Veröffentlicht am 26.05.2015TEXT: Robert AltermattFOTO: Simone Gloor
In eigener Sache: Veränderungsprozess beim «arbeitsmarkt»

«Sparen ist nicht das Hauptziel»

Die Publikation «der arbeitsmarkt» («dam») steht vor einem Paradigmenwechsel. So soll künftig der Online-Auftritt vermehrt im Fokus stehen, während der Printbereich zurückgefahren wird. Für das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) als Auftraggeber sind die beim «dam» anstehenden Veränderungen ein Schritt in die richtige Richtung. Gespräch mit Tony Erb, der beim SECO als Gruppenleiter Produkte und Programme der Aktiven Arbeitsmarktpolitik oberster Schirmherr des «dam» ist.

Tony Erb, die Zeitschrift «der arbeitsmarkt» («dam») ist eine ziemlich kostspielige Arbeitsmarktmassnahme (AMM). Was ist die Motivation des SECO, dieses Programm zu finanzieren?
Die Hauptmotivation für das SECO besteht darin, dass dieses AMM-Beschäftigungsprogramm etwas bewirken muss. Einerseits wollen wir mit dem «dam»-Angebot das Know-how der Versicherten verbessern, andererseits ist eine bessere Wiedereingliederung der stellensuchenden Personen auf dem Arbeitsmarkt das Ziel. Wir erhoffen uns von diesem Programm, dass die Teilnehmer des «dam» einen Mehrwert für ihren Lebenslauf generieren können und bessere Chancen haben, wieder eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu finden.

Was ist in den Augen des SECO das Spezielle am «arbeitsmarkt»-Programm?
Das Besondere daran ist, dass dieses Programm in erster Linie für ein spezifisches Publikum mit fachspezifischen Kenntnissen bestimmt ist. Das Angebot richtet sich an ausgebildete oder angehende Medienleute wie beispielsweise Journalisten, Fotografen oder Grafiker. Weil das «dam»-Programm relativ teuer ist, braucht es seitens der RAV-Berater eine sorgfältige und umfassende Abklärung, damit ein Teilnehmer für eine solche Massnahme überhaupt angemeldet werden kann. Eine gründliche Analyse im Vorfeld soll helfen, die bestmöglichen Kandidaten für diese AMM auszuwählen.

Was ist der Wert der Zeitschrift «der arbeitsmarkt»?
Primär geht es beim «dam» um eine bessere Vermittelbarkeit der Teilnehmer am Arbeitsmarkt. Ich bin mir bewusst, dass der Begriff «bessere Vermittelbarkeit» eine sehr allgemein gehaltene Formulierung ist. Eine stellensuchende Person fühlt sich besser vermittelbar, wenn sie mit Hilfe eines AMM-Programms neue berufliche Kenntnisse erwirbt und Neues entdeckt, ihr eigenes Selbstbewusstsein stärkt und aufgrund der Erarbeitung von Arbeitsproben Anerkennung erfährt. Zu wissen, mein Artikel wurde 2000 Mal gelesen, ist doch ein schönes Gefühl! Alle diese positiven Aspekte bewirken bei den Teilnehmern eine bessere Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt, sie sorgen für ein höheres Selbstwertgefühl und generieren für die stellensuchende Person einen Mehrwert bei einem zukünftigen Arbeitgeber. Die «dam»-Fachcoachs unterstützen die Teilnehmer, indem sie diesen unter anderem aufzeigen können, was heutzutage die Erfordernisse der Wirtschaft sind, welche Fertigkeiten und Fähigkeiten von Journalisten oder Fotografen verlangt werden.

Stichworte Aufwand und Ertrag: Was hat der «arbeitsmarkt» den Teilnehmern bislang gebracht?
Dank regelmässigen Umfragen bei ehemaligen «dam»-Teilnehmern wissen wir, dass dieses AMM-Beschäftigungsprogramm mehrheitlich sehr positiv eingeschätzt wird. Der allgemeine Tenor lautet: «Diese Massnahme hat mir etwas gebracht.» Selbstverständlich sind nicht alle restlos damit zufrieden. Insgesamt jedoch berichten uns die Teilnehmer, dass sich durch die Partizipation am «dam» ihre berufliche Situation verbessert hat und dass sie dadurch neue Erkenntnisse gewonnen haben. Ausserdem schätzen es die Teilnehmer, neue Medien kennenzulernen und diese auch auszuprobieren. Negative oder kritische Rückmeldungen nehmen wir ernst, indem wir im Dialog nach Lösungen suchen. Wir befinden uns beim «dam» in einem ständigen Verbesserungsprozess – und das seit mehr als 19 Jahren.

Der «arbeitsmarkt» steht vor einem Innovationsschritt: Die Zukunft wird vor allem online stattfinden, der Printbereich deutlich zurückgefahren. Wie stellt sich das SECO dazu?
Das ist eine sehr interessante Frage. Genau diese Fragestellung habe ich den Mitgliedern des Fachbeirats ebenfalls gestellt. Wir vom SECO erwarten von den Verantwortlichen des «dam», dass diese Publikation sowohl als Online- wie auch als Printfassung auf der Höhe der Zeit ist – inhaltlich, organisatorisch und technologisch. Der regelmässig stattfindende Austausch zwischen dem «dam», dem SECO und den Trägerorganisationen ergab im vergangenen Jahr, dass der «arbeitsmarkt» von sich aus den Wunsch geäussert hat, in Zukunft einen Technologiewandel in Richtung Online-Medien vorzunehmen. Die Initiative dazu kam nicht von uns, sondern vom «dam». Die Bedürfnisse der Medienlandschaft von heute verlangen es, mediale Inhalte vermehrt online und multimedial anzubieten. Wir wissen, dass profunde Kenntnisse in Bezug auf Online-Medien auf dem Arbeitsmarkt heutzutage ein Muss sind. Der «arbeitsmarkt» trägt diesem Umstand Rechnung und setzt künftig verstärkt auf die Online-Schiene.

Standen Kosteneinsparungen hinter diesem Entscheid?
Überhaupt nicht, das war für uns nie – auch ansatzweise nicht – ein Thema. Primär muss eine AMM die Vermittelbarkeit der stellensuchenden Person erhöhen und gleichzeitig einer Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt entsprechen. Wir möchten zuerst wissen, welche Resultate eine AMM tatsächlich bringt. Die Kostenfrage ist sicherlich wichtig, hat diesbezüglich aber «nur» zweite oder sogar dritte Priorität. Optimal ist, wenn eine AMM kleine Kosten verursacht und gleichzeitig damit ein hoher Wirkungsgrad erreicht wird. Was den «dam» und den geplanten Innovationsschritt in Richtung Online-Ausgabe betrifft, so habe ich natürlich nichts dagegen einzuwenden, dadurch ein paar tausend Franken einzusparen. Sparmassnahmen beim «dam» sind aber nicht das Hauptziel. Allerdings möchte ich festhalten, dass sämtliche nationalen AMM zusammengerechnet mittlerweile den Kostenplafond erreicht haben. Was die Finanzierung sämtlicher nationalen AMM-Programme betrifft, so sind wir angehalten, 2016 etwa zehn Prozent einzusparen. Die Botschaft des SECO ist klar: Einerseits müssen Kosten eingespart werden, andererseits soll vermehrt nach anderen, neuen Geldquellen gesucht werden. Nichtsdestotrotz: Die AMM sind mehrheitlich sehr erfolgreich und beliebt. Die Kantone erteilen und vermitteln uns von Jahr zu Jahr immer mehr Aufträge und Teilnehmer. Insofern sind wir quasi ein Opfer unseres eigenen Erfolgs. So etwa hat der «arbeitsmarkt» eine Warteliste, die bis in den September reicht.

Was erwarten Sie von der strategischen Neuausrichtung des «arbeitsmarkts»?
Ich erwarte vom «dam», dass dieses Instrument à jour ist mit den heute im Markt geforderten Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten auf dem Gebiet des Journalismus, der Presse und der multimedialen Welt. Das ist die Haupterwartung, die wir an dieses Programm stellen.

Das SECO hat bezüglich Arbeitsmarktmassnahmen bereits einen Strategiewechsel hinter sich. Organisationen, die solche Programme durchführen, müssen mehr als Unternehmer auftreten. Was heisst das, und was verspricht sich das SECO davon?
Die nationalen AMM waren in der Vergangenheit in finanzieller Hinsicht stark von der Arbeitslosenversicherung abhängig. Das ging so lange gut beziehungsweise war zumeist unproblematisch, solange es noch keine Plafonierung der Ausgaben gab oder die bestehende Kostendecke nicht erreicht wurde. Heute ist die Situation anders. Der Kostenplafond ist Realität, Einsparungen von zehn Prozent des Gesamtbudgets sind beschlossene Sache. Wichtig in diesem Zusammenhang erscheint mir der Hinweis, dass die AMM nicht nur vom SECO, sondern auch von den Kantonen abhängig sind. Was wir vom SECO aktuell mit den nationalen AMM erreichen möchten, ist, die Zukunft dieser Programme nachhaltig und dauerhaft sicherzustellen. Das geht nur, wenn die Programme jeweils von mehreren Auftraggebern getragen werden und sie dadurch auch über verschiedene Finanzquellen verfügen. Als passendes Stichwort dazu fällt mir der Begriff der Diversifizierung ein. Wir möchten die Existenz der Arbeitsmarktmassnahmen langfristig und nachhaltig gewährleisten, indem die finanziellen Risiken auf mehrere Anbieter verteilt werden. Wir wollen unbedingt vermeiden, dass die AMM finanziell zu 99 Prozent von der Arbeitslosenversicherung abhängig sind.

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, möchten Sie, dass beispielsweise eine Organisation wie «der arbeitsmarkt» in Zukunft nicht nur einen, sondern mehrere Auftraggeber hat?
Ja, genau so stelle ich mir das vor. Mehrere Auftraggeber zu haben, bedeutet auch eine Minimierung der finanziellen Risiken, da die Kostenlast auf mehrere Schultern verteilt wird. Die längerfristige Existenz des «dam» scheint mir vergleichsweise ungefährdet, weil diese AMM ein sehr fachspezifisches Publikum abdeckt. Persönlich bezweifle ich, dass die Kantone die finanziellen Möglichkeiten haben, ein nationales Programm von der Grössenordnung eines «dam» mit eigenen Projekten zu konkurrenzieren. Eine mögliche Diversifizierung beim «dam» könnte so aussehen, dass in naher Zukunft die rund zehn- bis zwölfköpfige Redaktion des «dam» in Zürich nicht mehr ausschliesslich mit Teilnehmern, die von uns beziehungsweise den RAVs geschickt werden, besetzt wird. Es ist sehr gut möglich, dass ein gewisser Prozentsatz der Teilnehmer dann von anderen Kunden vermittelt wird.

«der arbeitsmarkt» wechselt vom Papier auf den Bildschirm
Dies ist die letzte Nummer der Zeitschrift «der arbeitsmarkt». Das erfolgreiche Qualifizierungsprogramm eröffnet mit dem neu gestalteten Onlineportal den Stellensuchenden deutlich mehr Möglichkeiten, insbesondere im multimedialen Bereich.
Journalistinnen und Fotografen auf Stellensuche brauchen aktuelle Arbeitsproben, müssen an Vorstellungsgesprächen überzeugend auftreten, benötigen Arbeitserfahrung. Denn die Konkurrenz auf dem Stellenmarkt ist gross, viele Medienhäuser haben die Belegschaft kontinuierlich abgebaut, und Onlineredaktionen verlangen neue fachliche Kompetenzen. Seit bald 20 Jahren bietet schweizweit nur ein Programm zur vorübergehenden Beschäftigung (PvB) den Medienleuten Unterstützung im fachlichen und persönlichen Bereich und produziert ein journalistisches Produkt.
Die Geschichte
Der Verein für Arbeitsmarktkommunikation lancierte im Sommer 1996 die «AAM-Agenda», die Zeitschrift mit Informationen über «aktive arbeitsmarktliche Massnahmen». Das Heft umfasste 20 Seiten, vorwiegend mit Informationen für Fachpersonal. Schon bald schrieben vom RAV vermittelte Journalisten und Journalistinnen für die Publikation, finanziert vom damaligen BIGA, dem Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit. Im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO publiziert, wurde die «Schweizer Arbeitsmarktzeitschrift» im Juni 2000 zur «AM-Agenda» und Anfang 2003 zur Zeitschrift «der arbeitsmarkt», die zehn Mal im Jahr auf Deutsch und Französisch erschien. Fünf Jahre später ergänzte ein Onlineauftritt die Zeitschrift.Anfang 2009 wechselte das Programm «der arbeitsmarkt» von jobindex zu FAU – Fokus Arbeit Umfeld. Die Publikationen wurden immer mehr zur Werkschau für die Teilnehmenden, mit einer breiten Themenpalette, die Farbe hielt auch im Heft Einzug. Ab Juni 2011 erschien «der arbeitsmarkt» mit einem zeitgemässen Layout mit vielen gestalterischen Möglichkeiten. Gleichzeitig sank die Auflage stetig. Ein Schicksal, das die meisten Publikationen in der Schweiz ereilte.
Multimedialer Auftritt
Ab diesem Sommer setzt «der arbeitsmarkt» primär auf Onlinejournalismus. Finanziert wird das Programm weiterhin vom SECO respektive über ALV-Gelder. Die Redaktion produziert aktuelle und Hintergrundbeiträge, publiziert Porträts, Interviews und Reportagen. Neu sind multimediale Reportagen. Text, Fotografie, Grafiken, Videos und Ton werden zu einem Beitrag verknüpft, jedes Medium wird passend eingesetzt. So entsteht eine interaktive, vor allem bildstark erzählte Geschichte. Eine Form, die im deutschsprachigen Raum noch am Anfang steht, aber grosses Potenzial hat und von den Programmteilnehmenden bereits mit grossem Interesse angenommen wird. Weiter produziert die Redaktion jährlich zwei Fachpublikationen mit Themenschwerpunkten wie Stellensuche, Standortbestimmung, Bildung und Integration. Den Programmteilnehmenden steht somit die gesamte Medienvielfalt offen, um sich individuell und bestmöglich für eine neue Stelle vorzubereiten.
Text: Robert Hansen, Chefredaktor «der arbeitsmarkt»

 

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