«der arbeitsmarkt» 07/2010

Arbeit braucht Ausgleich

Sechs Wochen Ferien für alle - das verlangt die gleichnamige Initiative von Travail.Suisse. Der Dachverband der Gewerkschaften begründet das Begehren mit der stark gestiegenen Belastung am Arbeitsplatz: Die Wirtschaft fordere heute von den Arbeitnehmenden grösste Flexibilität und eine Leistungsbereitschaft, die die Beschäftigten an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringe - und das mache krank. Um die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmenden langfristig zu erhalten, brauchten sie mehr
Erholung.
Dass übermässiger Druck am Arbeitsplatz Beschwerden wie Kopf- und Rückenschmerzen, Verdauungsstörungen oder Schlaflosigkeit verursacht, ist anerkannt. Das SECO hat die gesundheitlichen Folgekosten in der Studie «Arbeit und Gesundheit» (2007) beziffert: Auf 10 Milliarden Franken jährlich belaufen sich die Folgekosten der (Selbst-)Ausbeutung im Job. Bei einem Drittel der über 50 000 Personen, die wegen Rückenbeschwerden und anderer Erkrankungen des Bewegungsapparates eine IV-Rente beziehen, werden die Probleme auf die berufliche Belastung zurückgeführt. Eine andere SECO-Studie belegt einen direkten Zusammenhang zwischen Work-Life-Balance und Rückenproblemen: Wer Erwerbs- und Privatleben nur schlecht unter einen Hut bringt, leidet dreieinhalb Mal so häufig an Rücken- und Kreuzbeschwerden wie Arbeitnehmende, die Berufliches und Privates problemlos vereinbaren können. Rücken- und Nackenbeschwerden kosten die Wirtschaft jährlich vier Milliarden Franken, bedingt durch verminderte Leistungsfähigkeit und Absenzen.
Zwei Wochen mehr Ferien entspricht einer Reduktion der Jahresarbeitszeit um vier Prozent. Das kostet zwar, bringt aber auch etwas: Gut erholte Arbeitnehmende sind nicht nur leistungsfähiger, sondern auch belastbarer. Angesichts der demografischen Entwicklung gewinnt diese Sichtweise an Gewicht: Damit der Volkswirtschaft ihr wichtigstes Betriebs­kapital, die menschliche Arbeitskraft, auf Dauer erhalten bleibt, brauchen die Arbeitnehmenden ausreichend Erholung. Denn das Erwerbsleben ist kein Sprint, sondern ein Marathon.

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