10.12.2015
FOTOS UND TEXT: Fredy Stäheli

Katerina Stregl umgeben von ihren Werken im Atelier in Wagen.

Die Bildhauerin

Die Steine sprechen lassen

Katerina Stregl schafft archaisch wirkende Installationen. Nach einer fünfjährigen Ausbildung an der Zürcher Hochschule der Künste hat sie das Steinmetzhandwerk erlernt. Sie lebt von der Kunst.

Der Ort, an dem Stregl arbeitet, ist unscheinbar. Es ist eine Scheune eingangs des sanktgallischen Dorfes Wagen, das heute zu Rapperswil-Jona gehört. Nur ein paar grosse Steine an der Scheunenwand sind diskrete Hinweise, dass hier eine Bildhauerin am Werk ist. Seit knapp zwei Jahren hat die Künstlerin hier ihr Atelier. Zuvor hatte sie während vieler Jahre ihren Werkplatz vor einem Bauernhaus in Altendorf.Eigentlich greift Katerina Stregl lieber zu Hammer und Meissel, als über ihre Kunst zu reden, doch sie hat sich einen Nachmittag reserviert, um über ihr Schaffen zu sprechen und Einblick in ihre Tätigkeit als freischaffende Künstlerin und Bildhauerin zu geben.

Zurzeit arbeitet sie an einem mehrteiligen Projekt mit dem Titel «Black Flowers». Es handelt sich um grosse, schalenartig wirkende Steine, die aus einem harten, widerspenstigen Kalkstein herausgemeisselt sind. Dieser Stein lässt sich nur schwer bearbeiten. Doch die Künstlerin liebt solche Herausforderungen. Denn es braucht hier eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Material, als es beim vergleichsweise viel leichter zu gestaltenden Sandstein der Fall ist. «Die künstlerischen Ideen kommen mir bei der Bildhauerarbeit», sagt Stregl. «Während ich an einer Skulptur bin, entstehen die Vorstellungen fürs nächste Projekt.»

Eine der kleinformatigen Skulpturen der Künstlerin.

Nur die Form ist klar

Wenn Katerina Stregl vor dem rohen Steinblock steht, weiss sie, wie die Skulptur aussehen soll. Sie macht meistens nur kleine Skizzen. «Klar ist eigentlich nur die Form. Aber wie ich die von mir gewünschte Wirkung erzielen kann, muss ich erst herausfinden.» Die Bildhauerin berücksichtigt dabei die von Stein zu Stein ganz unterschiedliche Struktur des Materials. Und je nach verwendetem Werkzeug bekommt der Stein eine andere Oberflächenbeschaffenheit.
«Ich muss mir auch beispielsweise stets überlegen, wo ich den Stein abschleife und wo ich ihn in seiner Beschaffenheit lasse.» Sie wolle, dass das Wesen des Steins erhalten bleibe, erläutert Stregl. Damit das Eigentliche des Steins erhalten bleibe, brauche es viel Gespür, führt die Künstlerin aus. Sie bezeichnet Stein als lebendiges Material. «Das für meine bildhauerische Intention richtige Material zu finden, gehört zu den Herausforderungen.»

Katerina Stregl

Die Künstlerin wurde 1955 in Prag geboren und siedelte 1968 mit den Eltern in die Schweiz über. Sie besuchte die Kunstgewerbeschule Zürich. Nach dem Abschluss arbeitete sie Werbegrafikerin. Später absolvierte Katerina Stregl eine Bildhauerlehre.
Katerina Stregl erhielt Werksstipendien des Kantons Zürich, ist Preisträgerin der Fondation O. Dubina und der Fontana-Gränacher-Stiftung. Für ihr Projekt «Black Flowers» erhielt sie von der Stiftung Erna & Curt Burgauer des Kunsthauses Zürich einen Projektbeitrag. Diverse Aufträge und Ankäufe erfolgten durch die öffentliche Hand und Private.
Die Bildhauerin war mit Gruppen oder Einzelausstellungen unter anderem im Helmhaus Zürich, im Kunsthaus Glarus, im Seedamm-Kulturzentrum, im Seebad Utoquai Zürich, in der Fontana Gränacher Stiftung und in der Villa Meier-Severini in Zollikon vertreten.

Gestalten im Sommerhalbjahr

Stregl braucht längere Zeitperioden, während deren sie als Künstlerin tätig sein kann. «Eine befreundete Malerin macht während zweier Tage in der Woche die Administration für ein Architekturbüro. Den Rest der Woche ist sie künstlerisch tätig.» Das sei für sie schwierig. Sie entwickle ihre Ideen über einen längeren Zeitraum hinweg und müsse auch bei der Ausführung dranbleiben können.

Wegen des Staubs und der wegsplitternden Steinteile üben Bildhauer ihren Beruf meist im Freien aus. Früher suchte die Bildhauerin deshalb im Winterhalbjahr, wenn die körperliche Tätigkeit draussen zu strapaziös ist, anderweitige Beschäftigung. Vor einigen Jahren war sie in dieser Zeit in einem Werbebüro tätig oder übernahm als Freelancerin grafische Aufträge. Das sei aber in letzter Zeit zunehmend schwieriger geworden. «Die Branche hat sich stark verändert, und auch weil ich jahrgangsbedingt nicht zu den Digital Natives gehöre, habe ich den Anschluss verloren.»

Von künstlerischer Bildhauerei zu leben, ist ein hartes Brot. «In der Schweiz kann nur eine Handvoll ausschliesslich davon leben.» Dazu brauche es schon wiederkehrende grosse Aufträge wie «Kunst am Bau». Katerina Stregl versucht, mit Gelegenheitsjobs über die Runden zu kommen. Leider sind auch diese rar geworden. Unterstützung erhält sie auch durch von Stiftungen gesprochene Projektbeiträge. Zeitweise sind es auch private Darlehen, dank denen sie künstlerisch arbeiten kann und die sie zurückzahlt, wenn ein öffentlicher Auftrag ausgeführt ist.

Kontrapunkt zur beschleunigten Lebenswelt

Die Arbeit von Katerina Stregl ist meditativ, zugleich körperlich und braucht einen langen Atem. «Sie ist eigentlich gerade das Gegenteil der digitalen Welt, in der ja praktisch alles in Sekundenschnelle bereits wieder veraltet ist.» Ihre aus mehreren Skulpturen bestehenden Installationen sind denn auch eher eine Gegenwelt zu Facebook & Co. In ihnen geht es um überzeitliche Themen wie Leben und Tod, Sterben und Geburt oder um elementare Gegensätze wie schwarz und weiss, glatt und roh. Mit ihren intensiv wirkenden Installationen versteht Stregl es, verschüttete archaische Spuren im menschlichen Dasein wieder sichtbar zu machen.

Die Bildhauerin bereitet in der Werkstatt einen Stein für die Bearbeitung vor.