«der arbeitsmarkt» 06/2007

Bollywood in Switzerland

Im vergangenen Jahr wurden 34,8 Millionen Übernachtungen in Schweizer Hotels gebucht, allein die Zahl der indischen Gäste wuchs um 14 Prozent. Bollywood sei Dank. Denn indische Filmcrews nutzen die Schweizer Landschaft gerne als Kulisse – und das Publikum folgt den Spuren der Stars.

Die Schweiz gilt in Indien als Traumreiseziel. Dass das so ist, verdankt sie auch Leuten wie Jeanpierre Francioli. Und der hat es beileibe nicht immer leicht.
«Itze muess ig si zersch wieder einisch sueche. Wenn ig a haubi Stung wäg bi gsi, weiss i aube nümme, wo mini Crew grad isch.» Jeanpierre Francioli ist die personifizierte Berner Gemüts-ruhe. Muss er auch sein. Denn er betreut seit elf Jahren indische Filmteams, die in die Schweiz kommen. «Bei denen geht alles spontan, so was wie einen festen Drehplan kann man vergessen. Dafür sind sie Meister im Improvisieren», meint Jeanpierre, der mit jedem sofort per Du ist. Diesmal dreht eine zwanzigköpfige südindische Filmcrew irgendwo am Seeufer in Luzern. Jeanpierre musste schnell zum Bahnhof, am Automaten die Bilder des Szenefotografen auf CD brennen.
Auf dem Rückweg ist die Crew diesmal schnell gefunden: Am Schwanenplatz dröhnt indische Musik von einem altväterlichen Tonband am Seeufer. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite wartet der Hauptdarsteller brav an der Ampel. Bei Grün tänzelt er zur Musik über die Strasse, umgeben von sich ungerührt gebenden Passanten. Ein Lastwagen fährt durch das Bild und verdeckt Hauptdarsteller Sundar Chidambaram. Das Ganze also nochmals. Noch zwei Versuche, dann geht es weiter zum nächsten Drehort einige Dutzend Meter weiter links.

Die Schweiz als Kashmir-Ersatz

Jeanpierre verhandelt derweil mit Produzent Krishnamorty Gopal über «more budget», um die CD brennen zu können. Der Automat im Bahnhof war zu teuer. Gopal zieht hundert Franken aus dem Portemonnaie. Jeanpierre will es in einem Mister-Minit-Laden
versuchen. Im Nachhinein Rechnungen zu schreiben und zu bezahlen, ist im indischen Filmbusiness unüblich. Wer sich darauf einlässt, sieht sein Geld nicht immer.
Daher zückt der Produzent ständig sein Portemonnaie und zahlt bar auf die Hand. Wenn es den Hauptdarsteller plötzlich nach einem vegetarischen Sandwich gelüstet, das Jeanpierre blitzartig irgendwo besorgen muss. Wenn zwei zufällige Passantinnen als Statistinnen angeheuert und ausserdem dazu motiviert werden sollen, sich auf Zuruf zu indischer Musik zu bewegen. Wenn es eine Drehgenehmigung für einen spontan gefundenen neuen Drehort braucht. Oder wenn Jeanpierre irgendwo im Berner Oberland eilig mit einem Bauern verhandeln muss, damit mal eben eine romantische Szene gedreht werden darf auf dessen wunderschön blühender Magerwiese. Sie stach dem Filmteam auf der Fahrt zu einem anderen Drehort ins Auge.
Unter den am Schwanenplatz vorbeiflanierenden Touristen gibt es auffallend viele indische Gruppen und Pärchen. Kein Wunder: Die Schweiz gilt in Indien als «die» Traumdestination. Wie kommt das? Sie verdankt es Bollywood, der produktivsten Film-industrie der Welt. 700–1000 Filme werden dort jährlich gedreht. In diesen musicalartigen Filmen, die allesamt gut und gerne einmal drei bis vier Stunden dauern, sind mindestens fünf «Song and Dance»-Sequenzen mit oft romantischem Inhalt Pflicht. Sie werden an möglichst attraktiven Orten gedreht. Häufig auch in der Schweiz. Denn viele Inder sind fasziniert von Bergen und Schnee.
Ursprünglich war das Kashmir-Gebirge, einer der Sehnsuchtsorte der indischen Mythologie, der klassische Drehort für romantische Szenen. Als dort wegen der politischen Konflikte Ende der 80er Jahre keine Drehs mehr möglich waren, suchten die Bollywood-Produzenten einen Ausweichort. Sie fanden ihn in den Schweizer Bergen. Mittlerweile werden in der Schweiz mehr Meter Film von indischen Crews belichtet als von einheimischen. Die Filmteams sind die beste Tourismuswerbung, die sich die Schweiz wünschen kann. Und sie ist gratis. Leider ist diese Idylle mittlerweile bedroht. Denn es kommen immer weniger indische Filmteams. Aber dazu später. Schauen wir uns erst einmal an, welch Segen Bollywood für die Schweiz ist.

Frieren auf dem Titlis muss sein

Von den 1,1 Milliarden Indern (16,7 Prozent der Weltbevölkerung) kann sich zurzeit etwa 1 Prozent das Reisen leisten. Das Potenzial ist riesig. Denn seit zehn Jahren boomt die Volkswirtschaft des Subkontinents. Das Bruttoinlandprodukt wächst jährlich um 6 bis 7 Prozent. Nichts deutet auf ein Abflauen hin. So werden in der wachsenden Mittelschicht künftig immer mehr Menschen das Geld für Reisen haben. Allein 2005 nahmen die Auslandsreisen indischer Staatsbürger um 25 Prozent zu. Zwischen 2003 und 2005 stieg die Zahl der Übernachtungen indischer Gäste in der Schweiz um 26,5 Prozent.
SOTC beispielsweise, eine Kuoni-Tochter, bietet Touren wie «European Experience», bei der in wenigen Tagen ganz Europa durchreist wird, zum Teil zwei Städte pro Tag. Für die Schweiz bleibt da wenig Zeit. Die Luxusvarianten bei SOTC, 12 oder gar 14 Tage Europa, beinhalten dennoch 4 Tage Schweiz. Selbst bei kürzeren Trips ist die Schweiz Pflichtstoff. Kein Inder möchte nach Hause, ohne wenigstens die wichtigsten Orte gesehen zu haben, an denen seine Stars gedreht haben.
Besonders gerne wird in der Gegend von Engelberg gefilmt. Der Titlis wurde so zum Inbegriff der Schweizer Landschaft. Egal, wie kurz die in der Schweiz verbrachte Zeit ist, kein Inder will weiterreisen, ohne zumindest auf dem Titlis gewesen zu sein und vor Kälte schlotternd ein paar Schneebälle geworfen zu haben.
Auch die Crew der «Shri Movie Makers» aus Chennai, die Jeanpierre betreut, hat sich vom Reisebüro für die 10 Drehtage in Engelberg einmieten lassen. Die weiteren 50 Drehtage fanden allesamt in Indien statt. Es ist das erste Mal, dass sich der Produzent wenigstens für zwei von insgesamt fünf Song- und Tanzsequenzen die Schweiz leistet. Für Jeanpierre heisst Engelberg als Ausgangspunkt viel Fahrerei. «Die wollen noch in Interlaken und in Bern filmen, da fahr ich sie halt durch die Gegend», brummt er. Aber gebucht ist gebucht.
Engelberg allein verzeichnete im vergangenen Jahr 47920 Logiernächte indischer Staatsbürger und war damit deren begehrtestes Schweizer Reiseziel. In der Beliebtheitsskala folgen Zürich und Interlaken. Insgesamt wurden 2006 schweizweit 284390 Logiernächte indischer Gäste gezählt. Zum Vergleich: Zehn Jahre zuvor waren es nur gut 93000. Die Hoteliers dort sind auf die indischen Gäste eingestellt. Sie sind eine attraktive Touristengruppe. Schon weil ihre Hauptreisezeit im Mai und Juni liegt, der eher besucherschwachen Vorsaison. Inzwischen tut man einiges für diese Gäste. Schweiz Tourismus gab dieses Jahr sogar eine Broschüre für Hoteliers heraus, die Tipps für den Umgang mit indischen Gästen enthält. Darin werden ein Krug Wasser auf dem Zimmer und Gratistee im Foyer angeraten und Ähnliches.

Indische Köche in Schweizer Küchen

Einige Hotels sind sogar völlig auf indische Gäste spezialisiert. Das Hotel Terrace in Engelberg ist eines davon. Mit seinen 370 Betten zählte es im vergangenen Jahr 30000 Logiernächte indischer Staatsbürger, so viel wie alle Hotels im ebenfalls beliebten Interlaken zusammen. Von Mai bis Juni räumen die Schweizer Köche ihren Arbeitsplatz und überlassen den indischen Kollegen die Küche. Ein in der Branche mittlerweile übliches Vorgehen.
Inder sind zwar sehr interessiert an fremden Kulturen, beim Essen allerdings bleiben sie lieber beim Bekannten. Daher organisieren die indischen Touroperatoren auch gleich noch das nötige Küchenpersonal, um die Gäste in gewohnter Weise zu verköstigen. Ebenso hält man es im Chalet-Hotel Oberland in Interlaken. Hoteldirektor Erich Reuteler lässt die indischen Köche an die Pfannen und kann mittlerweile 6000 indische Gäste pro Jahr begrüssen.
Die Jungfraubahnen haben gleich ein ganzes Restaurant mit dem Namen «Bollywood» auf das Jungfraujoch gesetzt. Die Bahnen zusammen mit dem Restaurant machten im vergangenen Jahr 7 Millionen Franken Umsatz mit 50000 indischen Gästen. Seit drei Jahren gibt es zudem eine «Indian Dinner Cruise» auf dem Brienzersee. Sie findet exklusiv im Mai und Juni statt, erst im Juli wird sie ersetzt durch die «Swiss Dinner Cruise» mit Rösti und Käsefondue.
Wer auf dem Jungfraujoch indische Familien und Paare sieht, die auf den Spuren der Stars Hits aus den Bollywood-Filmen singen, versteht, dass diese Filme vor allem wegen der Romantik geliebt werden. Selbst in einer fortschrittlichen Stadt wie Mumbai hat die Stadtverwaltung vor wenigen Jahren begonnen, die Parkbänke durch Einzelsitze zu ersetzen, damit sich keinesfalls Händchen haltende Liebespaare dort niederlassen. Viele Ehen werden auch heute noch arrangiert, Romantik gibt es für viele nur im Bollywood-Kino. Eine Reise in die Schweiz zu den aus dem Kino bekannten Orten gilt daher als guter Start für eine Ehe.
Schweizer Bollywood-Träume und damit auch Jeanpierres Job beruhen auf einem Zufall. Die ersten indischen Filmcrews, die in die Schweiz kamen, brauchten einen Car, der sie zu geeigneten Drehplätzen fuhr. Jakob Tritten, Carunternehmer aus Zweisimmen, kam so zu einem ansehnlichen Nebenverdienst und wurde zur bekanntesten Anlaufstelle für Bollywood-Produzenten in der Schweiz. Vor ihm hatten andere in kurzer Zeit entnervt das Handtuch geworfen. Sie konnten mit der sprunghaften Arbeitsweise der Inder nicht umgehen, die wenig zur typisch helvetischen Neigung zu minutiösem Planen passt. Tritten hatte die nötige Gemütsruhe. Feste Drehpläne oder gar ausformulierte Drehbücher hatten seine Klienten eigentlich nie, Tritten musste sein ganzes Organisations- und Improvisationstalent mobilisieren. Bald empfahlen ihn die Produzenten weiter.
Jeanpierre, der eigentlich nur als Aushilfschauffeur angeheuert hatte, wurde von Tritten schon wegen der Tatsache, dass er halbwegs Englisch sprach, für die indischen Filmcrews fest eingestellt. Als Jakob Tritten vor vier Jahren starb, führte seine Frau das Geschäft weiter und Jeanpierre beweist noch immer eiserne
Nerven.
Zehn bis zwanzig Crews kommen pro Jahr zu Tritten. Diejenige, die Jeanpierre zurzeit führt, leistet sich zum allerersten Mal einen Dreh in der Schweiz. Im Film begegnen sich der Held, ein Polizist, und die Heldin nie. Sie telefonieren nur ständig miteinander. Kurz vor dem ersten Treffen wird die Heldin umgebracht. Im Song aber stehen sie gemeinsam am Vierwaldstättersee und schmachten sich an. Denn die Gesangssequenzen sind in Bollywood losgelöst vom Rest der Handlung, hier werden Träume wahr. Hier herrscht Romantik pur, die die Touristen auf den Spuren der Stars dann auch zu finden hoffen.
Mittlerweile hat man in der Schweiz das Potenzial dieser Filme für den Tourismus erkannt. Nicht umsonst wurde Yash Chopra, der bekannteste Bollywood-Produzent, 2002 mit dem «Swiss Filmfare Award» für seine Verdienste für die Schweiz geehrt. Immer wieder war er mit Jakob Tritten im Berner Oberland am Drehen. Indien wurde von Schweiz Tourismus zusammen mit Russland und den Golfstaaten als «Emerging Market», also als Land mit grossem Potenzial, definiert. In diesen Ländern werden besondere Anstrengungen unternommen, um Besucher in die Schweiz zu locken.

Zu beliebt: Die Schweiz ist «abgefilmt»

Frederico Sommaruga, der diese Märkte für Schweiz Tourismus bearbeitet, hat daher öfters mit indischen Filmcrews zu tun. Produzenten, die damit liebäugeln, in der Schweiz zu drehen, erhalten von ihm ein «Scouting Package» finanziert. Das heisst, sie werden in die Schweiz eingeladen, mehrere Tage zu möglichen Drehorten chauffiert, erhalten Kost und Logis. Das kostet je nach Aufwand zwischen 3000 und 8000 Franken. Für mehr Unterstützung ist kein Geld vorhanden.
Nur: Kaum können sich viele indische Staatsbürger eine Reise ins Land der vom Film genährten Träume leisten, schon wollen nur noch wenige Bollywood-Produzenten in der Schweiz filmen. Wurden früher nach Sommarugas Schätzung jährlich 25–35 Bollywood-Filme in der Schweiz gedreht, so sind es jetzt unter 20. Sommaruga: «Seit vier bis fünf Jahren hat die Zahl der BollywoodProduktionen hier bei uns abgenommen. Dabei wächst die indische Filmindustrie boomartig.»
Wie kommt das? Mittlerweile haben auch andere Länder bemerkt, dass Filme die beste Tourismuswerbung sind. Mit allen Mitteln versuchen sie, Produzenten anzulocken. Da werden dank Kooperationen mit inländischen Fluglinien Flüge gesponsert oder steuerliche Vorteile gewährt. Die Schweiz kann da nicht mithalten. Kein Geld.
Willi Jetzer, der für Schweiz Tourismus manchmal Produzentengruppen durch die Schweiz führt, sieht die wachsende Konkurrenz sportlich: «Dafür müssen wir halt den besseren Service bieten.» Die letzte Gruppe, die er für ein Location Scouting vier Tage über Hügel und Berge chauffierte, wollte ursprünglich in Spanien drehen. Jetzer überzeugte sie, dass man Sandstrand auch in der Schweiz finden könne, besseren und schöneren sogar. Notfalls hätte er Sand gekauft, gibt er verschmitzt zu. Aber in der Nähe von Lugano wurde er mit seiner Gruppe fündig. Im Juli finden die Dreharbeiten statt.
Dennoch: Es wird immer schwieriger, indische Produzenten in die Schweiz zu locken. Die materiellen Anreize anderer Länder sind nur ein Grund. Der zweite: Dem indischen Filmpublikum genügt die idyllische Bergkulisse nicht mehr. Sie wollen etwas Neues sehen. Yash Chopra ist daran nicht ganz unschuldig. Er drehte gerne mit Tritten. Und dieser wiederum kannte das Berner Oberland wie seine Westentasche und führte die Crews mit Vorliebe dort herum.
Chopras Filme sind Blockbuster, die Leute sehen sie sich vier- oder fünfmal an. So wurde die Berner Landschaft in Indien so bekannt, dass die Zuschauer auch in anderen Ländern gedrehte Bergszenen automatisch der Schweiz zuordnen. So weit, so gut. Die Schweizer Tourismusindustrie freut das.
Das Problem: Für die Produzenten ist das Berner Oberland mittlerweile zu «abgefilmt». Durch die ständige Präsenz im Kino ist es zwar attraktiv für weniger liquide Filmcrews wie diejenige, die Jeanpierre zurzeit betreut. An den bekannten Orten zu filmen heisst für sie, dass sie es geschafft haben.
Die grossen Produzenten jedoch wollen Neues und weichen in andere Länder aus. Mit den offerierten Location-Scouting-Touren versucht man, noch unbekannte Landesgegenden schmackhaft zu machen, wie es Jetzer im Tessin diesmal auch gelang.
Filmcrews ins Land zu holen, versucht mit bescheidenen Mitteln seit sechs Jahren auch «Filmlocation Switzerland». Der in Vevey ansässige Verein ist eine Art Verkehrsverein für Filmschaffende, die sich für Drehs in der Schweiz interessieren. Er ist erste Kontaktstelle, vermittelt Equipment, wenn es sein muss samt dem nötigen Personal, hilft bei der Drehortsuche oder nennt Adressen von Leuten, die die benötigten Requisiten beschaffen können.
2004 wurden von Filmlocation Switzerland 126 Anfragen behandelt. Die meisten, nämlich 38, kamen aus Indien, 21 aus den USA, 20 aus Grossbritannien und 10 aus Frankreich. André Brice, Managing Director: «61 dieser Anfragen führten zu konkreten Dreharbeiten. Da aber auch Dreharbeiten ohne unsere Vermittlung stattfinden, etwa indem sich Produzenten direkt an Tritten wenden, liegt die Zahl der tatsächlich gedrehten Filme sicher höher.» Vermittlungsstellen wie Filmlocation Switzerland gibt es weltweit. Gewöhnlich sind sie vom Staat initiiert und finanziert. Nicht so in der Schweiz.
Hier mussten die Filmschaffenden selbst eine solche Institution schaffen, um von der europäischen Konkurrenz nicht völlig abgehängt zu werden. Filmlocation Switzerland entstand erst im Jahr 2001. Zu einer Zeit also, als solche Stellen in anderen Ländern längst etabliert waren. Mittlerweile übernimmt der Staat bis Ende 2007 135000 Franken des Gesamtbudgets von 150000. Den Rest trägt die Filmindustrie. Ab 2008 ist die Finanzierung nicht mehr gesichert. Zudem: Viel lässt sich mit 150000 Franken nicht be-
wegen. Daher besteht Filmlocation Switzerland zurzeit nur aus ihrem Managing Director.

Mehr Effekt als Hollywood-Produktionen

Für André Brice liegt es auf der Hand, dass Staat und Wirtschaft eigentlich alles tun müssten, um Aktivitäten der nationalen Filmkommission, wie sie auch genannt wird, zu unterstützen – viel mehr als bisher: «Im Film wird das Image der Schweiz weltweit transportiert und gefördert.» Die Präsenz auf Kinobildern sei
wichtig, denn «da wird ausser prächtigen Landschaften auch Infrastruktur gezeigt, hohe Lebensqualität und technische Entwicklung».
Brice versucht, so viel wie möglich mit den geringen Mitteln zu bewirken. An den wichtigsten Branchentreffen wie den Filmfestspielen in Cannes, der «Locations Trade Show» in Los Angeles oder der Filmmesse «Frames» in Indien ist er vor Ort oder zumindest über Schweiz Tourismus vertreten. «Wir betreiben gezieltes Networking, sagen den Produzenten, dass die Schweiz nicht so teuer ist, wie sie denken, und über Topprofis der Filmbranche verfügt», so Brice. Die Wege sind in einem so kleinen Land kurz, die Landschaft vielfältig, die Löhne auch nicht höher als in anderen Ländern, dafür die Arbeitszeiten länger.
Welche Produzenten man angehen soll, ist nicht so einfach zu entscheiden. Hollywood-Produzenten kommen nur in die Schweiz, wenn es das Drehbuch zwingend verlangt. Alle paar Jahre mal. Indische Filmcrews dagegen kommen regelmässig. Andererseits liess Hollywood sich sieben Drehtage in Genf für «Syriana» (mit Matt Damon und Amanda Peet) 1,5 Millionen Franken kosten. Davon profitiert dann auch die heimische Filmindustrie, die hier kräftig mitverdient durch Geräteverleih, Personalvermittlung und Ähnliches.
Indische Produzenten lassen im besten Fall 200000 Franken in der Schweiz liegen. Dafür ist der Imagegewinn im Heimatland der Produzenten ungleich höher. Idyllische Bilder von singenden Bollywood-Stars vor friedlich wiederkäuenden Alpkühen und schneebedeckten Gipfeln machen die Schweiz zur Traumdestination, Hollywood-Thriller nicht unbedingt.
Brice: «Wir bauen auch Kontakte zu indischen Nachwuchsregisseuren auf. Das sind die Produzenten der kommenden Jahre.» Es braucht eine Institution wie Filmlocation Switzerland, damit die Schweiz im internationalen Wettbewerb nicht ins Hintertreffen gerät, ist er überzeugt. «Heute sind wir unumgänglich für die Filmwirtschaft. Jetzt muss endlich der Bund unsere Tätigkeit anerkennen und eine langfristige Finanzierung zusagen.» Dafür weibelt er unermüdlich durchs Land.
Jeanpierre hat derweil andere Sorgen. Morgen will der Produzent eine felsige Gegend und danach Wasserfälle. Jeanpierre wird beides finden und die nötigen Bewilligungen irgendwie besorgen. Aber vielleicht war die Mühe wieder für die Katz. Auch auf dem Weg dorthin gibt es wunderschön blühende Magerwiesen.

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