04.08.2015
TEXT: Jvan SpiessFOTO: © Barbara Dietl

Sabine Dörlemann hat bisher etwa 120 Titel verlegt.

Mein Tag als

Verlegerin 

Sabine Dörlemann, 54, führt seit 2003 ihren Verlag in Zürich. Das Verlagshaus hat sich mit Neuauflagen von Klassikern und Entdeckungen neuer Autoren einen Namen gemacht.

«Die russische Literaturübersetzerin Swetlana Geier ist schuld, dass ich Verlegerin geworden bin. Nachdem ich meine Stelle in der Geschäftsleitung beim Ammann Verlag gekündigt hatte, um mit meinem Mann auf Reisen zu gehen, fragte sie mich: ‹Und was machen Sie, wenn Sie wiederkommen?› Ich antwortete:‹Weiss ich nicht.› Sie meinte, da ich doch alles schon gelesen hätte, solle ich einen Verlag gründen. Diese Worte haben sich in mir festgesetzt. Für mich war es wichtig, dass da jemand war, der mir das zutraute.

Als ich 2003 in Zeiten der Rezession den Verlag in Zürich gründete, war das schon ein riesiger Schritt. Zumal die Verlagsbranche heute noch unter Druck steht. Einige in meinem Umfeld fanden, ich sei nicht ganz dicht. Buchverkäufe sind ein schwieriges Thema: Manche Bücher setzen sich durch, und man kann viel für sie erreichen. Andere wiederum verkaufen sich nicht so, wie ich mir das für sie wünschen würde. Aber ich glaube ganz fest an die Qualität und habe eine klare Vorstellung davon, was ich verlegen möchte.

Wichtig für mich ist, unbekannte Klassiker und zeitgenössische Autoren aus anderen Sprachen im deutschsprachigen Raum für den Leser sichtbar zu machen. Aber auch neue deutschsprachige Stimmen zu finden. Ich lege Wert darauf, dass die Aufmachung und die Ausstattung der Bücher dem Inhalt entsprechen.

«Ich wünsche mir mehr Leser und weniger Möchtegernautoren.»

Wir erleben meines Erachtens zurzeit einen Boom: Jeder glaubt, schreiben zu können und seine Geschichte erzählen zu müssen. Mit den Schreibschulen ist es wie mit den Castingshows, wo jeder das Gefühl hat, singen zu können. Bis zu einem gewissen Grad kann das Schreibhandwerk erlernt werden. Wir bekommen viele Manuskripte, die handwerklich gut sind – aber nichts zu erzählen haben. Ich wünsche mir mehr Leser und weniger Möchtegernautoren. 

Bei grösseren Verlagen gibt es einen Lektoratsleiter, der auch das Programm macht. In meinem kleinen Verlag bin ich dafür verantwortlich. Ich muss neue Titel und Projekte fürs Programm finden und mit meinen drei Mitarbeitenden neue Ideen ausbrüten. Wir fragen uns: Wie können wir für den und den Titel Werbung machen? Bücher finden auf unterschiedlichste Weise den Weg ins Programm. Manchmal kommen Empfehlungen von Freunden, Agenten oder Übersetzern. Das sind die Manuskripte, die zumindest in nähere Betrachtung genommen werden. Ich habe einmal ein Buch veröffentlicht, dessen Manuskript uns zugesandt wurde. Von tausend Einsendungen schafft das vielleicht ein Manuskript. 

Natürlich bin ich als Verlagsinhaberin auch für den Geschäftslauf verantwortlich und habe so gewisse Manageraufgaben. Der Verlagsalltag gleicht oft einem ganz normalen Bürojob: Von neun bis achtzehn Uhr muss ich Unmengen von E-Mails beantworten, Rechnungen oder Zahlungen bearbeiten und anderen Kram erledigen. Manchmal hält man sich damit auf, und es sind immer die ungeliebten Babys.

«Ich reise oft auf den Spuren meiner Autoren.»

Die eigentliche Lesearbeit findet eher am Abend oder am Wochenende statt. Termine habe ich aber auch ausserhalb des Verlagsbüros. Ich bin etwa sechs bis acht Tage im Monat unterwegs, treffe mich mit Autoren oder stelle meinen Verlag in Buchhandlungen, Leserkreisen oder auch bei einem Rotary Club vor. Ich habe das grosse Glück, einen Beruf auszuüben, der auch Berufung ist, und bin froh, dass ich nicht einer Arbeit nachgehen muss, die ich nicht gerne mache, nur um Geld zu verdienen. 

In meiner Freizeit treibt mich die Neugierde auf Reisen. Ich reise oft auf den Spuren meiner Autoren. Darüber hinaus mache mit meinem Mann Wanderungen oder koche für Freunde. Von der Literatur muss ich mich nicht erholen, denn sie bedeutet für mich Lebensinhalt.»

Der Dörlemann Verlag

2003 startete der Dörlemann Verlag mit einer neuen Auflage des Werks «Ein unbekannter Freund» des russischen Autors Iwan Bunin. Die Übersetzung von Swetlana Geier verkaufte sich erfolgreich. Mit «Verfluchte Tage» verlegt Sabine Dörlemann weitere Neuauflagen des Autors.
2011 brachte sie mit «Hasenleben» das Debüt des Schweizer Schriftstellers Jens Steiner heraus. Der Titel stand auf der Longlist des Deutschen Buchpreises.
Mit «Carambole» veröffentlichte der Verlag einen weiteren Titel von Jens Steiner, für den er den Schweizer Buchpreis 2013 gewann.
2015 trat mit Dana Grigorcea eine weitere Autorin des Verlags beim Bachmannwettbewerb an.
Der Dörlemann Verlag hat bisher etwa 120 Titel verlegt.