26.11.2015
TEXT: Hakan AkiFOTO: zVg

Der ehemalige Schiedsrichter Urs Meier ist auch als Redner auf der Erfolgsspur.

Neues Spielfeld

Die Karriere nach der Karriere

Nach 27 Jahren und 883 Spielen beendete Urs Meier 2004 seine Laufbahn als Schiedsrichter. Seine Erfahrungen gibt der Aargauer heute als Redner an Führungskräfte weiter. Der «arbeitsmarkt» war bei einem seiner Vorträge in Dällikon dabei. 

«Die Zeit der kurzen Hosen ist vorbei. Jetzt haben wir lange Hosen an», sagte Urs Meier einst über seinen Rücktritt als Schiedsrichter. Seinen Abschied plante er frühzeitig. «Das Jahresende 2004 war für mich der ideale Zeitpunkt. Mit dem Erreichen des 45. Lebensjahres hätte ich nach FIFA-Reglement ohnehin zurücktreten müssen. So hatte ich das Privileg, es selbst zu bestimmen», sagt der mehrfache «Schiedsrichter des Jahres».

Dass Urs Meier eines Tages als Redner vor einem auserwählten Publikum stehen würde, hatte er nicht geplant. «Ich hatte ein eigenes Geschäft mit Küchengeräten und dachte, dass ich es mit meinen 25 Mitarbeitern weiterführen würde.» 

Sein neues Spielfeld ist für heute die Mehrzweckhalle Leepünt in Dällikon. Die beiden Mannschaften sind Führungskräfte aus der Wirtschaft, aber auch Menschen «wie du und ich». Die Anwesenden hören einen Vortrag zum Thema «Entscheidungen treffen». 

Entscheidung: Rot oder Gelb?

Als der Aargauer seine neue Spielwiese betritt, begrüsst ihn die Menge mit Applaus. Als Erstes spielt der ehemalige Referee Szenen vergangener Spiele ein und bittet seine Gäste: «Wenn Sie der Meinung sind, dass es sich bei einer der folgenden Szenen um ein Foul handelt, zeigen Sie entweder die gelbe oder die rote Karte. Diese finden Sie auf Ihren Stühlen. Wenn Sie glauben, dass die Szene kein Foul war, dann heben Sie die Hand.» Meier verlangt von den Führungskräften, die er selbst als «Spielleiter» bezeichnet, Entscheidungen zu treffen. Über seine Berufskollegen sagt er: «Ein Schiedsrichter sieht mehr, als er hört.» 

In seiner neuen Karriere als Redner gibt Urs Meier seine Erfahrungen, die er 27 Jahre auf dem Spielfeld gemacht hat, an Führungskräfte grosser Unternehmen weiter. Immer unter dem Aspekt des respektvollen Umgangs miteinander: «Fair Play» definiert Urs Meier als «vom anderen her denken»: «Sobald ich meinem Gegenüber, also auch der Konkurrenz, mit meinem Tun schade, handle ich unfair.» Auch Urs Meier hat sowohl in seinem Sportler- als auch Privatleben unfaire Entscheidungen getroffen, sagt aber: «Menschen dürfen Fehler machen. Ein Fehler muss nicht gleichbedeutend mit einer Niederlage sein.» 

«Das Wichtigste ist, überhaupt Entscheidungen zu treffen und dazu zu stehen, also die Verantwortung dafür zu übernehmen.» Nach seiner Meinung ist keine Entscheidung zu treffen auch eine Entscheidung, oftmals unbewusst. Mit ruhiger Stimme, aber bestimmt bringt Meier den einen oder anderen mit seinen Aussagen zum Nachdenken. 

 

Urs Meier bringt seine Zuhörer zum Nachdenken. Der Mut zu entscheiden steht im Fokus des Vortrags. Foto: Hakan Aki

Dortmund besser als Bayern?

«Als erfolgreiches Unternehmen müssen Sie als Team auftreten und eine Sprache sprechen», so der erfahrene Redner, der heute seinen 158. Vortrag in diesem Jahr hält. Das alles unter einen Hut zu bringen, ist nicht immer einfach. Wie früher als Schiedsrichter hat Urs Meier auch heute privat eine Assistenz. Seine Ehefrau kümmert sich um die geschäftlichen Termine und sorgt somit dafür, dass Meier mit der Planung nicht im Abseits steht.

Immer wieder bringt der ehemalige Schiedsrichter Vergleiche aus dem Fussball, der heute noch einen grossen Platz in seinem Leben einnimmt. Er wirft die Frage auf: «Warum hat Bayern München das Finale ‹dahoam› im Jahr 2012 verloren?» 

Urs Meier klärt auf: «Der FC Bayern hat als Motto für die Champions- League-Saison das Erreichen des Finals in München ausgegeben. Hätte es geheissen: ‹Wir wollen den Final gewinnen›, hätte das Team auch gewonnen.» 

Anders machte es Jürgen Klopp von Borussia Dortmund: Er gab den Gewinn der Bundesliga-Meisterschaft als Saisonziel vor und erreichte es. 

Ein Leiter leitet

Als Schiedsrichter hat Urs Meier ein Fussballspiel nicht nur gepfiffen, sondern er hat es geleitet. Diese Philosophie versucht der Schweizer auch den Chefs der grossen Konzerne zu vermitteln. «Als Führungsperson leiten Sie ein Unternehmen», predigt er und hebt mahnend seinen Zeigefinger. «Leiten heisst in diesem Zusammenhang: sein Team zu unterstützen, auch wenn es einmal einen Fehler macht. Das Risiko mittragen. Oder sich auch einmal erkenntlich zeigen.»

Bevor Urs Meier die Begegnung nach 125 Minuten abpfeift, gibt er den Anwesenden noch eine Weisheit mit nach Hause: «Mit Einzelspielern kannst du einzelne Spiele gewinnen. Mit einem Team gewinnst du Meisterschaften.»