02.03.2016
FOTOS UND TEXT: Ines Tanner

Patrizia und Mauro Vietri-Loosli begutachten mit Kurt Loosli die neu angekommene Strickwolle.

Inländische Strickwaren

In der Schweiz produzieren ist möglich

Dank Mut, neuen Ideen und Risikobereitschaft trotzt die in der dritten Generation geführte Schweizer Firma Frilo der Frankenstärke. Das Unternehmen exportiert gar bis zu 70 Prozent der Strickwaren.

Die Emmentaler Strickwarenfabrik schreibt schweizerische Erfolgsgeschichte. Von aussen deutet nichts darauf hin, dass im alten Fabrikgebäude in Huttwil (BE) acht Mitarbeiterinnen jährlich zwischen 20 000 und 25 000 vorwiegend für Babys und Kinder hergestellte Kleidungsstücke anfertigen. In einer Zeit mit täglichen Klagen wegen des Frankenschocks beweisen Patrizia und Mauro Vietri-Loosli, dass heimische Firmen, auch Familienunternehmen, ertragsreich produzieren können.

Das Ehepaar führt Frilo in der dritten Generation. «Die letzten acht Jahre, seit wir in den Betrieb eingestiegen sind, waren sehr anstrengend. Wir müssen ständig dranbleiben», erinnert sich Patrizia Vietri-Loosli. Ob in den Ferien oder an Wochenenden, die beiden verbrachten keinen Tag, ohne E-Mails zu bearbeiten. «Am Anfang mussten wir mit sehr wenig durchs Leben. Mittlerweile haben wir die Firma auf eine gesunde Basis gebracht. Das ermöglicht uns, gut davon zu leben. Das ist die Hauptsache.»

Kurs-Löcher stopfen
Nach wie vor ist der Druck, der auf den Jungunternehmern lastet, gross. «Zweimal jährlich, während der saisonalen Verkäufe an Messen und mittels Vertretern, müssen wir fürchten, dass wir den Umsatz nicht erreichen.» Wie hoch dieser ist, möchten die Firmenbesitzer nicht sagen. Sie erzählen aber, dass sie schon überlegt hätten, die Produktion ins Ausland zu verlegen. Dies scheiterte, weil die grossen Textil- und Strickwarenhersteller zu hohe Produktionsvolumen pro Grösse und Farbe forderten. «Vor allem bei den saisonalen Artikeln kommt es vor, dass von einer Randgrösse und einer speziellen Farbe nur ein paar Stücke bestellt werden. Und für kleine Strickateliers sind wir wiederum zu gross», erklärt die gelernte Textileinkäuferin. «Hinzu kommt noch, dass das Thema Swiss made doch für viele Kunden im In- und Ausland ein Grund ist, unser Produkt zu kaufen.» So fertigt das Familienunternehmen weiterhin ausschliesslich in der Schweiz.

Zum gelungenen Weiterbestehen der Marke Frilo Swissmade tragen auch Sparmassnahmen bei. Nach der Aufhebung des Euro-Mindestkurses letztes Jahr verzichteten Patrizia und Mauro Vietri-Loosli auf die Zusammenarbeit mit ihrer PR-Agentur, und dank zähen Verhandlungen mit ihren norditalienischen Wollehändlern konnten sie ohne Qualitätseinbussen ihre Materialeinkaufspreise senken. «Das alles macht zwar bloss einige tausend Franken aus, die können wir aber einsetzen, um einen Teil der ‹Kurs-Löcher› zu stopfen.» Wichtig ist den Firmeninhabern, dass sie ihre Mitarbeiterinnen zu den bestehenden Konditionen beschäftigen, ohne Mehrstunden und zum gleichen Lohn.

Der Wirtschaftskrise entgegenwirken
Auch Einfallsreichtum ist gefragt. So präsentiert und verkauft Frilo neben den altbewährten Babystrickwaren neue Produkte für Damen und Herren an Fachausstellungen vorwiegend in der Schweiz. Als aktuelle Verkaufsrenner erweisen sich Schals und Ponchos mit passenden Armstulpen und Mützen. Hergestellt werden auch sie wie die traditionellen Artikel ausschliesslich aus Naturfasern wie Merinowolle oder Baumwolle. Trotz eindrücklichen 60 bis 70 Prozent exportierten Waren in verschiedene Staaten der EU sowie nach Japan, China und Taiwan will sich das Emmentaler Unternehmen nun wieder vermehrt auf den Schweizer Markt konzentrieren. «Momentan können wir der Schweizer Wirtschaftskrise entgegenwirken, indem wir den Frankenkurs möglichst umgehen», sagt Mauro Vietri-Loosli. «Aber wenn es uns gelingt, den heimischen Markt auszubauen, profitieren wir sogar von unserer harten Währung. Was wiederum unser Weiterbestehen sichert.»

Die eingespannte Merinowolle aus Norditalien ist bereit zur Verarbeitung. Links-links-Maschen sind das Frilo-«Markenzeichen». Diese Strickart gibt dem Material die nötige Elastizität. Die vollautomatische Strickmaschine im Hintergrund ist computergesteuert. Die einzelnen Teile werden mit einer Maschine zugeschnitten. Zuschneiderin Birgit Preckel spannt den fertigen Strickstoff in Lagen auf dem Nageltisch, damit sie die Schnittmuster aufzeichnen kann. Halbfertige, doppelt gestrickte Mänteli liegen zur Weiterverarbeitung bereit. Näherin Heidi von Wartburg bereitet die Arbeit Spass. Auch Knöpfe anzunähen. Die Näherinnen arbeiten im hellen Produktionsraum. Patrizia Vietri-Loosli trägt einen Poncho aus der eigenen Kollektion. Sie hilft auch im Lager mit. Erika Lichtensteiner, Bürofachfrau, bespricht mit Patrizia Vietri-Loosli die anfallenden administrativen Arbeiten. Patrizia und Mauro Vietri-Loosli stellen eine Lieferung für den Spediteur bereit.

Die Zukunft für das Familienunternehmen, in dem auch noch der ehemalige Firmenbesitzer Kurt Loosli mitarbeitet, sieht tatsächlich gut aus. Frilo verarbeitet jährlich 2000 bis 3000 Kilo Wolle und Garne. Um fristgerecht zu produzieren, besitzt Frilo hochleistungsfähige, computergesteuerte Strickmaschinen. Mauro Vietri-Loosli programmiert, überwacht und wartet sie. Nach wie vor ist aber zusätzlich viel Handarbeit angesagt. Mitarbeiterinnen schneiden die gestrickten Bahnen zu, nähen sie zusammen, verpacken und verschicken sie. Patrizia Vietri-Loosli entwirft die Kollektionen und bestimmt die Strickart. Sie packt, wie auch ihr Mann, überall dort an, wo Not am Mann ist. So helfen die beiden bei der Kontrolle und beim Einpacken der Ware und in der Spedition. «Wir sind uns für keine Arbeit zu schade. Um zu bestehen, müssen wir flexibel sein und immer wieder unseren Durchhaltewillen unter Beweis stellen», sagt Patrizia Vietri-Loosli. Um alle Herausforderungen zu meistern und Kraft zu schöpfen, verbringt das Ehepaar zusammen mit seinem 13 Monate alten Töchterchen Adelia so viel Zeit wie möglich in der Natur. «Wir spazieren, wandern, schlitteln und fahren Ski», sagt Patrizia Vietri-Loosli und ergänzt: «Das gibt uns die nötige Kraft und frische Inspirationen.»

Bewegte Firmengeschichte
Fritz Loosli gründet 1927 die Einzelfirma Frilo für Damen-, Herren- und Kinderstrickwaren. Die Firmenbezeichnung setzt sich aus dem Vor- und Nachnamen des Gründers zusammen (FRItzLOosli). 1934 ersetzt er die mechanische Strickmaschine durch elektrisch betriebene. In den Folgejahren expandiert die Firma bis Ende der 1950er-Jahre. Mitte der 1970er-Jahre gibt die Firma dem Druck der ausländischen Konkurrenz nach: Sie stellt die Produktion ein. 1977 bauen Sohn Kurt Loosli und seine Ehefrau Antonietta Loosli das Geschäft wieder auf. 2008 übergeben sie das Zepter an Tochter Patrizia und deren Ehemann Mauro Vietri-Loosli, die fortan auf computergesteuerten Strickmaschinen produzieren. Seit 2013 betreibt das Ehepaar Vietri-Loosli die Frilo als Aktiengesellschaft.