«der arbeitsmarkt» 04/2007

«Es gibt immer Gewinner und Verlierer»

Toni Wachter, Redaktionsleiter Show und Produzent MusicStar beim Schweizer Fernsehen, über Jugendliche, die Stars werden wollen.

der arbeitsmarkt: Viele Jugendliche respektieren die Autorität von Erwachsenen nicht mehr. Warum unterwerfen sich Teenies andererseits den autoritären Bedingungen eines Sendeformats wie MusicStar und dessen Galionsfigur Detlef D! Soost?
Toni Wachter: Musik und Showbusiness sind für viele ein erstrebenswertes Ziel. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sendung haben sich bereits gegen hunderte von Mitbewerbern durchsetzen können.
Bei MusicStar durchlaufen die Kandidatinnen und Kandidaten eine harte, aber sehr professionelle Ausbildung. Die Sendung vermittelt einiges, damit die Jungen einige Voraussetzungen erhalten, um im Musikbusiness Fuss fassen zu können.
Detlef D! Soost ist eine Autoritätsperson. Der Respekt vor ihm gründet auf seinem Können und seiner Erfahrung. Er ist ein Trainer, der sehr viel fordert, aber auch motiviert und auf die Probleme der Jungen eingeht.

Welche erstrebenswerten Eigenschaften für das «richtige Leben» sollen mit dieser Sendung (auch dem Publikum) vermittelt werden?
Durch die Teilnahme bei MusicStar lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sich gegen Widerstände durchzusetzen. Sie erhalten mehr Selbstvertrauen und wachsen an den gestellten Aufgaben. Sie lernen aber auch, mit aller Art von Kritik umzugehen. Die meistzitierte Aussage ist: «Ich bin dadurch stärker geworden und habe gelernt, für ein Ziel zu kämpfen.»

Welchen pädagogischen Hintergrund hat dieses Sendekonzept?
Obwohl es sich um einen harten Wettbewerb handelt, entwickelt sich ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl.
MusicStar ist aber auch vor dem Hintergrund der Integration ein sehr wichtiges Format, das ein gegenseitiges Verständnis fördert. Bereits in den ersten beiden Staffeln lebten und arbeiteten junge Leute aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen zusammen. Gemeinsam verfolgten sie das gleiche Ziel, sie lernten, mit unterschiedlichen Mentalitäten umzugehen, ohne dass es diesbezüglich auch nur das geringste Problem gab.

Wie werden die Teilnehmenden von der Sendeleitung beraten, um eine Niederlage konstruktiv verarbeiten zu können?
Die Teilnehmenden werden unter anderen von einer Psychologin betreut, bei der sie sich auch privat melden und Probleme mit ihr besprechen können. Diese privaten Beratungen sind für die Kandidatinnen und Kandidaten selbstverständlich kostenlos und die Gespräche unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht.

Wie wirkt sich MusicStar mit seinem harten Konkurrenz-system auf die soziale Kompetenz der Teilnehmenden aus?
Die Teilnahme bei MusicStar fördert die Entwicklung in verschiedensten Bereichen. Sie nennen es ein «hartes Konkurrenz-system» – bei Sportveranstaltungen ist dies Normalität. Es gibt im Leben immer Gewinner und Verlierer. Wichtig ist, dass man damit umzugehen lernt, sich nicht unterkriegen lässt, aus den Erfahrungen profitiert und einen neuen Anlauf unternimmt. Bei MusicStar bildet die soziale Kompetenz einen wichtigen Bestandteil. Wer die Kandidatinnen und Kandidaten untereinander erlebt hat, kann dies nur bestätigen. Die Sieger trösten die Ausgeschiedenen, und auch wer nicht mehr mit dabei ist, kommt jede Woche wieder zur Sendung.

Im «SonntagsBlick» vom 18.Februar dieses Jahres kritisierte Muhammeds Mutter den harten Drill hinter den Kulissen und die angeblich falschen Hoffnungen, die den Kandidaten gemacht würden. Wie viel Druck und Frustration sollten Teilnehmende in einer Castingshow ertragen können?
Die Boulevardpresse neigt dazu, zu dramatisieren und Dinge zuzuspitzen. Wären der «Druck» und die «Frustration» so gross, hätten wir kein derart gutes Verhältnis zu den ehemaligen Kandidatinnen und Kandidaten. Ein Jahr nach der zweiten Staffel hatten wir eine Umfrage gemacht. Dabei zeigte es sich, dass 11 von 12 Kandidaten wieder teilnehmen würden. Der wahre Druck und wirkliche Frustrationen entstehen beim Umgang mit der Presse. Die Kandidaten leiden darunter, dass Dinge geschrieben werden, die sie nie gesagt haben, und Sachverhalte verdreht werden.

Welche Unterschiede stellen Sie am Ende der dritten MusicStar-Staffel beim Charakter, bei der Einsatz- und Leidensbereitschaft und der musikalischen Qualität der Kandidaten im Vergleich zu den früheren Staffeln fest?

In der Castingphase spürt man manchmal einen Minimalismus. Wenn zwei Titel vorbereitet werden müssen, meinen viele, es reiche, wenn man einen Titel ein wenig kenne und vom zweiten Song den Refrain singt. Diese Tendenz hat sich eher verstärkt. Diejenigen, die es in die Sendung schaffen, arbeiten mit vollem Einsatz an ihrem Ziel. Wenn sich einige zurückhalten, hat dies gerade bei Gruppensongs Auswirkungen auf alle. Deshalb wirkt dann ein «Gruppendruck», so dass die Motivation im Laufe der Staffel immer grösser wird.

Wie kann sich die Teilnahme bei MusicStar allgemein fruchtbar auf das bevorstehende Berufsleben auswirken?
Sie kann sich sehr positiv auswirken, auch wenn man schlussendlich keine Karriere im Musikbusiness realisiert. Man ist charakterlich stärker geworden, hat gelernt, für sein persönliches Ziel zu kämpfen, und kann mit Kritik und allfälligen Rückschlägen besser umgehen. MusicStar ist in vielen Teilen ein Spiegelbild unserer Gesellschaft.

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