«der arbeitsmarkt» 06/2014TEXT: Harald Tappeiner
Pensionskassen

Beiträge als Stolperstein für Ältere

Höhere Pensionskassenbeiträge und mehr Ferien ab 50 Jahren: Was eigentlich gut gemeint war, erweist sich als Bumerang. Ältere Arbeitskräfte haben trotz ihrer Erfahrung grosse Mühe, einen Job zu finden.

Der 56-jährige Silvio Rüttiker (Name geändert) aus Bern arbeitete 20 Jahre lang als Business Engineer und Prozessmanager für eine Schweizer Bank, bis ihm der Vorgesetzte vor rund zwei Jahren kündigte. Nicht nur er, auch seine vier Kollegen in der Abteilung erhielten den blauen Brief. Seither ist der zweifache Familienvater auf Stellensuche. Er verschickte mehr als 80 Bewerbungen, aber lediglich zwei Firmen reagierten positiv: Eine Bank und ein Personalvermittler luden ihn zu einem Vorstellungsgespräch ein. Vom Vermittler hörte er in der Folge nichts mehr, während ein Personalverantwortlicher der Bank ihm telefonisch ausrichtete, man könne ihn leider nicht berücksichtigen. Er passe nicht optimal in die «Altersstruktur des Teams», so die Begründung des HR-Mannes.

Jüngere werden schneller fündig

Silvio Rüttiker, der in früheren Jahren ein Hochschulstudium absolvierte, ist bei weitem kein Einzelfall. Denn über 50-Jährige sind von der Langzeitarbeitslosigkeit besonders betroffen. Wie aus den Zahlen des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) für das Jahr 2013 hervorgeht, befand sich jeder Vierte der Alterskategorie 50plus nach einem Jahr noch auf Stellensuche, unter den 25- bis 49-Jährigen fanden immerhin 86 Prozent innert Jahresfrist einen neuen Job. Am schnellsten klappte es bei den 15-bis 24-Jährigen; unter ihnen waren nach einem Jahr noch 4,2 Prozent ohne Arbeitsstelle.

Trotz ihrer langjährigen Berufserfahrung ist die ältere Generation am Arbeitsmarkt offensichtlich kaum gefragt. Die Gründe dafür sind vielfältig; sei es, dass die Branchen ein jugendliches Image pflegen, oder dass den reiferen Jahrgängen Ausbildungslücken nachgesagt werden.

Gemeinsam aber ist den über 50-Jährigen, dass sie höhere Pensionskassenbeiträge zu bezahlen haben. Und weil analog dazu auch die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber steigen, sehen sie sich am Arbeitsmarkt benachteiligt. Die stärkere Belastung der Firmen schmälert die Chancen der reiferen Generation bei der Stellensuche. «Man attestiert den älteren Arbeitnehmenden eine grössere Erfahrung. Doch dieser Mehrwert wird wegen der höheren Lohnnebenkosten der Firmen geschmälert», erklärt Vorsorgespezialistin Yvonne Seiler Zimmermann, Professorin an der Hochschule Luzern.

Gegen Altersdiskriminierung

Auch den Kantonen ist die Problematik der Altersdiskriminierung bewusst. So übernehmen die Kantone Freiburg und Neuenburg für eine gewisse Zeit die Arbeitgeberbeiträge von Unternehmen, welche ältere Arbeitslose anstellen. Einen entsprechenden Vorstoss hat vor gut einem Jahr der Kantonsrat Giorgio Pardini im Luzerner Parlament als Motion eingereicht. Die Luzerner Regierung anerkennt zwar das Problem, verlangte jedoch, dass die entstehenden Verwaltungskosten von den Gemeinden finanziert werden.

Bundesrat Alain Berset, der Vorsteher des Eidgenössischen Departements des Innern, hat seinerseits im Rahmen der Reform «Altersvorsorge 2020» vorgeschlagen, die Hürde der Mehrkosten für über 55-Jährige zu beseitigen. Dies geht Heidi Joos, Geschäftsführerin des Vereins «50 plus outIn work», zu wenig weit: Sie fordert für die berufliche Vorsorge (BVG) einen einheitlichen Beitragssatz, unabhängig vom Alter.

Etwas zurückhaltender äussern sich die Gewerkschaften. «Auch wir möchten eine Abflachung der BVG-Beiträge», betont Doris Bianchi vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund. Doch ein Einheitssatz sei nur in der langen Frist erreichbar. Würde man den Einheitssatz heute einführen, müsste man den BVG-Satz bei den Jüngeren stark anheben. Und dies würde dann auch Familien mit Kindern schmerzlich treffen. Deshalb sei eine langsame Abflachung der Altersgutschriften wohl der einzig gangbare Weg, räumt die Spezialistin für Sozialversicherungen ein.

Durchmischung der Betriebe gefordert

Bianchi verweist lieber auf den bestehenden BVG-Sicherheitsfonds, der mittels Zuschüssen einen Ausgleich zugunsten von Unternehmen ausrichtet, die überdurchschnittlich viele Angestellte über 50 Jahre beschäftigen: Im Jahr 2013 beliefen sich diese Zuschüsse auf rund 110 Millionen Franken. «Dieses wirksame Instrument geht leider im Diskurs über die Altersdiskriminierung immer wieder vergessen», meint Bianchi.

Eine andere Idee wäre, den Beginn der PK-Beitragspflicht auf das Alter von 20 Jahren (heute 25) zu senken, um die älteren Semester zu entlasten, wie es etwa der Kaufmännische Verband Schweiz vorschlägt. Auch Bianchi findet, dass ein früherer Beginn des Sparprozesses sinnvoll sein kann. Dies solle aber von den Vorsorgeeinrichtungen entschieden werden.

Ob es die höheren PK-Beiträge oder andere Faktoren sind, die zu einer Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt führen, ist zwar nicht eindeutig geklärt. Grundsätzlich ist aber davon auszugehen, dass eine gewisse Altersdiskriminierungskomponente besteht. Etwa, dass jüngere Leute als belastbarer gelten. Eine gute Durchmischung von Geschlechtern und Altersgruppen sei für einen Betrieb immer ein Vorteil, das zeigten auch Studien, ist die Gewerkschafterin Bianchi überzeugt. Das Bewusstsein, dass es eine Durchmischung braucht, sei aber noch nicht in einem wünschbaren Ausmass vorhanden.

Kulturwandel bei Unternehmen

Inzwischen scheint sich bei den Unternehmen ein gewisses Umdenken abzuzeichnen. «Zunächst ist ein Kulturwandel nötig, die Einsicht, dass das Know-how von älteren Arbeitnehmenden besser und länger genutzt werden muss», bemerkt etwa Martin Kaiser, Leiter Sozialpolitik des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Der Verband ist momentan am Aufbau der «Plattform 45+», womit man sich zusammen mit innovativen Arbeitgebern dieser Frage annehmen will. Vor dem Hintergrund dieses Kulturwandels will der Verband Altersrestriktionen überdenken und die richtigen Anreize setzen. So gelte es, gezielt Altersteilzeitmodelle zu entwickeln: Dies würde älteren Arbeitnehmern durch Reduzierung der Arbeitszeit einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Kaiser schlägt ebenfalls das Bogenkarrieremodell vor: Ältere Kadermitarbeiter könnten so auf eigene Initiative hin in eine neue Aufgabe mit reduziertem Verantwortungsdruck wechseln, wo altersbezogene Stärken gefragt sind. Dies soll gleichzeitig einen Beitrag zum Wissenstransfer leisten.

Die heutige Staffelung der BVG-Beitragssätze habe sicher einen negativen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit älterer Arbeitnehmer, bemerkt Kurt Gfeller, Vizepräsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes. Ähnlich negativ hinsichtlich der Konkurrenzfähigkeit älterer Werktätiger auf dem Arbeitsmarkt sind seiner Ansicht nach Regelungen, die mit steigendem Lebensalter höhere Ferienansprüche vorsehen, oder die Erwartung, dass die Löhne unabhängig von der erbrachten Leistung kontinuierlich zunehmen müssten.

Hindernisse verbleiben

Es ist offensichtlich, dass viele ältere Arbeitskräfte arbeiten möchten und unter Umständen bereit wären, auf privilegierte Ferienregelungen zu verzichten oder beim Lohn gewisse Abstriche zu machen. Denn so kommen die reiferen Jahrgänge in der Vielzahl der Fälle deutlich besser weg, als wenn sie in der Langzeitarbeitslosigkeit verharren.

Die höheren PK-Beiträge bleiben dagegen ein Hindernis, auf das die Werktätigen keinen individuellen Einfluss haben. Ob eine Entlastung der älteren Arbeitnehmenden aber massgeblich dazu führen würde, dass wieder mehr über 50-Jährige eingestellt würden, bleibt offen. Klar ist, dass eine flachere Verteilung der PK-Altersguthaben einen Beitrag dazu leisten könnte.

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