«der arbeitsmarkt» 01/2007

Bananen, Kaffee und Rosen mit sozialem Aufpreis

Am Anfang stand die Idee, den Produzenten von Südfrüchten einen anständigen Preis für ihre Arbeit zu zahlen. Heute verkaufen sich Produkte aus fairem Handel immer besser – vor allem in der Schweiz.

«Wieso sind eigentlich Bananen im Supermarkt günstiger als Äpfel, obwohl sie doch von so weit herkommen?», fragte sich vor fast drei Jahrzehnten eine Frauenfelder Kirchengruppe. Die engagierten Konsumentinnen um Ursula Brunner begannen sich zu informieren und reisten zum Teil sogar selber nach Zentralamerika, wo heute noch die meisten Bananen für den Weltmarkt produziert werden. Der günstige Preis, so fanden sie heraus, resultierte aus den menschenverachtenden Zuständen auf den Produktionsfarmen, wo zum Teil Kinder beschäftigt wurden und auch die Erwachsenen kaum genug verdienten, um zu überleben. Auf der Suche nach Hilfsmöglichkeiten kamen sie auf eine einfache Idee: Im Supermarkt gekaufte Bananen boten sie auf der Strasse mit fünfzehn Rappen Aufpreis an und brachten den erzielten Erlös als Entwicklungshilfe in die Produzentenländer. Heute wird der Aufpreis vom Supermarkt gleich selber einkassiert: unter dem Label des «Fairen Handels», der in der Schweiz so beliebt ist wie nirgends sonst.

Eine nachhaltige Perspektive für Bauernfamilien im Süden

Aus den Kontakten der Frauenfelder Bananenfrauen zu Kleinbauern und Genossenschaften ist schliesslich 1998 die Fair-Trade-Handelsfirma «gebana ag» entstanden, die heute über ihren Internetshop rund 10000 Direktkunden mit mehr als 200 Artikeln versorgt und deren Tochterfirmen auch in Afrika und Brasilien tätig sind. So werden etwa in Tunesien Biobauern unterstützt, die Datteln anbauen. Das Ziel von «gebana» in dieser Region ist, durch Förderung der traditionellen Anbaumethoden und den Verzicht auf künstliche Düngemittel und Herbizide die kleinbäuerlichen Strukturen zu stärken. Die biologische Produktion zusammen mit stabilen und fairen Preisen bietet den Bauern und ihren Familien so eine nachhaltige Perspektive. Ausserdem ist «gebana» zusammen mit ihrer holländischen Partnerfirma einer der wichtigsten Händler von garantiert gentechfreiem Soja aus Brasilien. Dieses wird an verschiedene Weiterverarbeiter, etwa in Deutschland oder England, geliefert, wo daraus Biotofu hergestellt wird. Dabei hat sich aber gezeigt, dass Fair Trade auch Risiken bergen kann: Nach einigen Jahren mit grosser Dürre und der gegenwärtigen Inflation von 50 Prozent mussten zum Beispiel die brasilianischen Aktivitäten in eine eigene Gmbh ausgelagert werden, damit ein eventueller Bankrott nicht gleich die gesamte Firma bedroht. Zusätzlich gab es dort Probleme der Vermischung mit Gentechsorten, deren Pollen vom Wind auf die Biofelder getragen wurden. Doch auch ausserhalb der eigentlichen Handelsaktivitäten ist «gebana» aktiv: Sie vermittelt ihren Produzenten günstige Direktkredite von hiesigen Privatinvestoren, meistens Kunden, die ihr Geld politisch korrekt anlegen und gleichzeitig etwas für eine nachhaltige Entwicklung des Südens tun wollen. Für diese Firma hat neben dem fairen Handel der Schutz der Umwelt immer einen hohen Stellenwert: Fast alle ihre Produkte sind biozertifiziert. Sie werden denn auch vom WWF, der regelmässig die verschiedensten Umwelt- und Fair-Trade-Label oder -Firmen unter die Lupe nimmt, als «sehr empfehlenswert» eingestuft.

Fünfzig Prozent der verkauften Bananen mit Fair-Trade-Label

Etwas weniger gut beurteilt wurde in derselben Untersuchung die Marke «claro», direkte Konkurrentin auf dem Schweizer Markt und Partnerin beim Internetshop. Deren Beurteilung als nur «empfehlenswert» resultiert laut Kommunikationsleiterin Sara Meyer daraus, «dass ‹claro fair trade› in erster Linie eine Fair-Trade-Organisation ist, die sich sozialen Kriterien verschreibt. Die ökologisch nachhaltige Produktion ist für uns selbstverständlich, doch wir sind trotzdem keine Umweltorganisation. Als selbsttragendes Unternehmen verfügen wir weder über die Mittel noch die personellen Möglichkeiten, in gross angelegte Umweltprojekte zu investieren. Wir investieren aber in unsere Produzentengruppen und haben in den vergangenen Jahren bereits viele Verbesserungen vorgenommen. Heute sind über 60 Prozent unserer Lebensmittel biozertifiziert.»
Während «gebana» zu allen Partnern und Produzenten in direktem Kontakt steht, hat sich «claro» mit andern Fair-Trade-Firmen und -Organisationen für die Kontrolle und Garantie der Einhaltung ihrer Richtlinien zur European Fair Trade Association (EFTA) zusammengeschlossen, wo jeder Partner jeweils für einige Produzenten und Transportketten verantwortlich ist. Während die International Fair Trade Association (IFTA), die ebenfalls von verschiedenen Fair-Trade-Firmen und -Stiftungen gegründet wurde, die Lobbyarbeit etwa im europäischen Parlament übernommen hat. Im Gegensatz zu «gebana» bringt «claro», die 1997 aus der OS3-Importgenossenschaft hervorgegangen ist, ihre Produkte auch in 140 eigenen Läden unter die Leute. Im Moment werden die «claro»-Läden nach einem neuen Konzept umgestaltet, um die Kundinnen und Kunden noch besser zum Kauf von Fair-Trade-Produkten verführen zu können.
Die Aktionen der Frauenfelder Bananenfrauen hatten von Beginn weg eine grosse Medienpräsenz und ihnen ist es zu verdanken, dass die Schweizerinnen und Schweizer Weltmeister im Fair Trade sind. Als nämlich 1992 die sechs grossen Hilfswerke Helvetas, Caritas, Fastenopfer, Brot für alle, Heks und Swissaid nach holländischem Vorbild die Zertifizierungsstiftung «Max Havelaar» gründeten, erklärten sich die grossen Detailhändler Migros und Coop sofort einverstanden, Waren mit dem Fair-Trade-Label zu vermarkten. Denn nur allzu gerne wollten sie sich vom Vorwurf befreien, ihre Gewinne auf Kosten von Dritte-Welt-Bäuerinnen und -Bauern zu erzielen. So trugen 2005 rund die Hälfte der in der Schweiz verkauften Bananen das Fair-Trade-Siegel. Bei Honig und Rohzucker waren es 13 Prozent und beim Kaffee immerhin 4 Prozent. Ebenfalls ein hoher Marktanteil (17 Prozent) wurde mit Ananas erzielt.
Damit ein Produkt das «Havelaar-Siegel» erhält, müssen sowohl Produktion wie Transport und Weiterverarbeitung den Richtlinien der internationalen Labelorganisation FLO entsprechen, die «Max Havelaar» im deutschen Bonn zusammen mit gleichgesinnten Organisationen aus insgesamt 21 Ländern gegründet hat. So soll unter anderem der Sozialstandard SA 8000 – nach Richtlinien der ILO – eingehalten werden und Produktion wie Transport müssen umweltverträglich sein. «Max Havelaar» ist also keine Handelsfirma wie «gebana» oder «claro», sondern zertifiziert als unabhängige Stiftung für ihre Partner bestimmte Produzenten und die folgende Handels- und Transportkette. Heute schafft es zum Beispiel der Detailhändler Coop, ganze 92 Prozent seines Bananenabsatzes mit «Max Havelaar»-Produkten zu bestreiten.

Den meistens ausbeuterischen Zwischenhandel ausschalten

Für die Produzenten in den Drittweltländern bedeutet fairer Handel konkret einen Mehrertrag von rund 40 Prozent. Und der meistens ausbeuterische Zwischenhandel im Produktionsland wird ausgeschaltet, indem die Produkte direkt von den Bauern zu den schweizerischen Detailhändlern geliefert werden. Ausserdem erhalten die Produktionsgenossenschaften eine Fair-Trade-Prämie, die sie für soziale Projekte wie Schulen oder Infrastruktur ausgeben können. Seit neuestem gehört auch die Stiftung Step, die für fairen Handel bei Orientteppichen gegründet wurde und in der Schweiz vor allem über Möbel Pfister vermarktet wird, zu «Max Havelaar». Nachdem in den ersten Jahren vor allem Produkte, die früher unter der Bezeichnung Kolonialwaren gehandelt wurden, als Fair-Trade-Waren angeboten wurden, hat sich die Produktepalette laufend vergrössert. Neben Lebensmitteln sind Schnittblumen wie etwa Rosen dazugekommen und seit einiger Zeit werden auch Textilien, besonders solche aus biologisch produzierter Baumwolle, als Fair-Trade-Ware vermarktet. Neben Coop und Migros verkauft etwa auch Manor solche Bio-Cotton-Kleider und sie werden über spezialisierte Versandhäuser wie Hess oder Lehnert vertrieben. Während in der Schweiz im Jahr 2005 mehr als 140 Millionen Euro für Fair-Trade-Produkte ausgegeben wurden, ist der weltweite Umsatz auf 1,1 Milliarden Euro gestiegen.

Trittbrettfahrer nehmen es mit den Richtlinien nicht so genau

Auch in Zukunft sehen Experten Wachstumschancen für den Markt, sowohl was den Umsatz einzelner Produkte als auch die Anzahl verschiedener Waren ausmacht. So sind im Moment etwa Bestrebungen im Gang, für Notebooks und Personal Computer, die oft unter schlechten Bedingungen in China hergestellt werden, Fair-Trade-Standards festzulegen. Doch je grösser der Markt wird, umso grösser wird auch die Gefahr, dass Waren als Fair-Trade-Produkte verkauft werden, die diese Bezeichnung nicht verdienen. Denn bis heute gibt es keine staatlichen Regelungen oder Gesetze, die vorschreiben, was Fair Trade ist. So sieht etwa Mirjam Güntert von der gebana-Geschäftsleitung die Gefahr, dass einzelne Grossfirmen ein Label sozusagen aufkaufen, um ihre Produkte bei den Kundinnen und Kunden in einem besseren Licht darstellen zu können. Zum Beispiel sind seit einiger Zeit die meisten Chiquita-Bananen mit dem «Rainforest Alliance»-Label beschriftet. Unter diesem Label werden in der Schweiz auch Kaffee, Schokolade und Nüsse angeboten. Das Label hat aber nichts mit
Fair Trade zu tun, sondern soll nachhaltige Land- und Bodennutzung fördern und die Verwendung von chemischen Düngern und Pestiziden regeln. Vom WWF erhielt es nur die Bewertung «bedingt empfehlenswert». Und wie eine Reportage des TV-Senders 3sat vor kurzem zeigte, wohl zu Recht: Während die Reporter von der Chiquita-Medienstelle auf Musterplantagen geführt wurden, wo etwa für das Ausbringen von Pestiziden Schutzkleidung vorhanden war, traf dasselbe Reportageteam gleich daneben auf eine ebenfalls mit dem «Rainforest Alliance»-Label ausgezeichnete Plantage, wo es keine Schutzkleidung für die Angestellten gab. Und denen wurde ausserdem verboten, sich gewerkschaftlich zu organisieren, obwohl dies laut den Label-Richtlinien erlaubt sein sollte. Genau hinzusehen, welches Label was verspricht und ob es auch eingehalten wird, lohnt sich also auf jeden Fall.
Deshalb unterscheidet auch Mirjam Güntert den «Mainstream-Fair-Trade» mit «Max Havelaar»-Produkten von ihrem eigenen «gebana»-Sortiment: «Wir sind die direkte Brücke von den Bauern im Süden zu den Konsumenten im Norden.» Sozusagen ein globaler Hofladen also, wo Kundinnen und Kunden genau wissen, woher ihre Lebensmittel stammen und unter welchen Bedingungen sie hergestellt werden.

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