06.02.2017
FOTOS UND TEXT: Benedikt Wirthlin

Raphael Fischler, für einmal vor der Kamera und doch auch dahinter.

Mein Tag als

Videoproduzent

Raphael Fischler, 28, erzählt, wie sein Interesse zuerst zum Hobby und dann zur Passion wurde und wie er es letztlich zum Beruf machte.

«Feste Arbeitszeiten kenne ich nicht. Vom Wohn- zu meinem Arbeitsort benötige ich drei Gehminuten. Meistens bin ich um 9.15 Uhr im Büro. An Drehtagen auch früher. Zwölfstündige Einsätze sind nichts Aussergewöhnliches. Auch am Wochenende oder am Abend zu drehen, gehört dazu. Als Selbständiger habe ich die Möglichkeit, diese Zeit kurzfristig zu kompensieren.

Für meine Arbeit als Kameramann und Cutter ist Kreativität ein grosser Faktor. Im Team diskutieren wir verschiedene halbfertige Ideen. Ich überprüfe, ob diese technisch machbar sind. Dazu gehört auch, ‹up to date› zu bleiben. Videos zu produzieren, ist ein ewiger Lernprozess, da sich Technik und Stil stetig ändern.

Nach der Matur wusste ich nicht, welche berufliche Richtung ich einschlagen soll, obwohl da eigentlich die Weichen schon gestellt waren. Zusammen mit meinem jetzigen Geschäftspartner produzierte ich im Rahmen der Maturarbeit ein Musikvideo. Das Interesse war geweckt, als Beruf konnte ich mir die Videoproduktion jedoch noch nicht vorstellen, und ich begann ein Philosophie- und Englischstudium. Kurz darauf wechselte ich die Studienrichtung zu Kommunikationswissenschaften. Auch der Tatsache geschuldet, dass das Interesse am Film zum Hobby geworden war und ich in der Zwischenzeit mehrere Musikvideos produziert hatte. Zusammen mit meinem Kollegen aus Kantitagen absolvierte ich neben dem Studium ein Praktikum bei ‹Star TV›. Die professionelle Welt der Videoproduktion gefiel mir. Das Filmen wurde zu meiner Passion, und ich überlegte mir, diese zu meinem Beruf zu machen.

«Irgendwie öffneten sich alle Türen, und die Selbständigkeit war die logische Konsequenz daraus.»

Raphael Fischler

Aufgrund senderinterner Umstrukturierungen wurden unsere Stellen gestrichen, was uns gerade recht kam. Zu dieser Zeit verfolgten wir privat einige Projekte und stellten fest, dass sich mit unserer Leidenschaft Geld verdienen lässt. Wir entschlossen uns im April 2013, eine GmbH zu gründen. Damals waren wir 25 und 27 Jahre alt. Anfangs bestand unser Büro aus zehn Quadratmetern. Sich zu etablieren und zu finanzieren, bedingte grossen Einsatz. Das Studium lief nebenher, und ich absolvierte sämtliche Prüfungen, bis auf die Bachelorarbeit. Ich setzte voll auf die Karte Selbständigkeit, was im Nachhinein betrachtet ein grosses Risiko war, sich aber bislang ausbezahlt hat. Irgendwie öffneten sich uns alle Türen, und die Selbständigkeit war die logische Konsequenz daraus. Sogar das Büro ist mittlerweile grösser, und in unmittelbarer Nähe befinden sich Bars und Take-aways.

Eine Eigenheit der Branche ist die achterbahnmässige Auftragslage. Es gibt durchaus Phasen, in denen nicht viel läuft, gefolgt von Wochen, in denen ich mehrere Projekte gleichzeitig realisiere. Indem ich meinen Lohn der Auftragslage anpasse, stelle ich sicher, dass immer genug Geld auf dem Firmenkonto ist. Ein Nachteil der Eigenständigkeit, mit der ich aufgrund der vielen Freiheiten aber gut leben kann.

Grundsätzlich bin ich offen für alle Aufträge. Wenn ich aber nicht hinter der Message stehen kann, lehne ich ab. Am liebsten arbeite ich den ganzen Prozess eines Videos ab, also Konzeption, Filmen und Schnitt. Mein Traum ist, ein grosses, über längere Zeit laufendes Projekt zu realisieren. Gerne würde ich einen Dokumentarfilm drehen, bei dem idealerweise Geld und Zeit keine Rolle spielen. Inhaltlich bin ich für vieles offen, fände aber eine Naturdoku sehr interessant.

Viele denken, dass das Produzieren von Videos und die Zusammenarbeit mit Künstlern eine grosse Party ist. Natürlich habe ich Spass während der Arbeit. Ich konnte mein Interesse zum Beruf machen und arbeite mit Freunden zusammen. Aber genauso kann es ein Knochenjob sein. Für eine Produktion mit einem Rapper reiste ich während sechs Wochen in Grossstädte rund um die Welt. Das am Tag Gefilmte schnitt ich jeweils am gleichen Abend. Anstatt die Städte zu erkunden, sass ich dann meist bis zwei Uhr morgens am Laptop, bevor es weiterging.

Raphael Fischler an dem Ort, wo er am meisten Zeit verbringt – im Schneideraum.

Auch Anlässe wie die Swiss Music Awards sind Arbeit, da viele potenzielle Kunden teilnehmen und Networking eminent wichtig ist. Dieses Jahr ist besonders, da zwei Titel in der Kategorie ‹Best Hit› nominiert sind, für die wir das Video produziert haben.

Hobbys im klassischen Sinn habe ich nur wenige, dafür sind die Arbeitszeiten zu unterschiedlich. Ein fixer Termin ist das montagabendliche Basketballtraining. Diese zwei Stunden sind mir heilig. Ich unternehme auch oft Ausflüge mit meiner zweijährigen Nichte, wobei mir entgegenkommt, dass ich eben nicht fix von Montag bis Freitag arbeite.

Mein grösster Erfolg ist das Musikvideo zum Song ‹Angelina› von Dabu Fantastic, das auf Youtube über eine Million Klicks erreicht hat. Natürlich sind bei Musikvideos Klickzahlen mit Vorsicht zu geniessen, da viele Menschen einfach die Songs hören wollen. Auch ‹Angelina› selbst hat wohl für einige Klicks gesorgt. Nichtsdestotrotz ist es schön, zu wissen, dass meine Arbeit gesehen und geschätzt wird.»