30.07.2015
FOTOS UND TEXT: Katja Imme
Christoph Jungen, 38, Hilfstierpfleger im Wildnispark Zürich Langenberg.

Christoph Jungen geht jeden Tag voller Freude zur Arbeit in den Wildnispark.

Arbeiten mit IV-Rente

«Bei Tieren bin ich wirklich glücklich»

Christoph Jungen hat nach Jahren im geschützten Rahmen selbst den Weg zurück in den ersten Arbeitsmarkt gesucht – und gefunden. Er ist dankbar, froh und stolz, heute als Hilfstierpfleger im Wildnispark Zürich Langenberg zu arbeiten.

«Das ist Max, unser Kater. Der gehört zum inoffiziellen Inventar. Er hält die Mäuse fern», sagt Christoph Jungen. Es riecht vertraut nach Heu und Silage, ein vorwitziger Spatz erhascht Brotkrümel und Mais vom Boden. Seit 6.45 Uhr ist der Geschäftige in der Halle des Betriebsgebäudes, seinem Arbeitsplatz im Wildnispark Langenberg. Die Futterration für seine Schützlinge ist so gut wie parat, noch bevor der offizielle Dienst um 7.30 Uhr beginnt: «Ich lasse mir gern Zeit bei der Arbeit, denn Zeitdruck und Stress vertrage ich nicht gut. Das ist eines meiner grössten Handicaps.»

3 Steinböcke, 2 blicken den Betrachter an

Tierpark Langenberg

Der Tierpark Langenberg gehört zur Stiftung Wildnispark Zürich. Gegründet 1869, ist er der älteste Schweizer Tierpark. Die naturnahe und artgerechte Tierhaltung ist seine oberste Maxime. Hier leben einheimische und ehemals einheimische Wildtiere: Murmeltiere, Steinböcke, Braunbären, Damhirsche, Elche, Feldhasen, Luchse, Przewalskipferde, Rehe, Rotfüchse, Rot- und Sikahirsche, Wildkatzen, Wildschweine, Wisente und Wölfe. Die Stiftung Wildnispark Zürich betreut neben dem Tierpark Langenberg auch den Naturerlebnispark Sihlwald mit einem Besucherzentrum. Der Wildnispark ist an 365 Tagen im Jahr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Der 38-Jährige hat einen flotten Schritt drauf – trotz seines offensichtlichen Gehfehlers –, während er den Handwagen mit Harassen voller Heu und zwei Futterkisten zieht. Die grüne Kiste ist für das Damwild, die rote fürs Steinwild. «Ich bin seit gut vier Jahren für dasselbe Revier zuständig. Das macht mir gar nichts aus, denn ich bin megahappy, überhaupt hier arbeiten zu können», bekräftigt er. Der Wildnispark Zürich Langenberg ist gefragt, nicht nur bei Besuchern: Ausbildungs- und Zivildienstplätze sind bis 2016 ausgebucht.

Keine Selbstverständlichkeit
«Dass ich im Wildnispark arbeiten darf, ist nicht selbstverständlich», ist sich Christoph Jungen bewusst. Sauerstoffmangel bei der Geburt ist vermutlich schuld an seiner Lernschwäche. «Ich habe schon immer gespürt, dass ich langsamer bin als andere. Deshalb ist aus meiner Ausbildung im Gartenbau nur eine Anlehre geworden.» Um seine finanziellen Angelegenheiten kümmert sich zurzeit eine Beiständin.
Viele Dinge gleichzeitig verarbeiten überfordert ihn. «Darum habe ich den Versuch abgebrochen, einen Führerschein zu machen.» Wegen der Schlafapnoe – kurze Atemaussetzer während des Schlafs, die zu Müdigkeit am Tag führen – trägt er nachts eine Atemmaske. Die Fehlstellung am linken Fuss macht ihm weniger zu schaffen.

Vor rund zehn Jahren bekommt er eine schwere Depression. Er lebt über Jahre in einem Wohnheim und einer geschützten Wohngemeinschaft und erhält schlussendlich eine 100-prozentige IV-Rente zugesprochen.
«Ich wollte unbedingt wieder in der freien Wirtschaft arbeiten. Auf dem zweiten Arbeitsmarkt fühlte ich mich nie ganz vollwertig. Ich zeige zum Beispiel höchst ungern meinen IV-Ausweis.» Durch einen Flyer erfährt Christoph Jungen von einem Wiedereingliederungsprogramm – und bemüht sich selbst darum. «Ich bin Cristina Ricciardi von der Helena Frey Stiftung zutiefst dankbar. Für deren Tierheim führte ich schon vorher regelmässig Hunde aus. Sie hat damals gegenüber der IV meine Qualitäten im Umgang mit Tieren bestätigt. Ihre Referenz war ausschlaggebend für die Richtung der Wiedereingliederung», meint er.

«Jedem von uns würde etwas fehlen, wenn Christoph nicht mehr in unserem Team wäre.»

Urs von Riedmatten, Leiter Betrieb Tiere, Wildnispark Zürich Langenberg

Urs von Riedmatten, Leiter Betrieb Tiere im Wildnispark Zürich Langenberg und damit Christoph Jungens Chef, erinnert sich, als sei es gestern gewesen: «Dass wir Christoph ein Praktikum angeboten haben, hat er seiner Betreuerin vom Wiedereingliederungsprogramm, Beate Kohl, zu verdanken. Sie hat sich sehr hartnäckig für ihn eingesetzt.» Und der Kandidat erntet Lob: «Dass wir Christoph am Ende eingestellt haben, hat er sich selbst zu verdanken. Uns überzeugte vor allem seine aufgestellte Art, seine ansteckende Freude. Er hat eine aussergewöhnlich gewinnende Art, ist offen und positiv. Zudem ist er sehr zuverlässig.»

Wichtiger als Christoph Jungens Arbeitsleistung war seine Arbeitseinstellung. «Er darf mehr Zeit brauchen für seine Aufgaben als andere, gelernte Tierpfleger. Aber in der Tat hätte es nicht gereicht, wenn nur ich ihn gewollt hätte. Die Geschäftsleitung stand hinter der Entscheidung, das Team trug sie auch», betont Urs von Riedmatten.

Scheues Damwild
Die Hirsche suchen das Weite, als Christoph Jungen zielstrebig das Gatter zum Gehege öffnet. «Als ich aus den Ferien zurückkam, hat es eine Weile gedauert, bis sie mich wiedererkannt haben. Aber scheu sollen sie bleiben, sie sind schliesslich Wild- und keine Haustiere. Deswegen verbietet es sich auch, sie zu berühren», sagt er.

In Windeseile zählt er nach; 17 Tiere müssen es sein. «Das ist einfach,solange die Gruppe gesprengt ist. Wenn eines erkrankt ist, müssen wir uns sofort darum kümmern. Wenn es aus Altersschwäche gestorben ist, verfüttern wir es an unsere Raubtiere, zum Beispiel die Luchse. Das entspricht der Natur. Daran muss ich mich gewöhnen, immer wieder.»

Mit blossen Händen durchwühlt Christoph Jungen gründlich das Heu in der Krippe. «Ich kontrolliere, ob etwa schon Schimmel darunter ist. Befallenes Heu sortiere ich aus», erklärt er, bevor er neues mit der Gabel einschaufelt. Das Gras spriesst, Heu ist deshalb weniger gefragt bei den Damhirschen.

Beim Kontrollgang durchs Gehege blitzen bunte Fremdkörper auf: Tetrapaks, PET-Flaschen, Papier. «Ich sammle hier jeden Tag Müll ein. Sogar gebrauchte Windeln waren schon darunter. Leider gibt es Menschen ohne Anstand und Kultur», sagt er enttäuscht.

Neugieriges Steinwild
Die Steinböcke leben in unmittelbarer Nachbarschaft und sind schon von weitem zu sehen. «Wir reden von Steinwild, mit Steinbock meinen wir das Männchen. Die Weibchen nennen wir Geissen, die Jungen sind die Kitze. Wenn eines dazugekommen ist, merke ich das, auch ohne zu zählen. Die Gruppe ist dann aufgeregter, das Muttertier nervöser. Weil ein Steinkitz nicht sofort nach Geburt laufen kann, bewacht die Mutter es», sagt Christoph Jungen.

Neugier besiegt die Angst. Die gehörnten Tiere kommen auf zwei Meter heran, stürzen sich freudig auf die mitgebrachten Äste. Diese sind weniger Knabber- und Spielzeug, sondern Kratzmittel. «Ich binde sie an dem Baumstamm fest, damit die Tiere ihre juckenden Hörner und Stirnen daran reiben können», begründet er die Knoten, die er ins Seil schlingt. Zweige, Äste, gar kleine Baumstämme finden sich genug auf dem 80 Hektar grossen Gelände des Wildnisparks mit seinem Mischwald aus Buchen, Pappeln, Fichten und Lärchen. «Ich habe über zehn Jahre im Gartenbau gearbeitet. Mit dieser Erfahrung kann ich mich hier sehr nützlich machen», ergänzt Christoph Jungen stolz.

Kater Max ist dem Wildnispark zugelaufen. Er ist zutraulich, aber seine klare Favoritin unter den Tierpflegerinnen ist diejenige, die ihn füttert. Täglich leert und putzt Christoph Jungen gründlich die Tränken und Brunnen. Langsam fliesst das Wasser nach. «Schneller muss es auch nicht. Wasser kostet ja auch Geld. Heutzutage ist ja eh nichts mehr gratis, oder?» Nachdem er in der Schweiz im vorletzten Jahrhundert ausgestorben war, konnte der Steinbock durch Einfuhr aus Italien in den Schweizer Alpen erfolgreich wieder angesiedelt werden. Seit 1948 lebt eine Herde im Wildnispark. Damit die Jungtiere nicht unter dem Zaun durchschlüpfen, legt Christoph Jungen im Frühling Baumstämme vor die Lücken. Die Hinweise sind eindeutig. «Das Füttern sollen die Besucher den Tierpflegern überlassen. Die wissen es einfach am besten. Als Laie weiss man gar nicht, welchen Schaden man anrichten kann.» «Die Fohlen der Wildpferde sind so zutraulich, dass sie sich von mir sogar streicheln liessen. Aber ich bin ja nicht zum Streicheln hier, sondern zum Arbeiten.» Es ist wichtig, dass der Spielplatz jeden Tag gereinigt wird. Auch hier lassen Leute immer wieder Müll liegen, obwohl dafür Kübel bereitstehen. «Die Liebeserklärung lassen wir ausnahmsweise unberührt.» Die Huftiere wie Dam-, Sika- und Rothirsche, Steinböcke, Geissen und Wildpferde können sich an solchen Geleck-Steinen selbständig mit Salz und Mineralien versorgen. Die Damhirsche wissen, dass sie dank des Zauns vor dem Menschen sicher sind. Christoph Jungen verabschiedet sich zum Feierabend von ihnen. «Mindestens fünf verschiedene Schlüssel habe ich im Griff: einen für die Betriebshalle, einen für den Schopf bei den Munggen, einen für die Tore zu den Gehegen und zwei für die verschiedenen Abfallkübel.» Das ist die Ausbeute eines einzigen Rundgangs im Damwildgehege, der täglich stattfindet. Dabei ist der Zaun über zwei Meter hoch. Von selbst können die Sachen nicht ins Gehege fliegen. Seit einem halben Jahr führt Christoph Jungen Luna vom Tierheim in Rümlang spazieren. Ab September wird sie ein neues Frauchen haben. «Ich freue mich mit jedem Hund, der vermittelt wird, auch wenn ich mich in diesem Moment von ihm verabschieden muss.»
Fotos: Katja Imme

Im Unterschied zum Hirschgehege wird bei den Steinböcken gemistet. «Immer dienstags spritze ich das felsige Gelände mit dem Wasserschlauch ab. Das ist meine Lieblingsarbeit – wegen der putzigen Zuschauer», sagt er amüsiert. «Steinböcke sind zu meinen Lieblingstieren geworden. Und das nicht, weil ich selbst Steinbock als Sternzeichen bin. Mir gefällt ihr Sozialverhalten, denn alle Mitglieder des Rudels sind umeinander besorgt. Erst kürzlich habe ich gesehen, wie die Kitze auf dem Felsen herumturnten, wobei nur ein einziges Muttertier dabeistand, um auf die Jungen aufzupassen», erzählt er.

«Der Einzige, der einen Namen trug, war ein über 20-jähriger Bock, der inzwischen verstorben ist. Wir nannten ihn Harley. Klar, warum, oder?», fragt er, während er sorgfältig den Schlüssel im Schloss der Pforte dreht.

Spielplatz und Wege putzen
Gewissenhaft prüft er nochmals, ob alle Tore nicht nur zugezogen, sondern verschlossen sind, bevor er sich mit Schubkarre, Besen, Rechen und Schaufel in Richtung Spielplatz aufmacht. «Die Wege und den Spielplatz bringe ich täglich in Ordnung. Die Mülleimer leere ich bei Bedarf. Wir sind schliesslich Gastgeber, bekommen viel Besuch von Schulklassen.» Die aus Stöckchen in den Kies gelegte Liebeserklärung verschont er bewusst.

Die Futterküche
Der Spaziergang zurück zum Betriebsgebäude ist eine willkommene Auszeit. Bis zur Mittagspause bleibt noch Zeit. Beim Gebäude angekommen, schaut er immer wieder auf den Futterplan an der Wand.

Der gibt die aktuellen, täglichen Rationen für die verschiedenen Tiere im Langenberg vor: Wildschweine, Elche, Wisente bis hin zu Murmeltieren und Kaninchen. Christoph Jungen schleppt schwere Säcke mit Pellets aus Zuckerrüben und Affenbrotbaumrinde herbei, wiegt behutsam, aber routiniert Mais und Kraftfutter, misst sorgfältig Büchsen mit Haferflocken ab.
Der Schredder häckselt Gemüse und altes Brot, was das Zeug hält. Mit einer Hand vermengt der «Souschef» die Zutaten in der Kiste geschwind zu ansprechenden Portionen.

Mittagessen

Nicht nur die Tiere wollen satt sein, auch deren Pfleger bekommen Hunger von der körperlichen Arbeit. Eine feste Zeit gibt es nicht, alle trudeln nach und nach ein. Christoph Jungen steckt – wie oft – ein Convenience-Nudelgericht in die Mikrowelle. «Ich wäre ein Angeber, wenn ich behauptete, ich könne gut kochen. Für mich allein zu kochen, macht mir keinen Spass. Damals in der WG hatte ich Freude daran. Wir haben immer abwechselnd füreinander gekocht. Klar, wenn ich eine Freundin hätte, würde ich sofort einen Kochkurs machen.»

Es ist aussergewöhnlich still im Aufenthaltsraum. Unter den Augen eines ausgestopften Steinbocks stöbern die Kollegen in ihren Smartphones oder Gratiszeitungen. Sind Tierpfleger schweigsamer als andere Menschen, weil sie den ganzen Tag als Einzelgänger unterwegs sind? «Kann schon sein. Für mich gilt das weniger. Mir ist es sehr wichtig, unter Menschen zu sein. Ich habe aus meiner Depression gelernt, besser zu kommunizieren, zu äussern, wenn mir etwas nicht passt», sagt er.

Wilder Osten

Nach dem Mittag schnappt er sich erneut Schaufel und Gabel. Mit einem herzlichen «Salü» begrüsst er die Przewalskipferde. Dem aufmerksamen Mann entgeht nicht, dass der Draht nicht unter Strom steht, wie er sollte. Er korrigiert den Fehler sofort. Die benachbarte Jurte verweist auf die Herkunft der Wildpferde, die Mongolei. Dort werden sie Takhi genannt, was heilig bedeutet. Die sogenannte Haremsgruppe aus Leithengst, Stuten und Fohlen erwartet kein Futter. Den Ausmister behalten die Rösser trotzdem gespannt im Blick, kommen nur zögerlich näher.

«Die Wildpferde faszinieren mich mit ihrem Gesichtsausdruck. Der wirkt auf mich so fröhlich. Ich bin sowieso überzeugt, dass Tiere eine Seele haben. Sie fühlen ähnlich wie wir, können sogar trauern.»

Der Weg zu den Elchen führt an der Jurte vorbei. Ein Wespenschwarm versucht, sich ausgerechnet in ihrem Inneren ein Nest zu errichten. Ein Kollege rückt an, um das Malheur zu verhindern.

Die Elche erhalten ihr Futter auf zwei Portionen täglich verteilt, damit ihr Wiederkäuermagen nicht überlastet wird. Sie wissen, dass jetzt Zeit fürs Abendessen ist, und kommen ihrem Tierpfleger bereits entgegen.

Christoph Jungen, 38, Hilfstierpfleger im Wildnispark Zürich Langenberg

«Der Mensch sucht doch Bestätigung und Anerkennung. Ich jedenfalls brauche die Vorfreude auf die Arbeit.»

Christoph Jungen

Christoph Jungens Nachmittage folgen keinem festen Plan. Aber kaum ist er mit einer Arbeit fertig, fragt er seinen Chef, wem er behilflich sein kann. Das reicht von Füttern, Misten über Gartenarbeiten bis zum Putzen der Kleintiergehege. Auch Handwerksarbeiten für den Unterhalt gehören dazu oder Vorbereitungen für das Verladen von Tieren. Morgen wird ein Elch in einen anderen Tierpark umziehen. Christoph Jungen hilft, eine Stellwand zu verrücken, damit der Elchbulle in den Transporter gelenkt werden kann.

Glück bei und mit Tieren
Er hat schon vieles probiert – war aktiv in der Jungschar, hat Freiwilligenarbeit bei der Heilsarmee geleistet, sich politisch eingesetzt. Nirgends fühlt er sich so gut aufgehoben wie bei den Tieren. «Bei denen bin ich wirklich glücklich», sagt er. Deshalb sucht er selbst in seiner Freizeit die Nähe zu Tieren. Neben seinen Einsätzen als Hundespaziergänger im Tierheim Rümlang hilft er seit etwa einem Jahr bei der Susy Utzinger Stiftung, die sich schweizweit für Tierschutz einsetzt. «Dort treffe ich nette Leute. Ich geniesse den Zusammenhalt unter Gleichgesinnten. In erster Linie geht es mir aber darum, dass ich den Tieren nützen kann.» Dabei macht der Tierfreund keinen Unterschied zwischen bezahlter und unbezahlter Arbeit. «Auch in der Freiwilligenarbeit engagiere ich mich, als sei sie mein Job. Ich gebe immer mein Bestes. Das bin ich den Tieren doch schuldig, oder?», fragt er rhetorisch.

Christoph Jungen muss aufpassen, dass er sich nicht zu viel zumutet. «Mein Chef hat recht, wenn er mich ermahnt, mich an den freien Tagen auch mal auszuruhen. Ich nehme mir das zu Herzen, denn ich bin dankbar, dass er so gut zu mir schaut», sagt er. Ein Zug, den sein Chef besonders an ihm schätzt. «Christoph nimmt Kritik sehr gut an, wenn sie von Menschen kommt, zu denen er Vertrauen gefasst hat», so Urs von Riedmatten.

Glücklich bei der Arbeit
Christoph Jungen arbeitet in einem 80-Prozent-Pensum als Hilfstierpfleger im Wildnispark Zürich Langenberg. Seine IV-Rente wird um den Verdienst daraus gekürzt. Für ihn geht das in Ordnung – und er meint, für andere auch: «Ich bin überzeugt, dass über 90 Prozent der IV-Bezüger gern arbeiten würden. Das entspricht jedenfalls meiner Erfahrung mit denjenigen, die mir in der WG oder im Wiedereingliederungsprogramm begegnet sind. Der Mensch sucht doch Bestätigung und Anerkennung im Leben. Ich jedenfalls brauche die Vorfreude auf die Arbeit, wenn ich morgens aufstehe.»

Elchmutter und -Kind fressen im Wildnispark Zürich Langenberg Äste und Zweige.
Im Sommer sollten die Elche viele Weidenbüsche fressen. Davon gibt es jedoch immer weniger.

Die Freude ist auf beiden Seiten. Sein Chef, Urs von Riedmatten, möchte auf Christoph Jungen nicht verzichten. «Wenn Christoph pfeifend über den Flur geht, zaubert mir das sofort ein Lächeln ins Gesicht. Er ist persönlich eine enorme Bereicherung für das Team. Jedem von uns würde etwas fehlen, wenn er nicht mehr da wäre.»

Obwohl in Eile, stoppt die Geschäftsführerin der Stiftung Wildnispark Zürich, Karin Hindenlang, den Betriebswagen im Vorbeifahren auf dem Weg zum Besucherzentrum. Sie lässt sie es sich nicht nehmen, ihre Begeisterung für den aussergewöhnlichen Mitarbeiter mitzuteilen. «Den Christoph geben wir nicht mehr her», ruft sie aus dem Wagen heraus.

Seine grösste Sorge ist, eines Tages nicht mehr im Wildnispark arbeiten zu können. «Ich möchte meinen Job immer gut machen. Schwer krank werden sollte ich nicht», sagt er besonnen, während er zum Feierabend den Boden des Betriebsgebäudes fegt. Eimer, Kisten und Harassen mit dem Futter für den nächsten Tag stehen bereits in Reih und Glied. Er deckt sie ab, verschliesst die Vorratssäcke, «damit sich nicht Vögel oder Mäuse daran bedienen».

Christoph Jungen, 38, wächst mit einer Schwester und einem Bruder und seiner Mutter in Graubünden auf. Nach einer Anlehre im Gartenbau arbeitet er über zehn Jahre in diesem Metier. Infolge einer schweren Depression steht ihm eine 100-prozentige IV-Rente zu. Trotzdem verdient er sich einen Grossteil seines Einkommens selbst – mit einem 80-Prozent-Pensum als Hilfstierpfleger im Wildnispark Zürich Langenberg.