«der arbeitsmarkt» 07/2014TEXT: Harald Tappeiner
Stelleninserate

Ärger über Alterslimiten

Immer wieder treffen Stellensuchende auf Stellenausschreibungen, die oft ausgrenzende Restriktionen etwa in Bezug auf das Alter vorgeben. Einige Unternehmen setzen hingegen gezielt auf altersdurchmischte Teams.

Vermögensspezialist Hannes Schurtiger (Name geändert) ist entrüstet. Vor einigen Wochen entdeckte er ein Stelleninserat des Vermögenszentrums Zürich, in dem die Firma «einen Finanzberater zwischen 25 und 40 Jahren» sucht. «Das kann ich nicht verstehen. Im angelsächsischen Raum wäre das undenkbar», mokiert sich der 51-Jährige, der in seiner beruflichen Karriere unter anderem im Devisenhandel und in der Anlageberatung tätig war. Im Dezember 2012 wurde er entlassen, nachdem der Arbeitgeber, ein Bankinstitut, eine ganze Abteilung ausgelagert hatte. Seither ist der Finanzspezialist auf Stellensuche. Dass er jetzt einem Stellenangebot mit Altersvorgabe begegnet, empfindet er als eine Ausgrenzung.

Auffallend: Das Vermögenszentrum (VZ) suchte jüngst in seinen Inseraten vornehmlich Leute zwischen 20 und 40 Jahren. Die Finanzberatungsfirma schrieb auf ihrer Plattform unter anderem Stellen für «eine/n Mandatsleiter/in für Erbenvertretung und Willensvollstreckung im Alter 25–35» oder «eine/n Immobilienberater zwischen 25 und 40» aus. Wie eine Auswertung der «Handelszeitung» von knapp 50 Inseraten des VZ im vergangenen April zeigte, enthielten bis auf eine Ausnahme alle Inserate eine explizite Altersbeschränkung, die über 40-Jährige ausschliesst.

Das Vermögenszentrum ist beileibe kein Einzelfall: Häufig sind es Stellenvermittlungsfirmen, die ihre Stellenangebote mit klaren Altersrestriktionen schalten. So suchte jüngst ein solches Unternehmen unter anderem einen «Sachbearbeiter/in im Alter zwischen 20–25 Jahren», während ein Personalvermittler «eine/n Sachbearbeiter im Alter von +/– 30 Jahren» ausgeschrieben hatte.

Daran stört sich der Kaufmännische Verband: «Wir sehen es nicht gerne, wenn Firmen in Stelleninseraten gewisse Generationen bevorzugen. Besonders, wenn kein fachlicher Grund besteht», betont Manuel Keller, Leiter Beruf und Beratung beim KV Schweiz. Zwar könne es Ausnahmen geben, wenn gewisse physische Voraussetzungen für eine Stelle nötig sind. «Dies trifft jedoch auf den kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Bereich grundsätzlich nicht zu, weshalb wir hier eine Ungleichbehandlung bei der Rekrutierung für unangebracht halten», meint Manuel Keller.

«Zulässige Diskriminierung»  

In der Schweiz ist die Altersnennung im Stelleninserat zulässig, wie der Arbeitsrechtler Thomas Geiser, Professor an der Uni St. Gallen, sagt. Es ist eine Diskriminierung, die erlaubt ist. Denn vorrangig gilt die Vertragsfreiheit. Anders in den USA und in den EU-Ländern: Dort ist die Altersnennung im Stelleninserat untersagt.

Heikel können Restriktionen in Stellenangeboten aber auch in der Schweiz werden. Schliesst eine Firma eine bestimmte Gruppe wegen des Geschlechts oder des Zivilstands im Stelleninserat aus, kann dies eine Stellenbewerberin oder einen Stellenbewerber gestützt auf das Gleichstellungsgesetz zu einer Klage wegen Anstellungsdiskriminierung bewegen. Erhält eine Frau, die sich trotzdem auf ein solches Inserat bewirbt, einen negativen Entscheid, weil ein Mann angestellt worden ist, kann sie den Arbeitgeber einklagen, der das Bewerbungsdossier dann offenlegen muss. So kann die Bewerberin zeigen, dass sie über die besseren oder allenfalls über die gleich guten Qualifikationen wie der Mann verfügt, und eine Entschädigung von drei Monatslöhnen geltend machen, wie Thomas Geiser ausführt.

Eine gleichwertige Regelung verlangt der Sozial- und Arbeitsrechtler Kurt Pärli von der Fachhochschule Winterthur (ZHAW) nun auch für den Fall, dass jüngere oder ältere Arbeitnehmer per Stelleninserat ausgeschlossen werden: Er fordert ein Verbot der Diskriminierungen aus Gründen des Alters.

«Kein Problem mit dem Alter»

Besonders bei Grossunternehmen gelten Altersrestriktionen im Rekrutierungsprozess offiziell aber kaum mehr als salonfähig: «Wir definieren generell keine Altersangaben in den Stelleninseraten», sagt Novartis-Sprecherin Esther Keller und verweist dabei auf den internen Verhaltenskodex des Pharmakonzerns. Auch die Bank Raiffeisen macht keine Altersangaben im Stelleninserat. Das genossenschaftlich organisierte Unternehmen habe eine gute Altersdurchmischung. «Wir stellen immer wieder Personen im Alter über 50 oder 55 an. Kompetenz und Persönlichkeit müssen passen, und zwar unabhängig vom Alter», sagt Raiffeisen-Sprecher Franz Würth.

Dass der Trend in Richtung betriebliche Durchmischung geht, signalisiert auch der Industriekonzern ABB: «Wir verzichten auf die Altersnennung in Stelleninseraten, denn das Alter ist für uns ebenso wenig ein massgebliches Kriterium wie das Geschlecht oder die Nationalität. Für uns zählen in erster Linie Kompetenz, Teamfähigkeit und Erfahrung im jeweiligen Berufsfeld», erklärt Firmensprecher Markus Gamper. Ähnlich sieht das die Bundesverwaltung: «Bei der Rekrutierung stehen Qualifikation und Persönlichkeit der Bewerbenden im Vordergrund. Das Alter ist für uns kein ausschlaggebendes Kriterium, deshalb machen wir auch keine Vorgaben», sagt Anand Jagtap, Sprecher des Eidgenössischen Personalamtes. «Ältere Bewerbende bringen neben ihrem Wissen eine langjährige Berufserfahrung mit, was für uns sehr wertvoll ist.» Die Credit Suisse brauche erfahrene Mitarbeitende, hält Sprecher Tobias Plangg fest, um den Anforderungen der Kunden gerecht zu werden. Deshalb investiere die Grossbank in die Weiterentwicklung der älteren Mitarbeitenden und fördere die Zusammenarbeit der Generationen. 

Ökonomische Vorteile?

Sind das nur Lippenbekenntnisse der Firmen, oder bringt eine gute altersmässige Durchmischung des Personals auch ökonomische Vorteile? Unternehmen mit einer gut geführten Vielfalt in der Belegschaft seien innovativer, sagt dazu Sita Mazumder, Professorin an der Hochschule für Wirtschaft in Luzern. «Organisationen versuchen zunehmend, ihr Personal so zu strukturieren, dass sie ihre Zielkunden optimal bedienen können. Als Beispiel: Wenn ich ältere Menschen für meine Produkte und Dienstleistungen gewinnen möchte, dann sollten auf der Personalseite entsprechend auch ältere Menschen angestellt sein», so die Ökonomin.

Durchschnittsalter 32

Trotz gegenteiligen Trends will das Vermögenszentrum an der Altersrestriktion nichts ändern und weiterhin vor allem Junge rekrutieren. Die Firma habe in den letzten Monaten allerdings auch einige berufserfahrene Mitarbeitende eingestellt, die über 40 Jahre alt seien, betont Urs Feldmann, Personalchef des VZ. Nach seinen Angaben liegt das Durchschnittsalter der Mitarbeitenden im VZ dennoch bei lediglich 32 Jahren. Demgegenüber dürfte das Alter der VZ-Kunden deutlich höher sein.

Bei den vielen Stelleninseraten mit einer Altersobergrenze von 40 Jahren handelt es sich, laut Urs Feldmann, vor allem um Einstiegsstellen für Abgänger von Universitäten oder Fachhochschulen, die eine Karriere als Kundenberater anstreben.«In anderen Gebieten suchen wir primär erfahrene, ältere Mitarbeitende. Diese suchen wir in der Regel nicht via Inserat, sondern via Personalberater oder mittels Direktansprache.»

«Es besteht Handlungsbedarf»
Der Arbeitsrechtler Kurt Pärli über Altersdiskriminierung am Arbeitsmarkt und sein Plädoyer für eine gesetzliche Anpassung.
Kurt Pärli, ist es eine Diskriminierung, wenn eine Firma per Inserat nur Mitarbeitende im Alter von 25 bis 35 Jahren sucht?
In der Schweiz nicht, da kein gesetzliches Diskriminierungsverbot wegen des Alters besteht.
Halten Sie die Altersnennung im Stelleninserat für akzeptabel? 
Firmen sollten auf Altersangaben verzichten und eine ausgewogene altersmässige Durchmischung ihrer Belegschaft anstreben. Den Ausschluss jüngerer und älterer Arbeitnehmender vom Zugang zum Arbeitsmarkt erachte ich als unakzeptabel. Es besteht gesetzlicher Handlungsbedarf.
Welche gesetzlichen Anpassungen schlagen Sie vor? 
Ein allgemeines arbeitsrechtliches Diskriminierungsverbot macht Sinn: Die Diskriminierung aus Altersgründen soll auch verboten sein. Das Alter dürfte nur dann ein zulässiges Unterscheidungsmerkmal sein, wenn die Firmen dafür stark überwiegende betriebliche Interessen geltend machen können. Zudem braucht es Anpassungen im Sozialversicherungsrecht. Das System mit den im Alter steigenden Pensionskassenbeiträgen führt dazu, dass ältere Arbeitnehmende für die Firmen teurer sind.
In welchen Ländern ist die Altersnennung in der Stellenausschreibung untersagt?
In allen EU-Staaten, gestützt auf eine entsprechende EU-Richtlinie. Geschützt vor Diskriminierung sind sowohl jüngere als auch ältere Arbeitnehmende. In den USA hingegen sieht das Arbeitsgesetz vor, dass Stellensuchende ab dem 40. Altersjahr vor Altersdiskriminierung geschützt sind.
Ist es in der Schweiz wegen Altersdiskriminierung im Stelleninserat schon zu Klagen gekommen?
Nein, das ist auch nicht erstaunlich. Möglich wäre einzig eine Klage wegen Persönlichkeitsverletzung, die Erfolgsaussichten sind indes sehr gering.

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