«der arbeitsmarkt» 11/2014TEXT: Daniela Palumbo
Milch frei Haus

Fokus: Ausgeliefert

Das waren noch Zeiten. Voller Freude hüpften wir Kinder morgens die Treppe hinunter, öffneten den Milchkasten und holten die Flaschen heraus, die der Milchmann vorbeigebracht hatte. Später lieferte der Migros-Wagen, der regelmässig auf dem Parkplatz vor unserem Haus hielt, die Milch. Erst als die Migros-Filiale aufmachte, ging die Lieferdienstära in unserem Quartier zu Ende.

Heute können wir – Internet sei gelobt – die Milch wieder bequem nach Hause liefern lassen. Wer zum Beispiel online bei LeShop oder Coop@home bestellt, erhält den Service für eine Lieferpauschale. Wie eine aktuelle Studie in Zusammenarbeit mit der Universität St. Gallen bestätigt, decken sich drei von vier Personen im Internet mit Lebensmitteln ein, weil diese zu ihnen nach Hause kommen. Die Kunden nehmen die hohen Kosten in Kauf.

Sei es aus Zeitnot, wegen Gebrechlichkeit oder Bequemlichkeit, die Menschen kaufen immer mehr online. Nicht nur Lebensmittel, Kleider oder Schuhe, sondern auch Musik, Filme, Bücher, Ferienreisen, Computer und Elektronik. Der Schweizer Online-Handel floriert, mit einem Umsatz von mehr als 10 Milliarden Franken im Jahr 2012. Und mit ihm die Lieferdienstbranche.

Während der Briefpostverkehr abnimmt, reisen zunehmend Pakete zwischen Händlern und Kunden hin und her. Wer mit der Ware nicht zufrieden ist, retourniert sie (siehe Seite 31). Bisher gelangen die Lieferungen per Post oder mit einem Kurier, manchmal sogar einem Velokurier (siehe Seite 24) ans Ziel.

Nun geistern auf dieser sogenannten letzten Meile der Lieferlogistik neue Ideen herum, wie die Dienste zu personalisieren und perfektionieren sind: Kunden sollen Waren für Nachbarn mitnehmen, Kuriere die Pakete im Kofferraum des Kundenautos deponieren oder Briefkästen zum Kühlschrank mutieren, damit die Milch nicht sauer wird, wenn sie längere Zeit darin steht. Denn Lebensmittel müssen frisch bleiben, sonst verdirbt das Festessen (siehe Seite 20).

Doch nicht alle lassen sich die bestellten Pakete nach Hause liefern. Findige Köpfe im nahen Ausland erfanden etwa den Paketkiosk. Wer die Ware dort abholt, profitiert von tieferen Preisen im Ausland, und Lieferkosten entfallen (siehe Seite 27). Verkehrsgünstig gelegene Abholstellen, wie zum Beispiel an einem SBB-Schalter oder Kiosk, sind ebenfalls eine Lieferalternative für Waren aus dem Versandhandel. In einem Zürcher Quartier können Nostalgiker neuerdings sogar an einem Milchautomaten Rohmilch, die ein lokaler Bauer anliefert, mit der eigenen Milchflasche oder dem Milchchesseli abholen. Fast wie früher.