kommt man, wenn man den ganzen Tag Stelleninserate bearbeitet, nicht auf die Idee, sich selbst gleich auf ein besonders attraktives zu bewerben? «Nein», wehrt Pia Haussmann ab, «durch den Tag bleibt in der Disposition kaum Zeit, die Inserate genau zu lesen und am Abend wäre ein Stelleninserat das Letzte, was ich noch lesen möchte.»

Zur PDF-Version: