24.11.2016
FOTOS UND TEXT: Rossella Blattmann

Cécile Bretscher am Werk in ihrer Praxis im Herzen von Winterthur.

Mein Tag als

Haarentfernungsspezialistin 

Mit Haut und Haar. Cécile Bretscher, 54, hat in ihrer Praxis in der Winterthurer Altstadt schon so manchem Stadtbewohner das «Winterfell» entfernt – mit natürlichen Zutaten. Derzeit erlernt sie ihren nächsten Beruf.

«Man sagt, dass sich bereits die ägyptische Königin Kleopatra unerwünschte Körperbehaarung mit Zuckergel entfernen liess. Ob da etwas Wahres dran ist, weiss ich nicht. Aber nachdem mir vor elf Jahren zum ersten Mal in einer Shaba-Praxis mit Zuckergel die Beine enthaart worden waren, war ich begeistert: Das bei Shaba verwendete Gel besteht aus destilliertem Wasser, Zitronensaft und Zucker; es ist ein rein natürliches Produkt, das sich leicht entsorgen lässt. Diese Tatsachen sowie mein Drang zu einer beruflichen Unabhängigkeit führten zu meinem Entschluss, Haarentfernung mit dieser Methode aus dem Orient zu praktizieren und mich schliesslich selbständig zu machen. 

Bevor ich vor zehn Jahren mit 44 den Schritt in die Selbständigkeit wagte, hatte ich verschiedene Berufe ausgeübt – als Büroangestellte, als Pantomimin oder auch als Flugbegleiterin bei der Swissair. Als Mutter musste ich meine berufliche Situation überdenken.

Da kam die Shaba-Methode ins Spiel. Die Kurse, um die Haarentfernung mit Zuckergel zu erlernen, wurden mir von einer Bekannten empfohlen. Nach sechs Monaten begann ich, als Haarentfernungsspezialistin Geld zu verdienen.

Zum Glück führte mich der Zufall in die Praxis an der Steinberggasse. Ich vertrat die Inhaberin während ihrer Babypause. So konnte ich mir nach und nach meinen Kundenstamm aufbauen und später in die Praxis einsteigen. Meine Geschäftspartnerin stieg nach einer Weile aus. Doch wie sagt man so schön? Wenn sich eine Türe schliesst, öffnet sich eine andere. Ich übernahm die Räumlichkeiten und baute meine Tätigkeit aus. 

Heute arbeite ich drei Tage die Woche als Haarentfernungsspezialistin, an den restlichen vermiete ich den Raum an eine medizinische Masseurin. Als Selbständige ist es nicht immer einfach, über die Runden zu kommen. Darum arbeite ich zusätzlich einen Tag pro Woche beim Hauseigentümerverband in Zürich in der Zentrale. Dies ermöglicht es mir und meinen beiden Kindern, auch mal in die Ferien zu fliegen. Ich schwelge nicht im Luxus, aber ich habe alles, was ich brauche, und bin sehr zufrieden mit meinem Leben. 

Meine Kundschaft ist sehr unterschiedlich, von der 16-jährigen Schülerin bis zur 60-jährigen Musikerin ist alles dabei. Ich habe mehrheitlich Kundinnen, behandle aber auch Männer. Ich schätze den Kontakt zu meinen Kunden, und mein eigener Chef sein zu können, ist unbezahlbar. 

Mein Terminplan ist durch Praxis, Bürojob und meine Kinder gut gefüllt. Zusätzlich habe ich vor kurzem eine vierjährige Ausbildung zur Tanz- und Bewegungstherapeutin in Bern begonnen, die mir unglaublich gut gefällt. Beim Abschluss werde ich 58 sein. Diese Zahl macht mir keine Angst – im Gegenteil! Mein Ziel ist es, als Tanz- und Bewegungstherapeutin zu arbeiten, meine Tätigkeit in der Haarentfernungspraxis kontinuierlich zu reduzieren und das Geschäft schliesslich zu übergeben.

Es gibt Momente, an denen ich merke, dass ich an meine Grenzen komme. Aber alles, was ich mache, tue ich gerne. Mein Leben macht mich nicht müde und kaputt, sondern gibt mir Kraft und Energie. 

In meiner Freizeit mache ich Krafttraining oder treffe mich mit Freunden. Ich gehe gerne ins Theater, zum Beispiel ins Theater am Gleis, an Konzerte oder besuche eine Ausstellung in einem der zahlreichen Winterthurer Museen.

In der Regel bin ich um halb sieben abends zuhause. Ein Fixpunkt ist das gemeinsame Abendessen mit meiner Tochter. Sie ist jetzt 15 Jahre alt und wird immer unabhängiger; bald ist sie flügge und verlässt das heimische Nest. Darum liegt mir diese Zweisamkeit sehr am Herzen. Bevor wir zu Bett gehen, lassen wir den Tag gemütlich bei einer warmen Tasse Schlaftee ausklingen.»