19.01.2016
FOTOS UND TEXT: Ines Tanner

Robert Tanner in seiner Wohnung in Thalwil. Die Wand hat er selbst gestaltet.

Vegan-Koch und Künstler

Von der Natur inspiriert

Robert Tanner, 30, schwingt den Pinsel und die Kelle kreativ. Das kommt seinen zwei Berufungen zugute. Dem Kochen und dem Malen. 

Was Robert Tanner anpackt, tut er mit Begeisterung. Leidenschaft ist seine Motivation. Bei all seinen Tätigkeiten. Egal, ob er kocht, malt oder Sport treibt. Beruflich kocht er am liebsten vegan. «Diese Küche bietet viele Herausforderungen», sagt er. Denn sie verlangt ein besonders breitgefächertes Nahrungsmittelwissen. Viele Zutaten lassen sich einfach auswechseln. Statt Kuhmilch nutzt er Soja-, Hafer-, Mandel-, Reis- oder auch Hanfmilch. Lupinenmehl oder Johannisbrotkernmehl verwendet er alternativ für Eier. Bei sämtlichen Ausweichprodukten muss der Koch entsprechend würzen. «Der Geschmack ist sehr wichtig», sagt Tanner, der seit einem Jahr im Zürcher Veganrestaurant Elle’n’Belle arbeitet.

Die Lehre bestritt der junge Mann als konventioneller Koch im städtischen Altersheim Zürich-Selnau. Dort gefiel ihm neben dem Kochen selbst die Nähe zu den Pensionären. Sie durften beim Rüsten in der Küche mithelfen. «Ich bin geduldig und kann auch gut auf Personen mit psychischer Beeinträchtigung eingehen. Ich mag Menschen generell», sagt Tanner.

Diese Gabe konnte er auch während knapp fünf Jahren als Alleinkoch bei der Heilsarmee einsetzen. Das knapp bemessene Budget sah er als Herausforderung. Und auch dort halfen ihm Menschen aller Art, die Speisen vorzubereiten. «Ich hatte viele wertvolle Kontakte mit Frauen und Männern, die auf irgendeine Weise benachteiligt waren.»

Sowohl im Altersheim als auch bei der Heilsarmee kam Robert Tanner in den Genuss von geregelten Arbeitszeiten. Jetzt im Restaurant Elle’n’Belle nicht mehr. Doch das stört ihn nicht. Im Gegenteil: «Zimmerstunden und freie Morgen verbringe ich mit anderen Aktivitäten», sagt er. Die Zeit abseits des Kochens nutzt er vor allem, um seine Berufung zu leben: Tanner ist passionierter Künstler. Seine Werke nennt er «Die Kunst der Natur». Inspirieren lässt er sich von der Pflanzenvielfalt. Er sinniert: «Der Mensch kann unzählige Formen erschaffen, die Natur aber noch viele mehr. Mir ist die Symbiose zwischen moderner Kunst und der Natur wichtig.» Tanners Bilder, Wandgestaltungen und Werke an Objekten, wie Möbel oder Autos, geben harmonische und faszinierende Einblicke in seine künstlerische Schaffenswelt. Und die ist spannend: «Nach unzähligen Versuchen, das perfekte Bild zu kreieren, habe ich herausgefunden, dass etwas nur für den Moment perfekt sein kann – ein Leben lang», erklärt er. «Die Kunst der Natur» beinhaltet für Robert Tanner, auf Gefühle zu hören und diese zu leben. Er sagt: «Was der Seele gut tut, stärkt den Körper.» Durch seine Kunst bringt er ein Stück Natur zurück in die betonierte Welt.

Kreativität ausleben

Künstler und Koch, beide Berufe wurden dem Thalwiler sozusagen in die Wiege gelegt. Als kleiner Junge erschuf er mit seinem Grossvater, dem Künstler und Gestalter Jakob Schwarz, moderne Kunst. Seine Mutter beobachtete er beim Zubereiten der Speisen und erfand selbst die abenteuerlichsten Menüs. «Weil ich den Herd nicht gebrauchen durfte, musste sie geschickt arrangierte Essen verspeisen, bestehend aus rohen Teigwaren oder Reis», sagt er schmunzelnd. Das Schöne am Malen und Kochen sei für ihn, dass er seine Kreativität ausleben dürfe. Während des Kochens, indem er Speisen fantasiereich garniere oder neue Rezepte austüftle. Als Künstler, indem er mit verschiedenen Techniken und Werkzeugen experimentiere wie Pinseln, Spraydosen oder Filzschreibern.

Robert Tanner ist die Symbiose zwischen moderner Kunst mit der Natur wichtig. Foto: zVg

Robert Tanner ist Junggeselle und immer mal wieder liiert. Momentan lebt der 30-Jährige allein in einer hellen Zweizimmerwohnung in Thalwil. Er sagt, dass ihm die Frau, mit der er sein ganzes Leben teilen möchte, noch nicht begegnet sei. Offenbar stresst ihn das nicht. Er wirkt ausgeglichen und zufrieden und lebt im Einklang mit sich selbst und der Natur. Ausserdem ist er in seinem Privatleben sehr aktiv. Tanner betreibt Sport, verwöhnt sich mit verschiedensten Wellnessbehandlungen und spielt Schach. Er bouldert regelmässig in einer Halle. «Das ist Klettern auf Absprunghöhe und beansprucht sämtliche Muskeln des Körpers», erzählt er. «Die grosse Herausforderung ist, möglichst schwierige Strecken zu meistern, auch überhängende.» Seilklettern fasziniert den Sportbegeisterten ebenso. «In den Bergen, in der freien Natur in schwindelerregende Höhen hinaufzusteigen, ist anspruchsvoll und erfordert neben Kraft auch absolute Konzentration.»

Verzicht aus Respekt

Sehr wichtig sind Robert Tanner seine Kollegen und Kolleginnen. Er schätzt das Diskutieren und das Philosophieren. «Meist vertiefen wir uns in Themen wie das Weltgeschehen insgesamt, oder wir sinnieren über ethische Grundsätze», sagt er. Viel und immer wieder zu reden gibt die Tatsache, dass Robert Tanner seit über zwei Jahren Vegetarier ist. «Das verstehen die meisten Fleischesser nicht», bedauert er. Da nütze es nichts, dass er versichere, Fleisch immer gern gehabt zu haben, jetzt aber den Tieren zuliebe darauf verzichte. Ein Verzicht, nicht nur um des Essens willen, ist es für den jungen Mann tatsächlich. Er erzählt, wie er seit seiner Kindheit seine innere Ruhe beim Fischen gefunden habe, seit kurzem aber seinem geliebten Hobby entsage. 

Am liebsten würde Robert Tanner aus Respekt gegenüber Mensch und Tier sämtliche nicht nachhaltig produzierte Konsumgüter und Lebensmittel aufgeben. «Es ist tragisch, unter welch katastrophalen Bedingungen in Drittweltländern unsere Gebrauchsgegenstände produziert werden», sagt er und meint nachdenklich: «Am wirkungsvollsten wäre, nicht bloss vegetarisch oder vegan zu essen, sondern vollkommen vegan zu leben und am besten nur absolut biologische Ware zu verwenden.» Gänzlich ohne tierische Produkte auszukommen, ist sehr aufwendig. Das weiss Robert Tanner und gesteht: «Aus Bequemlichkeit bin ich bloss Vegetarier und kein Veganer.»