08.12.2016
TEXT: Daniel BuessVIDEO: Daniel Buess

Feuer_und_Rauch

Raku-Keramik

Mit Feuer und Rauch

In seinen Events bringt Stefan Jakob die Herstellung von Raku-Keramik mit Feuer und Rauch unter die Leute. Immer mit dabei hat er seine metallenen Helfer, die unkonventionellen Kübel-Brennöfen.

Das «Wienachtsdorf» auf dem Zürcher Sechseläutenplatz. Sieben Uhr abends. Neben seinem Verkaufsstand «Keramik & Animation» heizt Stefan Jakob die freistehenden Raku-Öfen ein. Sichtbar flackert das Feuer in den kleinen Ofenöffnungen. Schaulustige bleiben stehen, vereinzelt reagiert jemand verwundert. «Aber diese Kübel kenne ich doch ... Sind die nicht ...?» Ja, es sind umgebaute Ikea-Mülleimer, zweckentfremdet für den Keramikbrand des Rakus. Das Publikum nimmt regen Anteil, wärmt sich an den bullernden Öfen auf. Eine persönlich bemalte Keramik als Weihnachtsgeschenk? Kein Problem. Am Verkaufsstand stehen Kessel mit Glasurfarben bereit. Vorgebrannte Sterne und Schalen können nach eigenem Gusto bemalt werden. Das Brennen übernimmt dann der Keramiker Stefan Jakob.

Raku ist ein Keramikverfahren, das im Wesentlichen auf rascher Abkühlung und Rauchbrand beruht und sich in einem zeitlich überschaubaren Rahmen abspielt. Es dauert etwa eine halbe Stunde. Ist die Glasur im Ofen geschmolzen, befördert der Keramiker das rot glühende Objekt in eine Sägemehlwanne, in der es rasch abkühlt. Dadurch erhält es die Craquelé-Risse, jene feinen, netzartigen Sprünge, die für Raku charakteristisch sind. Anschliessend wird das immer noch heisse Objekt mit Sägemehl zugedeckt, das zu motten beginnt. Wegen des Sauerstoffentzugs entsteht Kohlenstoff. Diesen Vorgang nennt man Reduktion. Die unglasierten Teile färben sich nun schwarz, auch die Risse. 

Wegen der starken Rauchentwicklung findet der Raku-Brand meist im Freien statt. So auch im «Wienachtsdorf», wo Stefan Jakob jeweils bis zehn Uhr abends bei seinen Kübelöfen zugange ist. Hitze, Flammen und Rauch zeitigen verblüffende Ergebnisse. Wer sein kleines Raku-Kunstwerk im Wasser gesäubert hat, nimmt nicht nur etwas zum Schenken mit nach Hause, sondern auch ein Erlebnis, das wahrscheinlich noch lange in der Erinnerung haften bleibt.

 Mobiles Brennen und Animation

An der Zweierstrasse in Zürich betreibt Stefan Jakob das Ladenatelier «Keramik & Animation». Wie der Name dieses kunsthandwerklichen Unternehmens schon verrät, steht dahinter eine Absicht, die aufs Mitmachen zielt. Stefan Jakob ist viel unterwegs. Er führt Raku- und Ofenbaukurse durch, veranstaltet Raku-Partys und befeuert seine Öfen auch gerne an Geburtstagsfeiern, Hochzeiten und Betriebsanlässen. Oder am Weihnachtsmarkt auf dem Sechseläutenplatz. 

«Das letzte Wort hat das Feuer», fasst Stefan Jakob die nicht immer leicht verständlichen chemischen und physikalischen Vorgänge der Raku-Technik zusammen. Und versucht damit auch, die Faszination zu erklären, die von dieser ursprünglich aus dem Japan des 16. Jahrhunderts stammenden und in Amerika zu ihrer heutigen Form entwickelten Brenntechnik ausgeht. Bei seinen Raku-Events verlässt er sich auf seine Raku-Brennöfen, diese auf den ersten Blick etwas kurios wirkenden umgebauten Mülleimer. Dadurch, dass Stefan Jakob in den offenen Luken mit Holz anfeuert, ist der Brennvorgang sichtbar und erlebbar. Überdies haben die kleinen Raku-Öfen den Vorteil, dass sie transportabel und leicht zu bedienen sind. 

Stefan Jakob in seinem Ladenatelier mit einer Raku-Schale. Foto: Daniel Buess

Die Faszination für offene Brände und den Bau von einfachen Keramikbrennöfen erwachte während der Ausbildung zum Werklehrer. Zur Raku-Technik kam Stefan Jakob, als er nach einer Methode suchte, den Einsatz von Glasuren zu vereinfachen. In Kombination mit seinen speziellen Brennöfen hat er damit die Voraussetzung geschaffen für die erlebnisorientierten Brände, bei denen er das Publikum einbezieht, eine Mischung aus Show und kreativem Workshop. 

Um die Leute bei den Brennevents zu ermutigen, den Pinsel in die Glasurfarben zu tauchen und loszulegen, genügt es oft schon, die Öfen anzuwerfen. Feuer hat eine magische Anziehungskraft. Und es lockert die Stimmung. Davon ist Stefan Jakob überzeugt. «Meistens wagen sich die Frauen zuerst vor», erzählt er. «Sie malen einfach mal drauflos und schauen, was dabei herauskommt, während die Männer anfänglich noch etwas zögerlich sind. Manchen bereitet es Unbehagen, dass sich der Brennprozess nicht hundertprozentig steuern lässt.»

Unwägbarkeiten beim Raku-Brennen

Tatsächlich ist das Ergebnis nie exakt voraussehbar. Dies hat vor allem damit zu tun, wie die Glasurfarben auf das Brennen und die Räucherung im Sägemehl reagieren. Mit seiner Erfahrung und seinem Können gelingt es Stefan Jakob, die Farben bis zu einem gewissen Grad zu steuern. 

Will er zum Beispiel erreichen, dass sich die Farben schön vermischen, muss er schnell reagieren, wenn er das Brenngut aus dem Ofen nimmt, sonst schliesst sich die Oberfläche, bevor sie der Reduktion zugeführt werden kann. Die Abkühlung fixiert die Farben.

Eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen Zufälle und Wetterbedingungen. Bei hohem Luftdruck zieht der Ofen nicht so gut. Dann entweicht der Sauerstoff dem Gefäss schon im Ofen, was eine rotbraune Tönung erzeugt. Die Luftfeuchtigkeit beeinflusst direkt die Craquelierung. Dass ein Werkstück nicht wunschgemäss gerät, ist völlig normal. «Klar gibt es Leute, die mit Raku nicht glücklich werden», räumt Stefan Jakob ein. «Sie haben vielleicht fixe Vorstellungen, wie das Ergebnis aussehen soll. Ich arbeite gerne mit Intuition und Zufall. Dem Ergebnis gegenüber braucht es eine gewisse Toleranz. Das einzig Sichere beim Raku-Brennen ist die Erfahrung, dass es oftmals anders herauskommt, als man denkt. Aber das ist auch das Spannende daran.»

Marke Eigenbau

Mit seinen Ofenbau-Workshops ist Stefan Jakob weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Auf einer Schaffarm in Australien und im Hafen von Bizen in Japan hat er mit Hobbykeramikern aus handelsüblichen Mülleimern Raku-Brennöfen gebaut. «Für meine Keramik interessiert sich in Japan oder Australien niemand, aber die Ofenbaukurse finden dort grossen Anklang», erzählt er. 

In den letzten zwanzig Jahren hat er rund 2500 Öfen gebaut. Auf die Idee, statt eines festen Brennofens einen Metallkübel zu benutzen, kam er, als er nach einer Möglichkeit suchte, den Brennvorgang sinnvoll in den Keramikunterricht zu integrieren. Das «Patent Mülleimer» hatte er von einem Kollegen übernommen, der aus einem Ochsner-Kübel und einem Gasbrenner einen Raku-Ofen gebaut hatte. 

Stefan Jakob sah darin die Lösung für ein Problem, das ihn damals beschäftigte. Der herkömmliche Holzofen, mit dem er für eine Schulklasse Keramik brannte, war einem lebendigen Lernklima eher abträglich, da das ausgelagerte Brennen an einem einzigen zentralen Ort den Arbeitsprozess in die Länge zog und die Schüler zur Untätigkeit verurteilte. Diesem Missstand schufen die kleinen Öfen Abhilfe. An ihnen konnten je zwei bis drei Schüler weitgehend selbständig arbeiten, sodass die Schulklasse in den ganzen Herstellungsprozess involviert war. Aus Sicherheitsgründen entschied sich Stefan Jakob für Holzfeuerung. «Die hatte den positiven Nebeneffekt, dass die Schüler keinen Blödsinn mehr machten, weil sie nun oft mit Anfeuern beschäftigt waren», erinnert er sich. 

Die Mülleimer haben sich bewährt – nicht nur im Schulunterricht. Längst hat Stefan Jakob erkannt, dass er damit ein breites Bedürfnis ansprechen kann. Damit in den Kübeln Raku gebrannt werden kann, braucht es nur ein paar wenige Zusatzelemente. Ein Cheminéerohr leitet den Rauch ab, während von unten her durch die Öffnung, in die das Holz reinkommt, Luft nachzieht. Die für Raku erforderliche Hitze von über 1000 Grad gewährleistet eine Isolation aus Keramikfasermatten. Mit ihr sind Temperaturen bis zu 1300 Grad möglich.

Kunst und Keramik

Da Stefan Jakob häufig unterwegs ist, verzichtet er in seinem Atelierladen auf regelmässige Öffnungszeiten. Dennoch bekommt er hin und wieder Besuch, auch am Wochenende. Die im Schaufenster präsentierten Objekte machen neugierig. Was als Erstes auffällt, ist die klare und stark reduzierte Farbigkeit mit Weisstönen an den glasierten und mit Schwarztönen an den unglasierten Stellen. Diese Farbgebung ist Stefan Jakobs Markenzeichen. Neben der für Raku charakteristischen Craquelierung, die hier teils an Baumrinde, teils an Aderngeflecht erinnert, finden sich Schichtungen mit einem leicht prähistorischen Touch. Auch dies eine Spezialität, die Stefan Jakob in seiner langjährigen Keramikpraxis entwickelt hat. Er betont, dass es für einen Keramiker wichtig sei, sich seinen eigenen Stil zu erarbeiten. Das habe mit einer künstlerischen Haltung zu tun, dem Anspruch, etwas Eigenes und Unverwechselbares zu kreieren. Stefan Jakobs Erzeugnisse sind grösstenteils Gefässe. Als solche entsprechen sie der Urform der Töpferei.

Ausstellungen führt er nur sporadisch durch. Sie bieten die Möglichkeit, öffentlich zu zeigen, dass er das Kunsthandwerk, das er seinen Kursteilnehmern beibringt, aktiv ausübt und sich nicht auf erreichten Lorbeeren ausruht. Und auch hier gilt: Kunst ist zwar essenziell, macht aber nicht reich. Erst kürzlich hat er eine zweiwöchige Ausstellung gemacht. Die Einnahmen reichten gerade mal, um die Unkosten zu decken. Je nach Arbeitsaufwand, Material und Grösse variieren die Stückpreise zwischen 70 und über 1500 Franken.

Sein Einkommen erwirtschaftet Stefan Jakob vor allem durch Festservices, Kurse und Marktveranstaltungen. Darin zeigt sich ein wachsendes Bedürfnis: zurück zum Handwerk und zu einem kreativen Verfahren, das sich intensiv mit Materialien und physikalischen Grundkräften auseinandersetzt. Raku bietet ein elementares Erlebnis des Werkens mit Ton, Glasuren, Feuer, Rauch, Sägemehl und Wasser. Oder wie es ein junger Zuschauer auf dem Sechseläutenplatz formuliert: «So etwas habe ich auf meiner Playstation nicht.»