«der arbeitsmarkt» 11/2005

Mit Bruder Lars auf Bibeltour

Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet eben zum Berge kommen. Diese Weisheit
nehmen sich die Zeugen Jehovas zu Herzen. Wir waren mit einem Verkündiger unterwegs.

08.30 Samstagmorgen am Bahnhof Bülach. Wir halten Ausschau nach unserem Kontaktmann Lars Berger. Er ist einer von knapp 20000 Zeugen Jehovas in der Schweiz. Wir wissen nicht, wie er aussieht, doch er beweist
Menschenkenntnis und erkennt in uns sofort die Journalisten. Der gross gewachsene und adrett gekleidete Mann Anfang dreissig begrüsst uns freundlich und mit festem Händedruck. Lars, man duzt sich bei Jehovas
Zeugen, hat sich bereit erklärt, uns Einblick in den Arbeitstag eines Verkündigers zu geben. Ein Verkündiger bringt das Wort Gottes unter die Leute, indem er von Tür zu Tür geht und das Gespräch über die Heilige Schrift sucht. Man solle das aber nicht mit Missionieren ver-wechseln: «Wir wollen die Menschen nicht überreden, sondern anregen», erklärt Lars, als wir in seinem Auto sitzen. «Das Ziel ist nicht, Mitglieder zu werben, sondern jenen Menschen, die es interessiert, die Bibel näher zu bringen.» Auch ein weiterer Punkt bedarf einer Erklärung: Der Predigtdienst, so die offizielle Bezeichnung, ist nicht Arbeit im wirtschaftlichen Sinn, sondern ehrenamtliche Tätigkeit, die mit Gottes Lohn vergolten wird.

08.45 Wir treffen etwas zu früh am Rand des Industriegebiets von Bachenbülach ein und parken vor einem
Mineralwasserlager. Im ersten Stock betreten wir den Königreichssaal. Dieses Versammlungslokal teilen sich die Gemeinden Bülach-Ost, der Lars angehört, Bülach-West und Bülach-Italiana. Der Raum riecht nach neuem Teppich und bei der Inneneinrichtung kam die Farbe Lila etwas übertrieben zur Anwendung. «Ein bisschen viel für meinen Geschmack, aber ich war bei der Auswahl nicht dabei», sagt Lars. Die drei Gemeinden zählen zusammen schon über 200 Aktive und die Gemeinschaft ist deshalb auf der Suche nach einem neuen, grösseren Saal. An der Wand steht gross und zweisprachig der Psalm 121:2: «Meine Hilfe kommt von Jehova», «Il mio aiuto è da Geova». Fein säuberlich ausgerichtete Stuhlreihen stehen einer kleinen Bühne gegenüber. Die Wandschränke sind mit Literatur gefüllt: «Den allein wahren Gott anbeten», «Kümmert sich Gott wirklich um uns?» und so weiter. Grüppchenweise betreten gegen 9 Uhr immer mehr
Gemeindemitglieder den Saal. Die Glaubensbrüder und -schwestern begrüssen sich mit Handschlag und
Vornamen. Die meisten stellen sich uns vor.

09.00 Das Stimmengewirr verstummt, der «Treffpunkt» beginnt. Er ist Lagebesprechung für und Einstimmung auf den samstäglichen Predigtdienst. Etwa 30 Aktive und vier Kinder der zwei deutschsprachigen Bülacher Gemeinden haben sich eingefunden. Bülach-Italiana hat sich in ein Nebenzimmer zurückgezogen, wo alla italiana parliert wird. Ein Mann namens Markus im orangen Hemd mit bunter Krawatte leitet den «Treffpunkt». Er verliest den Tagestext: «Bleibe bei den Dingen, die du gelernt hast und zu glauben überzeugt worden bist»
(2. Timotheus 3:14). Ein kleiner philologischer Exkurs ins alte Griechenland führt das Wort «überzeugen» zurück auf eine «Sinnesänderung aufgrund der Vernunft».
Überzeugt werden sollen heute Menschen in der Region, sich dem Wort Gottes zu öffnen. «Doch wie kann man mit jemandem über Gott reden, der nicht an ihn glaubt?», fragt der Leitende ins Plenum. Einige strecken wie in der Schule artig auf und sprechen erst, wenn sie dazu aufgefordert werden. «Dann kann ein ausserbiblischer Beweis für seine Existenz helfen», sagt einer, «zum Beispiel die Schöpfung und die Naturgesetze.»
«De Jehova hätt d Blueme und d Tierli gmacht», präzisiert der vierjährige Claudio. Der Vorsitzende stimmt ihm zu und erklärt, dass ein Wohnungsinhaber auf dieses Argument vielleicht antworte: «Da könnten Sie Recht haben.» Darauf könne man mit Bibeltexten aufbauen. Überhaupt sei es vorteilhaft, die Bibel schon in der Hand zu halten, wenn man von Haus zu Haus gehe. Der «Treffpunkt» wird mit einer kurzen Besinnung beendet. Die Teilnehmer schliessen die Augen, senken ihr Haupt und einer spricht ein Gebet. Er spricht aus dem Stegreif, aber sehr schnell und routiniert, fast so, wie der Steward im Flugzeug die Sicherheitshinweise runterrattert.

09.25_Draussen auf dem Parkplatz bleiben nur wenige auf einen Schwatz stehen. Die meisten gehen schnell zu ihren Wagen. Wir fahren Richtung Rafz. Zeit, um endlich mehr über Lars zu erfahren. Er ist in Davos aufgewachsen; jetzt sozusagen ein Oberländer im Unterland. Mit 18 zog er nach Biel und mit 20 nach Basel. Die Jahre dort haben sich in seinem Dialekt niedergeschlagen. Früher schrieb er als Journalist für den «Unterländer» und bildete sich parallel zum Werbeberater weiter. Heute führt er in dieser Branche eine Einmannfirma. «Als Selbständiger habe ich mehr Gelegenheit, den Glauben zu leben», erklärt er und meint in erster Linie den Predigtdienst. «Zu den Menschen gehen», wie er es nennt. Ausserdem arbeitet er als Freiwilliger beim Informationsdienst der Zeugen Jehovas. Als Ex-Journalist ist er für diese Pressearbeit bestens gerüstet. Den Zeugen Jehovas ist er als Jugendlicher beigetreten, das heisst, er hat sich taufen lassen. Seine Eltern seien schon Zeugen gewesen und er sei religiös erzogen worden, doch Druck hätten sie nicht ausgeübt. Ein jeder müsse für sich entscheiden, ob er dazugehören wolle. Wir fahren durch heitere Landschaft: sanfte Hügel und weite Ebenen, abgeerntete Melonenfelder. Die Gegend um Rafz kennen wir aus den Medien als SVP-Hochburg. Als Redneck-Hinterland von Zürich, sozusagen. Jetzt klärt uns Lars darüber auf, dass die Gegend auch sehr religiös ist. Es gibt dort mehrere Freikirchen, mit denen die Zeugen
Jehovas aber nicht in Konkurrenz stünden: «Ziel aller Gemeinschaften ist schliesslich, dass die Menschen einen Halt bekommen. In unserem Gebiet gibt es viele nette Leute, die freundlich bleiben, wenn sie nicht interessiert sind.» Darauf sind wir gespannt, aber noch bleibt unsere Neugier unbefriedigt.

09.45 Rafz. Wir halten vor «Sylvia’s Bäbistübli», um einer interessierten Leserin, kein Gemeinschaftsmitglied, die neuste Ausgabe des «Wachtturms» und von «Erwachet» zu bringen. Wir Städter wundern uns über die offen stehende Haustür. Lars nimmt unser Erstaunen lachend zur Kenntnis, will aber auch nicht einfach reingehen. Er klingelt, einmal, zweimal, doch niemand antwortet. «Sie ist ein wenig schwerhörig», erklärt Lars, «wir kommen später noch mal vorbei.»

09.55 Wir sitzen wieder im Auto und fahren ins Gebiet, das Lars heute beackern will. Der kleine Weiler heisst Hüslihof und gehört zur Gemeinde Wil. Wir stellen den Wagen auf dem Parkplatz der Badi ab. Eine Frau dreht einsam ihre Runden im Wasser. Meistens sei man beim Predigtdienst zu zweit unterwegs, erzählt Lars. Jesus
habe seine Jünger auch in Zweiergruppen losgeschickt, zudem sei es spannender und in der Stadt in gewissen Gebieten auch sicherer. Sein Stadtbild scheint, wie unser Landbild auch, eher von vagen Vorstellungen geprägt.

10.00 Punkt 10 Uhr, der Glockenschlag im Nachbardorf bestätigt es, klingeln wir beim ersten Haus. Büro und Wohnung steht da, bei Wohnung zwei Mal läuten. Machen wir, aber im Haus rührt sich nichts. Lars schreibt sich die Hausnummer auf. Er wird in den nächsten Tagen noch einmal hinkommen.

10.05 Zwanzig Meter weiter sitzt eine alte Frau auf der Veranda eines Riegelhauses. Sie trägt einen Trainingsanzug aus Frottee und liest in der lokalen Zeitung. Lars geht direkt die Treppe hoch, stellt uns mit Namen vor und erklärt, wir seien hier, um das Gespräch zu suchen. «Von den Zeugen Jehovas», sagt die Frau, «das habe ich Ihnen gleich angesehen.» Lars wirkt etwas baff, ich weiss nicht so recht, was ich jetzt denken soll. Die Frau setzt schalkhaft noch eins drauf: «Sehen Sie mir die Neuapostolin denn nicht an?» Tun wir nicht, aber das Gespräch ist damit auf freundschaftlicher Basis lanciert. Berührungsängste zwischen den Freikirchen scheint es hier nicht zu geben. Die Frau kennt sogar den Königreichssaal in Bachenbülach. Sie hat früher im Getränkelager darunter gearbeitet. Lars fragt sie nach ihren Erfahrungen mit der Bibel. Sie lese das Buch nicht, gesteht sie, aber glaube, was drin stehe. Fotografieren lassen will sie sich nicht. Im Spital in Bülach habe sie mal zugesagt und jetzt hänge diese schreckliche Aufnahme immer noch dort. Jetzt beginnt die Frau zu erzählen: über ihre Operation und das Alter. Lars aber, erfahren in Sachen Kommunikation, lenkt das Gespräch geschickt wieder auf die Bibel: «Sie gibt Hoffnung in schweren Situationen. Möchten Sie nicht einmal etwas von unserer Literatur lesen? Vielleicht über Jesus?» Die Frau möchte lieber nicht, sie habe noch so viel Neuapostolisches zu lesen. «Wenn es Ihnen nichts ausmacht», sagt sie und entschuldigt sich fast. Lars
zeigt Verständnis, legt der Frau kurz die Hand auf den Arm und verabschiedet sich sehr charmant. Mit Seniorinnen kann er es ganz offensichtlich gut.

10.15 Wir gehen weiter, die steile Dorfstrasse hoch. Vor einem grossen alten Haus kläfft uns ein Hund an.
Beissen will er nicht. Am Strassenrand weist ein Schild auf das «Hofbeizli» hin und dieses steuern wir an. Es besteht aus ein paar Gartenmöbeln unter einem Allwetterzelt. Wir treffen auf einen stämmigen Mann im Unterhemd, der einen buschigen Schnauz im geröteten Gesicht trägt. Er habe gerade keine Zeit. Das «Hofbeizli» hat offenbar schon am Vorabend seinen Dienst getan und muss jetzt wieder verschwinden. Lars holt eine Broschüre zum Thema Alkohol aus seiner Umhängetasche und bietet sie dem Mann zur Lektüre an. «Danke, nein», sagt dieser, er habe seinen Glauben, und verschwindet in der Scheune. Eine Frau, die eben ums Haus kommt, zieht sich schnell wieder zurück. Lars notiert die Hausnummer unter der Rubrik «Besucht». «Wenn die Leute gerade beschäftigt sind, lasse ich das Haus aus und versuche es ein anderes Mal», erklärt er. Deshalb gehen wir am nächsten Haus, wo ein Paar ein Auto belädt, vorbei.

10.17 «Hoi zäme. Sind die Eltern auch da?», fragt Lars zwei Buben, die auf einem Vorplatz spielen. Die zwei
rufen durch die offen stehende Tür ins Haus und bleiben dann neugierig etwas abseits stehen. «Wir sind unterwegs, mit den Menschen das Gespräch über die Bibel zu suchen», erklärt Lars der Mutter der beiden. «Oh, nein. Dazu möchte ich mich gar nicht äussern», sagt die Frau und schliesst die Tür von innen. Die zwei Buben verschwinden hinter dem Haus. Von solchen Misserfolgen lässt sich Lars nicht beeindrucken. Er
ist ein erfahrener Verkündiger und will ausserdem niemanden zu seinem Heil zwingen.

10.20 Ein Haus lassen wir aus, weil die Fensterläden geschlossen sind. Die Bewohner schlafen wohl noch den Schlaf der Gerechten und haben den sicher auch verdient. Bei den nächsten zwei Türen klingeln wir vergeblich. «Die heissen ja alle Zollinger», stellt Lars fest. Ausserdem fällt uns jetzt auf, dass der Weiler nur diese eine Strasse hat. Wir sind ganz oben bei den Rebbergen angelangt und blicken zurück auf Riegelhäuser, Vorgärtchen und Schweizerfahnen. Bei einem Stall treffen wir doch noch eine Frau um die 70; vermutlich eine
Zollinger. Sie ist mit Plastikkübel und Gartenschere unterwegs. «Dürfen wir Sie schnell ansprechen? Ich sehe, Sie haben viel zu tun, aber ich kann Ihnen auch etwas dalassen», eröffnet Lars und geht eine steile Treppe hoch auf sie zu. «Es geht darum, was uns die Bibel sagen kann in diesen schweren Zeiten.» Die Frau empfindet die heutigen Zeiten aber nicht als härter als die früheren: «Damals habe ich Weltkrieg gehabt, heute gibt es Naturkatastrophen.» Sie geht mit Lars einig, dass es immer die Ärmsten trifft, findet aber, dass «man auch für sich selber schauen muss». Sie wisse nicht, ob es einen Gott gebe, aber sie bete im Stillen, denn man müsse auch danke sagen. Langsam kommt sie die Treppe herunter und drängt Lars Richtung Strasse. Unten angekommen liest er einen Spruch aus der Bibel vor, doch die Frau redet jetzt lieber selber, als zuzuhören. Sie redet von früher, von Reisen, und dass es doch verrückt sei, dass nie etwas passiert sei,
wo man doch heute dauernd von Unfall und Verbrechen lese. Nachdem wir uns verabschiedet haben, bestätigt Lars, dass gerade ältere Leute oft froh seien, wenn ihnen jemand zuhöre. Das mache er natürlich und manchmal könne man dann einen Bibeltext dalassen. Heute nicht. Fotografieren lassen will sich die Frau auch nicht.

10.37 Zurück auf dem Parkplatz. Das blonde Haupt der Schwimmerin spiegelt sich noch immer im fast
unbewegten Blau des Swimmingpools. Das Wasser plätschert leise über dessen Ränder und in der Ferne ist ein Auto zu hören. Der Hund vom «Hofbeizli» sitzt weiter oben mitten auf der Strasse und beobachtet unseren Abzug. «Bei den Häusern, wo niemand da war, gehe ich nächste Woche noch einmal vorbei», sagt Lars. Am Abend sind die Chancen grösser, die Leute zuhause anzutreffen.

10.40 Da wir etwas knapp dran sind, muss die sorglose Frau in Rafz noch etwas länger ohne den neuen «Wachtturm» auskommen. Lars wird in Bülach zum Bibelstudium erwartet. Die Zeugen Jehovas anerkennen in Sachen Glauben einzig die Bibel als Autorität. Menschliche Führer und Götzen sind ihnen fremd. Auch Charles Russel, der die Bewegung im 19. Jahrhundert im US-Staat Pennsylvania begründete, ist keine Ikone. Heilig ist allein das Wort. Um sich so nah wie möglich am Originaltext orientieren zu können, haben sie ihre eigene Übersetzung: die «Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift». So erläutert uns Lars unterwegs. Entlang der Strasse stehen «Arbeit verlieren? Osterweiterung Nein!»-Schilder zwischen Mais- und Tabakfeldern. Auch von Martin erzählt Lars, dem jungen Mann Anfang 20, der uns erwartet. Er sei selbst ohne Religion aufgewachsen, habe sich aber immer für die Bibel interessiert. Seine Mutter, die sich vor kurzem als Zeugin Jehovas taufen liess, habe sie dann zusammengebracht. Seit einem halben Jahr treffen sie sich nun regelmässig zum Bibelstudium. Ein Mitglied der Gemeinschaft ist Martin aber nicht.

11.00 Ankunft in Bülach, mitten in der Altstadt. Lars führt uns zu einem Haus direkt neben der Kirche, wo Martin bereits wartet. Er ist gross und schlank, die kurzen Haare sitzen dank viel Gel wie eine Krone auf seinem Kopf. «Auf die guten Sachen muss man immer etwas länger warten», relativiert er unsere Verspätung. Der Spruch klingt wie aus der Bibel. Martin hat – «wie immer», sagt Lars – Getränke und Snacks bereitgestellt und kocht Kaffee. Erst plaudern die zwei unbefangen über das allgemeine Befinden und die Erlebnisse am Freitagabend. Martin ging früh zu Bett, Lars hat sich mit seiner Frau im Kino einen Thriller angeschaut. Im Wohnzimmer fläzt sich Martin auf das Chaiselongue-Ende der Polstergruppe, Lars nimmt daneben Platz. Beide haben ihre Bibel hervorgeholt. Die Martins ist vom vielen Lesen schon etwas mitgenommen, die von Lars mit Lesezeichen gespickt.
Das Bibelstudium beginnt mit einem Gebet, «Euse himmlische Vater…», dann kommt die «Hausaufgabenkontrolle». Martin hat die Namen der Bücher des Alten und Neuen Testaments auswendig gelernt. Jetzt deklamiert er sie nicht ohne Stolz. Ziel des Bibelstudiums ist nicht nur die Interpretation, sondern auch die Kenntnis wichtiger Bibelstellen, mit Quellen-angabe, versteht sich. Es richtet sich nach dem
Begleitbuch der Zeugen Jehovas, das den Titel «Erkenntnis, die zu ewigem Leben führt» trägt. Martin und Lars sind bei Kapitel 16: «Das Gebet».
Ich erfahre, dass man beim Beten den Kopf neigt, weil Gott über einem steht – auch wenn es dazu
keine Vorschrift gibt in der Bibel. Meist liest Martin eine Stelle laut vor, Lars stellt Fragen dazu und führt den Jungen geschickt zu zentralen Aussagen. Dazwischen gibt er ihm immer wieder Bestätigung. «Welche Arten des Gebets gibt es?» «Das Danken, Flehen, Bitten und Lobpreisen.» «Ja, genau. Sehr gut.» Dann geht es um «das Verharren im Gebet» und die Bedeutung von Zeit. «Für alles gibt es eine bestimmte Zeit…eine Zeit, Steine wegzuwerfen, und eine Zeit, Steine zusammenzubringen…», steht in Prediger
3:1–9. An dieser Stelle darf auch gelacht werden und Lars erzählt eine Anekdote. Seine Grossmutter habe ihn jeweils, statt zu umarmen, immer fast erdrückt. «Eine Zeit, nicht zu umarmen» komme ihm deshalb bei dieser Stelle immer in den Sinn. Später wird es wieder still. Wenn beide eine bestimmte Stelle suchen, ist nur das Rascheln der Dünndruckseiten zu hören.
Abgeschlossen wird das Studium wieder mit einem Gebet. Es beinhaltet Dank und die Bitte, wachsen zu können. Danach erzählt Martin, wie er zur Bibel gefunden und dass die Liebe zu Gott ihm bei Problemen geholfen hat: «Ich habe Liebe gesucht. Und wo, wenn nicht bei Gott, kann ich die finden?» Er berichtet weiter, dass er einem Arbeitskollegen eine Bibel mitbringen wolle, weil der ihn gefragt habe, woher er denn die Sprüche kenne, die er im Alltag immer wieder zu zitieren wisse.

11.50 Wir verabschieden uns, auch von Martins Mutter, die inzwischen nach Hause gekommen ist und in der wir eine Teilnehmerin des «Treffpunkts» vom Morgen wieder erkennen. Die Fotografin zieht es zu Heim und Familie, ich fahre mit Lars zu seiner Wohnung, wo uns seine Frau Angela, auch sie eine Zeugin Jehovas, mit selbst gebackener Pizza erwartet. Nicht dünn und genügsam, sondern dick belegt mit Tomaten und Käse.

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