«der arbeitsmarkt» 05/2009

Im Internet schlägt die Genfer Polizei den britischen Geheimdienst

Während Interpol soziale Online-Netzwerke nutzt, um Verbrecher aufzuspüren, setzen andere Polizeiorganisationen Plattformen wie Facebook inzwischen auch ein, um Nachwuchs zu ­rekrutieren. Dabei geht es vor allem darum, mit potenziellen Bewerbern in Kontakt zu treten
und diese auf eine Karriere bei der Polizei aufmerksam zu machen.

Eine Karriere einschlagen und dabei noch in die Geschichte eingehen? Wo sollte so etwas möglich sein? Mit solchen Claims auf Facebook empfiehlt sich neuerdings der ­britische Auslandgeheimdienst MI6 als Arbeitgeber und betont, man könne bei ihm mit dazu beitragen, Ereignisse auf der Welt zu beeinflussen. Manch User der beliebten Networking-Plattform Facebook mag sich verdutzt über derartige Anzeigen und dar­über, wie modern heutzutage Spione angeworben werden, die Augen gerieben haben.
Eigentlich kommt das Vorbild für das Online Recruiting des englischen Secret Intelligence Service von den Gestaden des Lac Léman. Die Genfer Kantonspolizei platzierte im Herbst 2008, Wochen vor den britischen Kollegen und als erste Polizei weltweit, eine Profilseite bei Facebook. Während andere Schweizer Unternehmen wie Bâloise oder UBS ihren Angestellten den Zugang zu ­Facebook und Konsorten am Arbeitsplatz sperren - Gründe sind Mitarbeitereffizienz und Datensicherheit -, setzt die Genfer Polizei voll auf Facebook und hat dort bereits über 500 so genannte Freunde gewonnen. Hauptanliegen der Präsenz: Talente finden und Nachwuchs gewinnen.

Grosser Medienrummel um ­einen Facebook-Auftritt

«Es ist einer von diversen Marketingkanälen, die wir nutzen», erläutert Patrick Pulh, Pressesprecher der Genfer Polizei und «Mr. Facebook», wie er von den Kollegen geneckt wird. «Da es uns aber sehr wichtig ist, in ­direkten Kontakt mit potenziellem Nachwuchs zu kommen, setzen wir Facebook
als effizientes Dialog-Tool ein, neben einer Reihe anderer Kommunikations- und Promotionskanäle», betont Pulh, der die Facebook-Aktivitäten koordiniert. «Bei den Online-Medien sind dies neben Facebook auch Youtube und verschiedene Blogs oder MSN. Doch betreiben wir ganz unterschiedliche Recruiting-Projekte, nicht nur elektroni­sche», sagt Pulh.
Christian Haas, HR-Chef der Genfer Polizei, ergänzt: «Natürlich bieten wir bei diesen Projekten nicht direkt Jobs an - es geht zunächst um Employer Branding und Promotion. Facebook und andere Projekte sind für uns Plattformen, um mit den Leuten zu kommunizieren, sie zu informieren, Fragen zu beantworten und vor allem unsere Events anzukündigen. Und eventuell entscheidet sich dann auch mal ein junger Mensch für eine Bewerbung bei uns.»
Die Veranstaltungen aller Art, welche die Genfer Polizei für potenziellen Nachwuchs organisiert, reichen von Präsentatio­nen in Schulen über den alle paar Monate stattfindenden Tag der offenen Tür bis hin zu laufenden Informationsabenden. Wer gleich vertieft einsteigen will, kann alle drei Monate für zwei Tage und eine Nacht eine Art Minipraktikum im alltäglichen Polizeidienst absolvieren, und auch eine Party steigt gelegentlich mal, die vorher über SMS oder Facebook angekündigt wird.
«Als bekannt wurde, dass die Genfer Polizei einen Auftritt in Facebook hat, bekamen wir viele Anfragen, Medien vorneweg - das gab ziemlich viel Publicity. Allein aus ­diesem Grund hat es sich gelohnt», weiss Patrick Pulh. «In Facebook muss man einfach rein», bestätigt Christian Haas. «Und wir waren auch ein bisschen stolz, als lokale Schweizer Polizei noch vor dem MI6 in Facebook gewesen zu sein», schmunzelt der HR-Manager. «Es läuft sehr angenehm ab auf Facebook, die jungen Leute sind offen, und man erwartet uns dort auch nicht.» Dadurch werde es auch recht einfach, die Leute etwa zu den Infoabenden einzuladen. «Man kommuniziert ja quasi von Freund zu Freund», glaubt Haas. Um das Interesse der Heranwachsenden zu gewinnen, müsse man sich der Me­dien und Kommunikationsmittel der Jungen bedienen, argumentiert der HR-Chef. «Und wir müssen uns dabei natürlich auch ‹cool› verhalten. Die Polizei ist ja ein Spiegel der Gesellschaft.»
Besonders «cool» war vor einiger Zeit auch die 3D-Online-Welt Second Life. Noch bevor sie Facebook nutzten, überlegten sich die Verantwortlichen der Genfer Polizei, ob sie in der virtuellen Welt nicht eine Art Stadtviertel für Polizeikorps aufbauen sollten. «Aber das war uns dann schliesslich zu teuer, es kostet ein Vielfaches mehr als eine Präsenz in Facebook, die ja kostenlos ist. Ausserdem ist es in Facebook viel einfacher, unsere Message unter die Leute zu bringen - es gibt diesen Schneeballeffekt, Freunde von Freunden kommen dazu, und man hat bald viele Leute erreicht», erläutert Haas. Pulh betont: «Zweimal am Tag sind wir jeweils für ein paar Minuten auf Facebook - unsere professionelle Nutzung er­fordert nicht viel Zeit.» Er müsse vor allem die angetragenen Freundschaften bestätigen, sagt Pulh. Um zwischen fünf und zehn neue Freunde pro Tag wachse der Freundeskreis - so zeigen sich Pulh und Haas auch recht zufrieden.

Kontakte entstehen auch über Blogs und Online-Foren

Gutes Feedback erhalten die Genfer Polizisten zudem auf ihre teils recht flott gemachten Promotionsvideos auf Youtube. «Darüber hinaus haben wir an unseren Abendevents auch junge Leute, die filmen, was so passiert, um es dann auf Youtube zu stellen», so Haas. Ein viel genutztes OnlineTool für die Nachwuchsrekrutierung seien neben einer Online-Jobbörse - «wir waren die erste und bislang einzige Polizeieinheit in der Romandie in so einem Angebot» - auch diverse Blogs. In verschiedenen Online-Foren, wie etwa Sport- und Fan-Blogs oder in einem neuen, aktuellen Versuch auch auf MSN, hofft die Genfer Polizei, die erwünsch­ten Talente zu finden und auf eine Rekrutierung ansprechen zu können.
Was die Aktivitäten auf Facebook betrifft, möchte Patrick Pulh dennoch eher Understatement pflegen. Mehr scherzend betont er: «Ich würde Facebook nicht unbedingt ­anderen Polizeieinheiten empfehlen - denn wir möchten damit gerne einzigartig bleiben, wenigstens in der Romandie.»

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