«der arbeitsmarkt» 08/2005

Mit Anstand feuern

Personalabbau nach Methode Fusstritt ist zwar weit verbreitet, aber unschicklich und für alle Beteiligten unbefriedigend. Die Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz engagierte sich mit einer Tagung für einen besseren Stil in der Kündigungspraxis.

Kursieren in der Firma schon Gerüchte, bevor Kündigungen ausgesprochen werden, wirkt das produktionshemmend. Wird mit den vom Abbau betroffenen Angestellten arrogant umgesprungen, nimmt die Loyalität der Weiterbeschäftigten Schaden. Laut einer Studie der Uni der Bundeswehr in München führt Personalabbau nur in knapp der Hälfte der Fälle zur gewünschten Kostenersparnis. Wenn aber schon gekündigt
werden muss, dann sollte das so geschehen, dass die Ziele tatsächlich erreicht werden und alle Beteiligten Gesicht und Selbstwertgefühl wahren können.
Laurenz Andrzejewski, der Unternehmen bei Personalabbauprozessen berät, ist Autor der Fachbibel «Trennungskultur». Der deutsche «Trennungspapst» referierte an der Tagung «Professionelles Trennungsmanagement» an der Fachhochschule Solothurn Nordwestschweiz (FHSO). Er mahnte, den Personalabbau und auch die Ausführenden gut vorzubereiten und alle Betroffenen korrekt und rechtzeitig zu informieren. Aber auch klare Ziele und Visionen mit Bodenhaftung seien unabdingbar. Nur so könne Chaos
verhindert und «das Schiff auf Kurs gehalten» werden.

Lösungen vor der Teilschliessung

Zur Veranschaulichung der Theorie diente das Referat von Erwin Schmid. Dieser hatte als Werksdirektor der Solvay AG in Zurzach 80 von 110 Stellen abzubauen. Die Teilschliessung des Werks wurde unter Beachtung aller Teilaspekte langfristig vorbereitet und dann mit Hilfe eines externen Beraters in der richtigen Reihenfolge kommuniziert: den Behörden, den Gewerkschaften, den persönlichen Mitarbeitern, der Standortgemeinde und den Personalvertretern. Während Schmid schliesslich die Belegschaft informierte, ging die Pressemitteilung an die Medien. Für die Entlassenen wurde ein Jobcenter eingerichtet, den vorzeitig Pensionierten ein Seminar angeboten, das sie auf die neuen Lebensumstände vorbereitete. So wurde niemand vor den Kopf gestossen und für die Mehrheit der Betroffenen konnte schon vor der Teilschliessung eine Lösung gefunden werden. Andrzejewskis Buch hatte Schmid allerdings nicht gelesen: «Wir sind selber draufgekommen, wie man das machen muss.» Dem Trennungsexperten wird die Arbeit allerdings kaum so schnell ausgehen. Nicht in jedem Management ist genügend Feingefühl vorhanden, um eine Massenentlassung fair und wirtschaftlich durchzuziehen. Solvay konnte übrigens mit der modernisierten und neuen Umweltvorschriften angepassten Produktion Marktanteile dazugewinnen.

seco berät bei Massenentlassungen

Anständiges Vorgehen zahlt sich also aus. Das Unternehmen erleidet keinen Image-schaden, sondern steht bei Kunden, ehemali-gen Mitarbeitern und sogar bei den Gewerkschaften gut da. Solvay wurde denn auch von der ebenfalls referierenden Katharina Kerr vom vpod zu den «Goodies» gezählt. Alle anderen warnte Kerr jedoch davor, die Gewerkschaften aussen vor zu lassen. Nur wer diese rechtzeitig mit einbeziehe, nehme Verantwortung wahr und trage dazu bei, Arbeitsplätze womöglich zu retten oder zumindest Anschlusslösungen für die Entlassenen zu finden. Kerr plädierte für eine «neue Kultur des frühzeitigen Einbezugs der Gewerkschaften». Diese könnten mit ihrer Erfahrung und Branchenkenntnis gerade beim Outplacement von schwer Vermittelbaren sehr erfolgreich sein.
Beratungen für das Vorgehen bei Massenentlassungen und die Betreuung der Betroffenen bietet auch das seco.  Es unterstützt kollektive arbeitsmarktliche Massnahmen zwecks Vermittlung und Qualifizierung von Entlassenen. Auch Einarbeitungszuschüsse sind möglich. Allerdings übernimmt das Staatsekretariat für Wirtschaft keine Aufgaben des Arbeitgebers und dieser soll die Massnahmen auch so weit wie möglich selber finanzieren. Dòra Schilliger-Makausz, Leiterin Projekte und Spezialaufgaben beim seco, nannte in einem Tagungs-Workshop das Beispiel eines KMU im französischen Jura. Das Werk musste aufgrund der ausländischen Konkurrenz die Produktionskosten senken. Ein Arbeitsvorbereitungsschritt fiel weg. Die wenig gebildeten Mitarbeiter mussten nun selbst komplizierte technische Zeichnungen lesen, um zu wissen, wo sie
ihre Löcher in Metallplatten zu bohren hatten. seco und Arbeitgeber organisierten einen Kurs, in dem die Arbeitnehmer Mathematik und technisches Zeichnen lernten. Dafür setzten sie und der Patron je einen halben Arbeitstag pro Woche ein. Die Motivation für den Kurs sei nicht sehr gross gewesen, erinnert sich Schilliger-Makausz, aber aus Wertschätzung für den Patron hätten die Arbeiter eingewilligt. Und das hat sich gelohnt. Die Firma existiert noch immer. Entscheidend sei aber auch da gewesen, dass die Behörde rechtzeitig informiert worden sei.
Die Tagung in Olten stiess auf grosses Interesse bei Personalverantwortlichen und auch beim RAV- und AWA-Personal. Am Rednerpult standen jedoch nur die «Guten». Die unsensibel Abbauenden blieben der Veranstaltung fern. Um diese in Zukunft auch erreichen zu können, plant die FHSO laut René Hartmann, der die Tagung gemeinsam mit Urs Schmid vom mobilen RAV Aargau leitete, weitere Anlässe zum Thema Trennungsmanagement folgen zu lassen.

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