«der arbeitsmarkt» 07/2014TEXT: Marie-Isabelle Bill

Giachen Derungs

Mein Tag als Kranführer im Kehrichtheizkraftwerk 

«Mein Frühstück kann durchaus mal ein Steak mit Gemüse oder eine Büchse Ravioli sein. Ich arbeite Schicht, und da spielen eher meine Gelüste als die Tageszeit eine Rolle.

Die Limeco betreibt ein Kehrichtheizkraftwerk und eine Abwasserreinigungsanlage für das Limmattal. Beide Öfen brennen rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr. Wir sind deshalb im Dreischichtbetrieb beschäftigt. Ich arbeite beispielsweise sieben Tage von halb acht abends bis morgens um halb vier. Danach habe ich drei Tage frei. Anschliessend wiederum sieben Arbeitstage, diesmal Frühschicht von halb vier bis Mittag. Nach drei freien Tagen werde ich in der Tagesschicht eingesetzt.

Hoch über den Abfallbunkern befindet sich in einer Glaskanzel der Kommandoraum mit meinem Arbeitsplatz. Von hier aus steuere ich meinen Kran und überwache die Bunker und ihre Anliefertore. Als Kranführer bin ich für die Beschickung der beiden Öfen zuständig: Der vorsortiert angelieferte Müll aus 39 Gemeinden lagert in unseren Bunkern. Mit dem Greifer hole ich den Abfall heraus und befördere ihn in den Ofen. Ich bin für eine gut brennbare Mischung von Haushalt- und Industrieabfall verantwortlich, nur so bleibt die Heizleistung konstant bei rund 1000 Grad. Zwischendurch, vorwiegend nachts, schreddert mein Kollege Sperrmüll und Bauabfälle, damit sie besser in den Ofen passen.

Im der Nachtschicht führe ich Kontrollgänge durch die Anlage aus. Ich überprüfe Temperaturen, Wassermengen und kontrolliere mechanische Funktionen. Am Schluss der Schicht bleibt noch eine unbeliebte Arbeit: den Bunkerboden wischen. Einmal im Monat kommt eine aufwändige Reinigung des Schredders dazu. Gegen den Staub trage ich eine Schutzbekleidung mit Helm und Atemschutzausrüstung. Manchmal putze ich allerdings den Bunkerboden mit Genuss. Denn dort hört mich keiner singen, ausrufen oder gar fluchen. Mit der Dusche danach wasche ich den Stress ab. Beides dient meiner Psychohygiene.

Wir sind ein eingespieltes Team von drei Personen, die einander gut kennen und wissen, wie die Kollegen in bestimmten Situationen reagieren. Nach der Lehre als Carrosseriespengler und der Militärzeit arbeitete ich im Sicherheitsdienst. Da war ich jeweils alleine im Einsatz, und mir fehlte ein verlässlicher Arbeitspartner. Hier dagegen bin ich gut eingebunden, und wir drei können uns aufeinander verlassen.

Glücklicherweise belastet die Schichtarbeit meine Gesundheit noch nicht. Ich schlafe auch tagsüber gut, brauche aber sieben bis acht Stunden Schlaf. In der Regel gehe ich zu Bett, wenn ich nach Hause komme. Es gibt Ausnahmen, wie beispielsweise ein Fest mit Freunden, da drehe ich meinen Tagesablauf sozusagen um. Ich habe einen grossen Freundeskreis, der mich trägt und kein Problem in meinen speziellen Arbeitszeiten sieht. Im Gegenteil, einige finden es toll, dass sie mich morgens um drei Uhr erreichen können. Bei meiner Schichtarbeit liegt eine Mitgliedschaft in einem Verein nicht drin. Zum Ausgleich baue ich an meinem Modell-Multikopter, grilliere für Freunde oder treibe Sport. Im Sommer schwimme ich gerne in der nahen Reuss. Meine Leidenschaft gehört meinem Garten: Ich dünge, vertikutiere, mähe und wässere. Denn ich träume von einem «englischen Rasen», samtweich, dicht bewachsen und saftig grün.

Bis vor einigen Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass ich einmal von Berufs wegen buchstäblich im Abfall anderer Menschen wühlen würde. Heute ist Müll für mich ein Rohstoff. Im Heizkraftwerk entstehen Dampf für das regionale Fernwärmenetz und Strom für das Limmattal. 27 Firmen, darunter ein Süsswaren- und ein Käseproduzent, sowie viele Privathaushalte zählen auf unsere Leistung. Wir ersparen der Energiestadt Dietikon rund 3 Millionen Liter Heizöl im Jahr. Auch mein Abfallverhalten hat sich geändert: Ich trenne jetzt konsequent meinen Abfall. Im eigenen Garten kompostiere ich den Grünabfall, und beim Einkaufen achte ich darauf, unnötiges Verpackungsmaterial zu vermeiden.

Das Kehrichtheizkraftwerk ist ein besonderes Umfeld; ich fühle mich aber sehr wohl hier. Vielleicht weil ich kein Durchschnittstyp bin. Ich liebe meine Arbeit und schätze sehr, dass die Geschäftsleitung uns Mitarbeiter in vielerlei Hinsicht unterstützt. Ich würde mich gerne innerhalb des Betriebes weiterbilden und -entwickeln, vielleicht zum Heizwerk- oder Schichtführer. Dabei wird mir die Firma behilflich sein. So habe ich ein gutes Gefühl für meine Zukunft. Das Schönste an meinem Job ist, dass ich mit meinem Dreieinhalb-Tonnen-Greifer die ganze Firma buchstäblich erzittern lassen kann. Bei diesem Gedanken muss ich immer lächeln.»

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