14.01.2016
TEXT: Robert HansenFOTO: Screenshot

Verpixelt dargestellt und trotzdem einfach zu finden. Screenshot der Blick-Homepage am 14. Januar 2016.

Meinung

Wo bleibt das Persönlichkeitsrecht?

Erstmals äussert sich der Freund des Mordopfers öffentlich. Eine grosse Leere sei in ihm. Er dementiert Dorfgerüchte, wonach er Streit mit seiner Freundin gehabt hätte, erzählt von einem Candle-Light-Dinner. Heute im Schweizer Boulevard-Onlineportal und auf Papier gedruckt. Der Mann verpixelt, der Nachname auf einen Buchstaben abgekürzt, «Namen der Redaktion bekannt» – und im letzten Abschnitt Arbeitgeber, berufliche Stellung und Arbeitsort des Mannes. Der elektronische Weg zum vollen Namen und einem unverpixelten Bild auf dem Onlineportal des Arbeitgebers dauert zwei Sekunden. Diese Informationen bleiben auf Ewigkeiten im weltweiten Netz.

Letztes Jahr stürzte ein Airbus der Germanwings in den französischen Alpen ab. Vom Co-Piloten absichtlich in die Felswand gesteuert. Jener, der diese unfassbare Tat begangen hat, wurde bald im Bild gezeigt, in Deutschland meist anonymisiert, in einigen Schweizer Medien mit unverpixeltem Bild, Vor- und Nachname. Medienschaffende belagerten das Haus der Eltern.

Was haben wir als Medienkonsumenten von solchen Gesichtern und Namen? Wollen wir in unseren Köpfen daran unsere Empörung kleben? Wem nützt dieser lasche Umgang mit Persönlichkeitsrechten? Wohl kaum jemandem. Gewinnt eine Story mit der Preisgabe solcher Details zu den beteiligten Personen an Aussagekraft? Nein. Aber solche Informationen können schaden. Den Betroffenen Personen, den Angehörigen, dem persönlichen Umfeld.

Am 1. Juli 2002 prallten nachts auf 10 000 Metern Höhe bei Überlingen am Bodensee zwei Flugzeuge ineinander. Keiner der Insassen überlebte. Der Schuldige wurde von den Medien präsentiert: ein Fluglotse, aus operativen Gründen alleine in dieser Nacht bei Skyguide in Kloten, ein Däne, der Name mit den Initialen veröffentlicht. Der verzweifelte Vater eines der Absturzopfer drang im Februar 2004 in seine Wohnung ein und erstach ihn.

Ich wünsche mir mehr Verantwortungsbewusstsein von uns Medienschaffenden. Die Sorgfalt im Umgang mit Informationen und Zitaten ist selbstverständlich. Doch wir sollten uns auch überlegen, was der Information der Öffentlichkeit dient und wo wir Grenzen der Persönlichkeitsrechte überschreiten.