«der arbeitsmarkt» 05/2014TEXT: Vanessa Kuhn
Social Media in Unternehmen

Transparent kommuniziert

Die Präsenz in der digitalen Welt ist umso wichtiger, je grösser eine Firma ist. Zirka zwei Drittel der Schweizer Unternehmen, Behörden und Non-Profit-Organisationen benutzen Social-Media-Plattformen. Wie sie dabei vorgehen, ist ganz unterschiedlich. 

«Wir sind 2009 offiziell mit Facebook, Twitter und YouTube gestartet», sagt Patrick Moeschler, Social-Media-Verantwortlicher der Swisscom. «Damals hatten wir ein sehr schlankes Konzept und wendeten ungefähr 100 Stellenprozent dafür auf.» Heute hat sich einiges verändert. Weitere Kanäle sind hinzugekommen, und die Swisscom entwickelte eine mehrseitige Social-Media-Guideline. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen mehrere Mitarbeitende, verteilt auf zehn Stellen, die die verschiedenen Portale bewirtschaften. «Das ist eine klassische Entwicklung und Nutzung der sozialen Medien», bestätigt auch Sandra Albisser, Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur SocialCom in Luzern. «Viele Unternehmen sprangen zu Beginn auf die Social-Media-Schiene auf und erstellten Profile, bevor sie sich überlegten, was sie mit der Plattform anfangen möchten. Oder ob sie die richtige gewählt haben. Learning by Doing war in diesen Zeiten nicht immer die falsche Strategie.» 
Laut einer Studie, die die Kommunikationsagentur Bernet PR in Zusammenarbeit mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften letztes Jahr publizierte, engagieren sich zwei Drittel der Schweizer Unternehmen in den sozialen Medien. Lediglich 55 Prozent davon arbeiten hingegen mit einer formulierten Strategie. 

Unterschiedliche Strategien

Ohne zugewiesenen Arbeitsauftrag werden die sozialen Medien vom Unternehmen Namics abgefüllt. Der Onlinespezialist verfolgt das Prinzip, dass sich alle Mitarbeitenden in ihrem Namen auf den verschiedenen Plattformen zu Wort melden. «Das hat natürlich bei uns mit der Natur der Sache zu tun», sagt Nadine Müller, Recruiting Manager bei Namics. «Bei uns schlagen echte digitale Herzen. Alle Angestellten sind Fachspezialisten rund um das Thema digitale Kommunikation. Sie agieren selbstverantwortlich, und wir bringen ihnen das nötige Vertrauen entgegen. Wir wollen den Wissensaustausch aktiv fördern – intern wie auch extern.» 
Social-Media-Expertin Sandra Albisser sieht darin aber auch Gefahren: «Wenn niemand wirklich verantwortlich ist, ist die Kontrolle nicht gegeben. Aber bei einem Unternehmen wie Namics ist die Affinität zur Onlinewelt und zu den sozialen Medien gegeben.» Und das Konzept, dass alle Mitarbeitenden sich auf den digitalen Plattformen äussern, hat natürlich Vorteile: Wenn eine richtungsweisende Strategie wegfällt, sind die Eintragungen sehr authentisch und individuell. 
Diese Vorgehensweise geht für Namics auf allen Social-Media-Plattformen auf und entspricht der offenen Firmenkultur. «Wir stehen dafür, dass wir unsere Meinung kundtun.» Nadine Müller ist aber bewusst, dass sich die Mitarbeitenden mit ihren Social-Media-Einträgen in der Öffentlichkeit bewegen: «Mit einem pointierten Beitrag bietet der Mitarbeitende eine Angriffsfläche und tritt in einen Dialog. Aber jeder kann selber entscheiden, wie viel er von sich preisgibt», sagt Nadine Müller. 
Die Bernet-Studie über die Verwendung von Social Media bei Schweizer Firmen zeigt auf, dass viele Unternehmen erst im Verlauf der letzten Jahre den Einstieg in die sozialen Medien gewagt haben. Zu ihnen gehört auch die Swisscom. «Wir haben vor fünf Jahren begonnen, und damals war der Respekt gross», erinnert sich Patrick Moeschler. «Was ist, wenn die User schreiben, dass sie Swisscom uncool finden? Niemand war sich diese plötzliche Transparenz gewohnt.» Die Unsicherheit war unbegründet. Bis heute blieb die Swisscom von grösseren Anfeindungen verschont. Trotzdem bemerkt Sandra Albisser: «Die Unternehmen bieten eine grosse öffentliche Angriffsfläche. Die Mitarbeitenden müssen geschult sein, wie sie mit negativen Inputs von aussen umgehen. Und jede Unternehmung sollte ein Krisenkonzept erarbeiten, falls wirklich einmal ein Sturm wütet.» 

Inhalte differenzieren 

An der Spitze der von Firmen benutzten sozialen Plattformen hält sich nach wie vor Facebook. Mit einigem Abstand folgen YouTube, Xing und Twitter und noch etwas weiter hinten Google+. Dass die Blogs erst an zehnter Stelle stehen, erstaunt. Die Swisscom und auch Namics unterhalten mehrere Blogs zu verschiedenen Themen. 
«Bei uns wird ganz viel gebloggt», sagt Nadine Müller von Namics. «Im Blog können wir uns mit unserem Fachwissen profilieren. Zum Beispiel ‹Hirnlego›: Dort schreiben unsere Kreativen. Jeder bloggt mit seinem eigenen Namen. So werden unsere Mitarbeitenden sichtbar, und es kann sein, dass sie als Speaker bei Kongressen angefragt werden.» 
Auch bei Swisscom sind die Blogs ein wichtiger Bestandteil, der vor allem dem Wissenstransfer dient. «Wir differenzieren je nach Inhalt auch die Plattform. Nicht alle Kanäle eignen sich für alles», sagt Patrick Moeschler. «Ein Wettbewerb zum Beispiel funktioniert auf Facebook, aber weniger auf Twitter. Dafür twittern wir etwa ein neu erhältliches Update für ein mobiles Gerät. Das hat damit zu tun, dass sich die jeweiligen Interessengruppen dort aufhalten.» 
Bei der Durchsicht der Firmenauftritte fällt auf, dass die meisten Unternehmen dieselben Inhalte auf Facebook und Google+ veröffentlichen, obwohl die Plattformen unterschiedliche Ziele verfolgen. Im Vergleich wäre Facebook ein Dorf, wo sich die Bewohner auf der Strasse oder im Café zum Plaudern treffen. Google+ hingegen wäre das Fachgeschäft, wo sich Interessierte und Spezialisten unterhalten, die sich nicht zwingend kennen müssen. «Wir sind uns bewusst, dass wir heute noch nicht die ganzen Funktionen von Google+ anwenden», sagt Patrick Moeschler. 

Fachsimpeln im Netz 

Eine Spezialität von Google+ sind die sogenannten Hangouts. Sie sind zu vergleichen mit Videokonferenzen für rund zehn Teilnehmende. Der Fahrradspezialist «Veloplus» zum Beispiel benutzt die Hangouts mit grossem Erfolg. Interessierte diskutieren dort über die neusten Funktionen und Trends bei Velos. Hangouts sind auf ungefähr zehn Personen ausgerichtet. Swisscom evaluiert zurzeit, wie sie diese einsetzen könnte. Namics benutzt die Hangouts ebenfalls erst zögerlich. Das Unternehmen beobachtet zwar genau, was sich auf diesem Markt tut, verwendet die Funktion jedoch hauptsächlich für interne Zwecke. 
Um die richtigen Plattformen auszuwählen, empfiehlt Sandra Albisser zu Beginn eine genaue Analyse der Bedürfnisse. «Jedes Unternehmen muss sich der Zielgruppen bewusst sein und was es kommunizieren möchte. Weitere wichtige Eckdaten sind die Ressourcen und das Budget. Social Media eignen sich nicht für jede Unternehmung, denn die Firmenkultur sollte sich mit den Eigenheiten der sozialen Medien vereinbaren lassen. Wie gross eine Firma ist, hat dabei keinen Einfluss.» 

Den Nutzen evaluieren 

Ein in Firmen viel diskutiertes Thema bei den sozialen Medien ist der ROI – Return on Investment. Unter dem Strich sollte sich die Investition finanziell lohnen. «Was den ROI angeht, stehen wir in der Schweiz noch etwas in den Kinderschuhen», sagt Sandra Albisser. «Das Monitoring und die Analyse werden aber immer wichtiger.» Die Unternehmen wollen nicht nur den Aufwand, sondern auch den Nutzen kalkulieren können. Und dieser ist nicht immer finanzieller Natur. Die Dialogkanäle sind am Puls der Kunden. Das heisst, der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen steht nicht im Vordergrund. Viel mehr interessieren die Wünsche und Anregungen der Zielgruppe. Die wahrscheinlich bekannteste Plattform, die auf Kundenwünsche eingeht, ist Migipedia der Migros. Dort können Kunden an Abstimmungen zu neuen Produkten teilnehmen oder ihre Anregungen, aber auch Frustrationen platzieren. 
Die Swisscom analysiert ihren Social-Media-Auftritt nach verschiedenen Gesichtspunkten. Die klassischen sind die Anzahl Fans und Interaktionen sowie die Anfragen, die früher bei der Hotline gelandet wären. «Zu errechnen, ob sich etwas finanziell auszahlt, ist im Kommunikationsbereich generell schwierig. Trotzdem sind wir daran, auszuwerten, wie lohnend die sozialen Medien sind», sagt Patrick Moeschler. «Die einzelnen Kanäle sind erwachsener geworden und bedeuten für die Unternehmen einen Mehrwert. Nicht nur für das Image, auch beim Absatz von Produkten. Social Media tragen heute klar zu unserem Erfolg bei.» 
Jeder Eintrag auf einer Social-Media-Plattform kostet Geld in Form von Zeit. «Social Media sind nicht so teuer, wie man denkt», sagt hingegen Nadine Müller von Namics. «Um einen schönen Blogbeitrag zu schreiben, brauche ich gut und gerne zwei Stunden. Aber Tweets kann ich auf dem Weg zur Kaffeemaschine schreiben. Bei uns sind alle so Social-Media-affin, dass das Bewirtschaften der Kanäle sehr natürlich vor sich geht. Wir haben keinen institutionalisierten Community Manager, jeder Mitarbeitende ist ein Community Manager.» 

Schnell reagieren 

Viele Fans oder Follower sind gute Indikatoren, ob das Unternehmen von seinem Zielpublikum gesehen wird. Social Media setzen jedoch auf den Dialog: «Der könnte besser sein», sagt Nadine Müller. Es gibt immer wieder Reaktionen auf die Aktivitäten auf den diversen Kanälen, aber so ein richtiger Dialog entsteht nicht. «Das wünschten wir uns natürlich. Die Leser schreiben zum Beispiel ‹guter Beitrag› oder ‹interessantes Thema›. Auf Twitter kann ab und zu ein etwas längerer Dialog entstehen. Schön wäre, wenn das auch auf den anderen Kanälen öfters der Fall wäre.» 
Zum Dialog gehört auch die Reaktionszeit. Swisscom und Namics sind vorbildlich, sie reagieren innert kurzer Zeit auf Fragen oder Inputs. Sandra Albisser empfiehlt die Schnelligkeit der Plattform als Referenz. Auf Twitter wird eine Antwort in unter einer Stunde erwartet. Auf Facebook – ausser der Anbieter ist ein Dienstleister – kann sich die Firma etwas mehr Zeit lassen. Je schneller sie auf die Frage oder Anmerkung eines Fans oder Followers eingeht, umso positiver wird der Servicelevel des Unternehmens bewertet.

 

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