16.12.2015
FOTO UND TEXT: Jürg Streuli

Martin Koch beim Depot Landquart vor einem Regionalzug mit dem Bündner Kantonswappen.

Rhätische Bahn

Lokführer mit Begeisterung

«Ich habe meinen Traumjob gefunden.» Der Berufsweg von Martin Koch hat sich wie bei vielen Eisenbahnfans schon in früher Kindheit abgezeichnet. Zuerst war es die Modelleisenbahn und mit Zwischenstationen schliesslich die Rhätische Bahn.

Seit 20 Jahren arbeitet Martin Koch als Lokführer bei der «Bündner Staatseisenbahn», die auf Meterspur ein 384 km langes Streckennetz betreibt. Selbst die vielen Berufsjahre haben seinen Blick für die überwältigenden Naturschönheiten entlang der Strecken nicht getrübt. «Immer wieder Freude bereitet mir der Wechsel der vier Jahreszeiten. Ganz besonders auf der Berninabahn, wo im Mai und Juni von St. Moritz nach Tirano nacheinander drei Jahreszeiten durchfahren werden. Nämlich vom Frühling im Engadin hinauf in den Winter auf dem Berninapass und hinunter in den Sommer im italienischen Veltlin.» Martin Koch sieht es als Privileg, beruflich auf Eisenbahnlinien unterwegs zu sein, die zu den Schönsten der Welt zählen. Auch gefällt ihm die Verbundenheit mit der urchigen Bevölkerung.

Seit 2008 zählen die Albulabahn und die Berninabahn zum Welterbe der Unesco. Doch ist die Rhätische Bahn (RhB) nicht nur eine Touristenbahn. Sie dient ebenso der einheimischen Bevölkerung und übernimmt wichtige Aufgaben im Güterverkehr. Damit werden besonders die Strassen ins Engadin vom Lastwagenverkehr entlastet. Auch das bekannte Valserwasser legt auf dem Weg zu den Verbrauchern eine Etappe mit der Rhätischen Bahn zurück.

Familiäre Atmosphäre

«Bei der Rhätischen Bahn kennen sich die Mitarbeitenden gegenseitig. Im Gegensatz zur grossen Schwesterbahn der SBB fährt unser Personal sämtliche Zugskategorien und alle Triebfahrzeuge. Das macht die Arbeit abwechslungsreich und ermöglicht flexible Personaleinsätze.» Auf Gebirgsbahnen lauern Gefahren wie Lawinenniedergänge und Steinschlag. Das verlangt vom Lokführer eine hohe Wachsamkeit. Trotzdem lassen sich Unfälle nicht immer vermeiden. Am 14. August 2014 fuhr ein Schnellzug bei Solis in einen Erdrutsch, wobei einige Wagen entgleisten. Zu beklagen waren ein Todesopfer sowie mehrere Schwerverletzte.

Der Arbeitsplatz des Lokführers ist gegenüber früheren Zeiten komfortabel geworden. Foto: Jürg Streuli

Lokführer für den Nachwuchs

Weiterbildung und Sozialkompetenz verhalfen Martin Koch zur Beförderung zum Ausbildungslokführer. Im Jahr melden sich etwa 20 Bewerber. Nach 18 Monaten Ausbildung erreichen durchschnittlich 16 das Berufsziel. «Meine Aufgabe besteht darin, den Berufsanwärtern das notwendige Wissen für das Bestehen der Aufnahmeprüfung zu vermitteln.» Dabei wirkt seine Freude am Beruf ansteckend.

Im Unterschied zu früheren Zeiten wird als Vorbedingung nicht mehr zwingend eine handwerkliche Lehre mehr verlangt, sondern auch Matura-Abgänger sind willkommen. Denn mit Schraubenschlüsseln lassen sich die Elektronikstörungen moderner Fahrzeuge nicht beheben. Für den anstrengenden Schichtdienst wichtig ist eine robuste körperliche Gesundheit. Hinzu kommt eine hohe psychische Belastbarkeit für die schwierigen Situationen, wenn der Lokführer alleine auf sich gestellt die richtigen Entscheidungen treffen muss. Etwa ob bei Störungen eine Ersatzlokomotive angefordert werden muss.

Berufliche Sonnen- und Schattenseiten

Auf dem einsamen Mann an der Spitze des Zuges mit hunderten Fahrgästen lastet eine grosse Verantwortung. Daran hat auch die Sicherheitstechnik nichts geändert. Während das Nichtbeachten eines geschlossenen Signals eine Zwangsbremsung zur Folge hat, verhindert nichts die Fahrt mit zu hoher Geschwindigkeit. Weil er seine Tätigkeit alleine ausführt, ist es für den Lokführer wichtig, in einem kollegialen oder familiären Umfeld aufgehoben zu sein.

Wird beim Schichtdienst auf die älteren Kollegen Rücksicht genommen? «Alle müssen Schichtarbeit leisten. Denn unsere Züge verkehren von frühmorgens bis spätabends. Die älteren Lokführer arbeiten jedoch nach einer festen Jahreseinteilung. Für kurzfristige Einsätze und nächtliche Bauzüge werden die jüngeren Kollegen herangezogen», erklärt Martin Koch.

Was hat sich in den vergangenen 20 Jahren für das Lokpersonal verändert? «Wie bei anderen Betrieben hat der Spardruck zugenommen. Heute werden die Arbeitszeiten im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften immer häufiger bis ans Limit ausgereizt. Früher waren die Pausen länger, und man hatte mehr Zeit füreinander.» Doch anerkennt Martin Koch auch die spürbaren Verbesserungen. «Mit den ergonomischen Sitzen und den Klimaanlagen sind die Arbeitsplätze in den neuen Lokomotiven und Triebwagen sehr komfortabel geworden. Kein Vergleich mehr mit der früheren stehenden Bedienung oder den harten Klappsitzen.»

Die Lokführer der Rhätischen Bahn sind auf Strecken unterwegs, die zu den schönsten der Welt zählen. Foto: Martin Koch