«der arbeitsmarkt» 05/2007

Die Zeit nagt am Integrationserfolg

Es gibt keinen festen Bestand an kaum vermittelbaren Arbeitslosen, und Ältere sind nicht stärker von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen als Junge. Eine Studie widerlegt gängige Vorurteile.

117915 Menschen waren Ende März arbeitslos gemeldet. Jeder fünfte davon ist langzeitarbeitslos, sucht also gemäss Definition seit mehr als einem Jahr eine Stelle. «Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist volkswirtschaftlich sehr bedeutend», erklärte angesichts dieser Zahlen die Zürcher Regierungsrätin Rita Fuhrer bei der Vorstellung einer Studie über Langzeitarbeitslosigkeit der AMOSA (Arbeitsmarktbeobachtung Ostschweiz, Aargau und Zug). Etwa die Hälfte der Langzeitarbeitslosen werde im Durchschnitt ausgesteuert. Wer nach 18 Monaten Arbeitslosigkeit Sozialhilfe beziehen müsse, komme aus der Abhängigkeitsspirale nur schwer wieder heraus.

Zahl der Stellenantritte nimmt Monat für Monat ab

Ein Vorurteil konnte die Studie entkräften: Es gibt keinen «festen Bestand» an Langzeitarbeitslosen, dessen Höhe unbeeinflusst von der konjunkturellen Entwicklung gleich bleibt. Der Anteil Langzeitarbeitsloser verläuft nämlich parallel zur Zahl der Stellensuchenden. Auch sie finden vermehrt Arbeitsplätze, wenn es der Wirtschaft besser geht, wenn auch mit einer zeitlichen Verzögerung.
Ein weitere populäre These erwies sich als falsch: Langzeitarbeitslosigkeit trifft keineswegs vorrangig Ältere. Michael Morlok, Projektleiter der AMOSA, erläuterte: «Nur jeder vierte Langzeitarbeitslose ist über 50. Ältere haben also ein geringeres Risiko, langzeitarbeitslos zu werden, aber ein hohes Risiko, es zu bleiben.» Denn 40 Prozent der über Fünfzigjährigen haben nach einem Jahr noch keine Stelle gefunden. Im Total der Langzeitarbeitslosen machen sie aber nur 24 Prozent aus. Neben dem Alter ist vor allem schlechte Ausbildung ein Risikofaktor: Ein Viertel aller Langzeitarbeitslosen sind Hilfskräfte.
Wie verändern sich die Chancen der Arbeitsuchenden während der Dauer der Arbeitslosigkeit? «Die Suche nach einer Arbeitsstelle ist ein Rennen gegen die Zeit», bringt es Fuhrer auf den Punkt. 11 Prozent der Stellen­suchenden melden sich noch während ihrer Kündigungsfrist wieder ab, 8 Prozent im ersten Monat und weitere 30 Prozent in den Monaten zwei bis vier der Arbeitslosigkeit. Die Hälfte aller Stellensuchenden findet also im ersten Vierteljahr eine neue Stelle. Danach sinken die monatlichen Abgänge deutlich. Hier wirken laut Morlok zwei Kräfte: «Einerseits werden die Arbeit-geber immer skeptischer, je länger jemand ohne Job ist. Sie vermuten geringe Arbeitsmarktfähigkeit und charakterliche Defizite. Andererseits lassen bei den Arbeitslosen Motivation, Selbstvertrauen und Suchintensität im Laufe der Monate nach.»

Massnahmen früher ansetzen und Programme strenger gestalten

Die RAV müssten also schneller als bisher Massnahmen ergreifen, um nicht wertvolle Zeit verstreichen zu lassen. Möglichst schon während der Kündigungsphase sollten Bewerbungskurse angeboten werden, wie es an manchen RAV schon heute üblich ist. Arbeitgeber lassen gekündigte Mitarbeitende erfahrungsgemäss meist daran teilnehmen.
Auch das Erstgespräch auf dem RAV sollte möglichst schon während dieser Phase angesetzt werden. Zu Beginn der Arbeitslosigkeit sollten die Beratungsgespräche häufig stattfinden, um es gar nicht erst zu einer längeren Arbeitslosigkeit kommen zu lassen.
AMOSA schlägt vor, den Druck bei längerer Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Von Langzeitarbeitslosen müsse erhöhte Flexibilität und Mobilität gefordert werden. Nach einem Jahr sei fast jede Stelle zumutbar. Zudem seien strengere Beschäftigungsprogramme nötig. Als weitere Massnahmen werden obligatorische Beraterwechsel nach sechs Monaten geprüft. Die internen Prozesse der RAV sollten so gestaltet werden, dass von Langzeitarbeitslosigkeit Gefährdete früh erkannt und entsprechend beraten werden können. Die interinstitutionelle Zusammenarbeit soll erweitert werden. Zudem schlägt AMOSA vor, besser als bisher mit privaten Stellenvermittlern zusammenzuarbeiten.

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