10.08.2015
FOTO UND TEXT: Hakan Aki

Raphaela (l.) und Delilah Bolzern sind seit vier Jahren selbständige Fotografinnen.

Fotoshooting

Die Unzertrennlichen

Raphaela und Delilah Bolzern, besser bekannt als die «Bolzern-Twins», sind Fotografinnen aus Leidenschaft. Bei einem Shooting für ein Modemagazin geben die beiden einen Einblick in ihre Arbeit. 

Alles ist farblich aufeinander abgestimmt. An der Wand neben dem Eingang steht ein lilafarbener Kühlschrank, davor ein weisser Tisch mit drei Barhockern. Dreht man sich nach rechts, findet man sich in der Sitzecke wieder. Weisses Sofa mit passendem Tisch. Darunter ein Platzteppich in Lila. Es handelt sich um das Fotostudio der Bolzern-Zwillinge Raphaela und Delilah Bolzern. Raphaela ist eine Minute älter als Delilah. Also sozusagen «die grosse Schwester». 

Die beiden eineiigen Twins aus Luzern sind seit knapp vier Jahren selbständig als Fotografinnen tätig und haben ihr eigenes Studio in Cham (ZG). Für Magazine wie «Schweizer Illustrierte» oder «Maxim Schweiz» haben die beiden schon fotografiert. Daneben werden sie gelegentlich als Models angefragt.

Die Models warten auf ihren Einsatz. Foto: Hakan Aki

Während andere Urlaub machen, stehen die beiden heute im Studio und bereiten sich auf den Auftrag für das neue Schweizer Modemagazin «nuicons» vor. Für die zweite Ausgabe im September sollen «Hair/Beauty»-Fotos gemacht werden. «Urlaub machen wir dieses Jahr nur sporadisch.» Im nächsten Frühling sieht es dann besser aus. Dann nämlich heiratet ein Kollege der beiden, und Raphaela und Delilah sind als Fotografinnen gebucht. «Wir können Arbeit und Ferien miteinander verbinden. Aber erst einmal gilt die Konzentration auf den Job», freut sich Delilah.

Fotografinnen

Die «Bolzern Twins»Video: Hakan Aki

Bindung und Beziehungen 

10.30 Uhr: Alles ist parat. Eigentlich könnte das Shooting beginnen. Die vier Models, der Hairstylist, die Visagistin und der Auftraggeber sind bereit. Doch plötzlich die Hiobsbotschaft: Der zweite Visagist, der für heute gebucht war, sagt kurzfristig ab. Raphaela und Delilah hängen sich kurzerhand ans Telefon und kontaktieren Visagisten, die sie von früheren Aufträgen kennen. Dabei sind sie die Ruhe selbst. 

«Wir ergänzen uns sehr gut und sind ein eingespieltes Team», sagt Delilah. «Beruflich und privat haben wir eine sehr enge Beziehung. Die Bindung der beiden geht so weit, dass sie sich gegenseitig mehrmals täglich anrufen oder Kurznachrichten schreiben, wenn sie sich ein paar Tage nicht sehen. Dass Zwillinge unzertrennlich sind, scheint sich am Beispiel der «Bolzern-Twins» zu bestätigen. 

Obwohl die beiden zusammenhängen wie «Pech und Schwefel», gibt es doch Tabus. Eine Beziehung mit dem Ex-Partner der anderen ist undenkbar», sagt Raphaela. «Es gibt Typen, die zur anderen gehen, wenn sie von der einen einen Korb bekommen. Das geht gar nicht», warnt Delilah die Männerwelt. Der Smalltalk wird durch ein Klingeln an der Tür unterbrochen. Der Ersatzvisagist steht in den Startlöchern.

Während sich Raphaela um die Outfits der Models kümmert, bringt Delilah die Kamera in Position und bestimmt die Lichtquelle für die vier Schönheiten, die heute im Fokus stehen. Eine Blondine, eine Rothaarige, eine schwarzhaarige Asiatin und eine Braunhaarige sind die Protagonistinnen des Tages. Fotografiert wird vor einer weissen Wand. Delilah klebt die Standleuchten mit orangefarbigen Folien ab. «Damit erzeuge ich einen farbigen Hintergrund. Auf die Lichtquelle lege ich ein besonderes Augenmerk. Wenn die stimmt, muss ich das Bild weniger bearbeiten.» 

Raphaela fügt hinzu: «Im Gegensatz zu manch einem Berufskollegen arbeiten wir möglichst wenig mit dem Photoshop-Programm, mit dem die Bilder im Nachhinein retuschiert und bearbeitet werden.» Während Raphaela die letzten Handgriffe an der Kamera vornimmt, wird im Nebenzimmer gebürstet und gemalt. Zwei Leute arbeiten an einem Model. Der Hairstylist kämmt eine schwarze Perücke, die dem Model mit asiatischem Look aufgesteckt werden soll. Gleichzeitig streicht die Visagistin dem Mädchen die Fingernägel. 

Weniger ist mehr

Das erste von vier Fotomodels ist nun gestylt für die Aufnahmen. «Stell dich bitte auf das Podium vor dir, beug den Kopf zur Seite und schau in die Kamera.» Raphaelas Anweisungen sind klar. «Klick, klick», ertönt es, wie aus der Pistole geschossen. 

Während der Fotoabfolge kontrolliert Delilah das Ergebnis auf dem Bildschirm des Computers, der mit der Kamera verbunden ist. Hairstylist, Make-up-Verantwortliche und Auftraggeber, alle stehen nun im Halbkreis vor dem Computer und begutachten das Resultat. «Das Licht ist zu hell», sagt die eine. «Die Pose könnte noch ein wenig ausdrucksstärker sein», meint der andere. 

 Eine Diskussion um das beste Bild entfacht. «Uns als Fotografinnen ist es wichtig, dass uns der Auftraggeber klar sagt, was ihm gefällt und was nicht. Nur so können wir detailliert auf seine Wünsche eingehen», sagt Delilah. Nach kurzer Beratung stehen die Fotos für das Magazin fest. Der Auftraggeber hat sich entschieden. 

Die Bolzern-Zwillinge machen nicht viele Fotos. «. Am Ende des Tages wird sie um die 140 Fotos geschossen haben, von denen es insgesamt sieben bis zehn ins Modemagazin schaffen sollen. «Wir arbeiten nach dem Prinzip ‹Weniger ist mehr›», lacht Delilah, während sie die Lichtquelle für die nächste Aufnahme positioniert.

Delilah Bolzern bei der Arbeit Foto: Hakan Aki

Fotografinnen von Kindesbeinen an

Den beiden Zwillingen ist der Spass an ihrem Beruf sichtlich anzumerken. Obwohl es zeitweise stressig zugeht, haben die beiden immer ein Lächeln im Gesicht. «Habt ihr genügend zu trinken? Sonst nehmt euch aus dem Kühlschrank, was ihr trinken wollt», rufen sie ihren Gästen zu. Aus dem Hintergrund ertönt Musik, zu der sich die Models bewegen. Die Stimmung ist freundschaftlich, ja mehr noch: familiär.

Ihren Beruf, den die beiden Zwillinge als ihren Traum bezeichnen, haben sie in die Wiege gelegt bekommen. «Schon unser Papi war Fotograf, und wir halfen ihm ab und zu im Studio», erzählt Delilah. 

 Nach einem zweijährigen Studium an der Kunstschule Luzern und erfolgreicher Arbeit als Model entschieden sich die beiden vor knapp vier Jahren für die Selbständigkeit. «Die Kunstschule hat uns geholfen, herauszufinden, in welche Richtung wir gehen wollen.» Danach haben die zwei eine vierjährige Ausbildung zur Fotografin absolviert. «Wie in jedem Beruf waren auch bei uns die Anfangsjahre sehr schwierig», erzählt Raphaela.

«Während dieser Zeit war es ein grosser Vorteil für uns, neben dem Fotografieren auch als Model und Visagistin arbeiten zu können. So haben wir uns ein Umfeld aufgebaut, auf das wir heute zurückgreifen können», geben sich die beiden dankbar. Heute sind die Zwillinge eine feste Grösse in der Schweizer Glamourszene. Ob Ex-Missen wie Kerstin Cook, Musiker wie DJ Antoine oder auch Sportler aus diversen Sparten: Alle hatten die Bolzern-Twins schon vor der Linse. «Unser Ziel ist es, uns auch im Ausland einen Namen zu erarbeiten», so Delilah.

Auch Zwillinge können manchmal alleine 

Insbesondere wenn Raphaela und Delilah Bolzern als Models oder Visagistinnen im Einsatz sind, nehmen sie den Auftrag getrennt voneinander wahr. «Jeder Fotograf hat einen Assistenten. Uns gibt es meist im Doppelpack. Aber wenn wir als Models angefragt werden, dann können wir für ein paar Stunden auch alleine sein», lacht Delilah. 

Mittlerweile ist es 14.45 Uhr und Halbzeit in Cham. Zwei von vier Models haben bereits Feierabend. Für die anderen geht es munter weiter. Dass die Zwillinge Perfektionistinnen sind, merkt man daran, dass sie mit Hilfe einer Schaufensterpuppe das Licht ausrichten, bevor sie das nächste Model vor die Linse holen. 

Je nach Outfit der Mädchen wird der passende Hintergrund gewählt. Wieder heisst es Folie wechseln. Plötzlich ruft Delilah Raphaela zu: «Lass die grüne Folie kleben, das harmoniert mit ihrem Kleid und ihrem Teint.» Zwillinge können also auch anderer Meinung sein. «Jetzt, wo du es sagst, finde ich Grün auch passender als Blau als Hintergrund», stimmt Raphaela zu. Das Gleichgewicht ist wiederhergestellt. 

Wieder braucht es wenige Einstellungen, bis die Bilder im Kasten sind. Den Feierabend gegen 16 Uhr hätten sich die beiden verdient. Aber noch ist es nicht so weit. Nach getaner Arbeit geht es jetzt nämlich an die Auswahl des Materials, die die Zwillinge zusammen mit dem Auftraggeber vornehmen. Bis zum nächsten Tag will dieser die Fotos für das Magazin auf seinem Schreibtisch haben. 

Doch die nächste Erholungsphase für die beiden Schwestern kommt bestimmt – spätestens im Mai 2016 auf Ibiza. Denn neben der Hochzeit des gemeinsamen Freundes feiern die Twins dort ihren 30. Geburtstag. So ist es zumindest geplant.