27.05.2015

Ob Originale oder Gipsabgüsse: Griechische, römische und weitere Skulpturen der Antike beeindrucken Martin Bürge, 44, allemal.

Mein Tag als

Kurator einer archäologischen Sammlung

Martin Bürge geht den Spuren antiker Kulturen nach und kümmert sich um Objekte, welche die Archäologische Sammlung der ETH Zürich erhält – sei es durch Schenkungen oder Leihgaben von diversen Museen und Privatsammlern.

«Ohne zu übertreiben, kann ich behaupten, dass ich meinen beruflichen Traum ausleben darf. Historische Tatsachen zu vermitteln und dem Publikum zugänglich zu machen, bringt mir Erfüllung. Ich habe Klassische Archäologie in Zürich sowie Berlin studiert. Danach war ich als Assistent über sieben Jahre lang für die archäologischen Ausgrabungen auf dem Monte Iato in der Provinz Palermo in Sizilien zuständig. Das Institut für Archäologie der Universität Zürich erforscht dort seit 1971 eine Siedlung, die von circa 1000 v. Chr. bis 1246 n. Chr. bestand.

Insgesamt 14 Jahre habe ich mich als Student und Assistent an den Ausgrabungsarbeiten beteiligt. Im Jahre 2007 erhielt ich die Chance, mich im Stab des Departements Architektur an der ETH Zürich in der Forschungsförderung sowie im Fakultätsmanagement zu beweisen. Vier Jahre später übernahm ich die Stelle des Kurators der Archäologischen Sammlung der Universität Zürich.

Seitdem gehe ich wiederum den Spuren antiker Kulturen nach. Ich kümmere mich beispielsweise um Objekte, die wir durch Schenkungen oder als Leihgaben von Privatsammlern oder Museen erhalten und die wir inventarisieren und wissenschaftlich erschliessen. Als Hauptverantwortlicher für die Originalsammlung bearbeite ich externe Anfragen von Forschenden oder auch Leihanfragen anderer Museen, schliesse Verträge ab und organisiere Wechselausstellungen.

«Die Beschäftigung mit Archäologie und Geschichte kann einen wichtigen Beitrag
fürs Zusammenleben im Hier und Jetzt leisten.»

Martin Bürge

Leihen wir unsere Objekte aus, ist es wichtig, vor dem Abtransport den Zustand jedes Ausstellungsstückes zu prüfen. Dafür knipse ich aus verschiedensten Perspektiven Fotos, um visuell alles bis ins kleinste Detail zu erfassen, damit bei der Leihe entstandene Beschädigungen erkannt werden. Diese Aufgaben müssen wir extrem sorgfältig durchführen. Schliesslich sind alle unsere Artefakte Unikate und kaum ersetzbar. Die Archäologische Sammlung der Universität Zürich umfasst über 8000 Objekte. Darunter befinden sich grösstenteils originale Antiken, aber auch etwa 1500 Gipsabgüsse der wichtigsten Skulpturen der griechischen und römischen sowie weiterer Kulturen der Antike.

Es ist stets ein Genuss, mit meinen Arbeitskolleginnen und -kollegen zusammenzuarbeiten. Die einzelnen Teammitglieder sind sehr aufgeschlossen und zuvorkommend. Die Kooperation mit auswärtigen Institutionen und Fachexperten ist eine zusätzliche Bereicherung für mich. Was ich ebenfalls sehr an meiner Arbeit schätze, sind Gruppenführungen. Es freut mich, wenn ich die Zuhörer durch meine Schilderungen begeistern kann.

Administrative Arbeiten wie Verträge aufsetzen, Dokumentationen erarbeiten oder E-Mail-Korrespondenzen gehören hingegen nicht zu meinen Vorlieben, muss ich aber selbstverständlich ebenso genau und gewissenhaft handhaben. Das allmorgendliche Ritual, meinen drei Kindern das Frühstück und meiner Frau einen Tee zuzubereiten, stimmt mich auf die Herausforderungen des Tages ein. Um zehn Uhr treffe ich mich mit den Institutsangehörigen zum Kaffee – eine angenehme und wichtige Gelegenheit, mich informell über Berufliches, aber auch mal über Privates auszutauschen.

Generell wünsche ich mir für die ganze Menschheit ein friedvolles Zusammenleben. Auf meinem Lebensweg messe ich der Archäologie eine grosse Bedeutung für meine persönliche Entwicklung bei. Die Beschäftigung mit Archäologie und Geschichte kann einen wichtigen Beitrag fürs Zusammenleben im Hier und Jetzt leisten.

So kann zum Beispiel «Grausamkeit», wie sie in der griechischen Mythologie und ihrer Kunst etwa rund um die tragische Figur des Marsyas zum Tragen kommt, thematisiert, diskutiert, sublimiert, abgelehnt und so auch noch heute durch den Gedankenaustausch fruchtbar gemacht werden. Dies führt letztlich zu kulturellem Fortschritt.

Neben meiner beruflichen Alltagsrealität bringt mir meine Familie den nötigen Halt und trägt massgebend zur Balance in meinem Leben bei. Da meine Frau selber Archäologin ist, haben wir viele gemeinsame Interessen und gestalten unsere Ferien auch dementsprechend. So stehen auch dann häufig Besuche in diversen Museen und auf Ausgrabungen auf dem Programm – zugegebenermassen nicht immer zur Freude der Kinder. Als Forschenden reizt es mich, fremde Welten zu entdecken, mir neues Wissen anzueignen und es mit anderen Menschen zu teilen.»