31.08.2017

Kalter Krieg lähmte die Schweiz

Der Kalte Krieg war ein «imaginärer Krieg». Der Begriff steht für die Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion nach dem Zweiten Weltkrieg. Hauptpunkte waren das atomare Wettrüsten und die ideologische Auseinandersetzung unter den beiden Weltmächten. Dieses «Gleichgewicht des Schreckens» hat nach einhelliger Auffassung verhindert, dass der Kalte Krieg je heiss wurde. Doch manchmal spitzte sich die politische Lage gefährlich zu wie bei der Berlin-Blockade 1948 oder 1962 bei der Kuba-Krise. Zudem wurden in Asien und Afrika Stellvertreterkriege geführt auf dem Buckel der Bevölkerung in den Konfliktstaaten (Vietnam, Angola u.a.).

Doch in kaum einem anderen Land wurde der ideologische Weltkonflikt so intensiv und kalt gelebt wie in der an sich neutralen Schweiz. Diese These vertritt Thomas Buomberger in seinem Buch «Die Schweiz im Kalten Krieg 1945–1990». Begonnen hat nach Ansicht des Historikers aus Winterthur alles schon 1938 mit der Geistigen Landesverteidigung. Was einst als kulturell-mentales Abwehrdispositiv gegen die Nazi-Propaganda gedacht war, sei nach dem Krieg, von dem die Schweiz verschont blieb, einfach umgepolt worden gegen die Sowjetunion. Um deren angeblich revolutionäre Kriegsabsichten abzuwehren, wurden alle gesellschaftlichen Kräfte mobilisiert. Der Antikommunismus wurde zu einer Glaubenssache gemacht, und alle, die diesem Glauben nicht frönten, wurden sozial ausgegrenzt und verfemt.

Thomas Buomberger

Die Schweiz im Kalten Krieg 1945–1990

Verlag Hier und Jetzt, Baden 2017

420 Seiten, Fr. 44.–

ISBN 978-3-03919-390-5

Buomberger beschreibt umfassend und detailliert, wie die Schweiz so im Reduit geistig gefangen blieb und erstarrte. Die öffentliche Meinung wurde für die Belange der Armee geschickt manipuliert. Das ging bis zur «totalen Landesverteidigung» mit Vorbereitung auf den Atomkrieg mit forciertem Bunkerbau. Dabei wurde das Leben unter dem Boden bis ins letzte Detail geplant. Komplett ausgeblendet blieb jedoch, wie ein (Über-)Leben auf radioaktiv verseuchter Erde überhaupt aussehen könnte. Das zeugt von Menschenverachtung der politisch Verantwortlichen gegenüber der eigenen Bevölkerung.

Das beweisen auch die Planspiele um Atombomben für die Schweizer Armee Ende der Fünfziger- und zu Beginn der Sechzigerjahre. Wie der freischaffende Historiker und Journalist aufzeigt, mündete das gefährliche Handeln direkt in den Mirage-Skandal. Die missratene Beschaffung der Kampfflugzeuge aus Frankreich zeugte laut Buomberger von Naivität und Blindheit. Die Aufarbeitung des Skandals durch eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) hat zum politischen Aufstieg vor allem einer Person beigetragen: Kurt Furgler (CVP), der als Bundesrat und Vorsteher des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements (EJPD) später zu einem der verbissensten kalten Krieger wurde in der Affäre Jeanmaire.

Der gleichnamige Brigadier mit Vorname Jean-Louis wurde 1976 verhaftet. Ihm wurde von höchster Stelle vorgeworfen ein «Jahrhundertspion» zu sein und «Geheimstes» (so Bundesrat Kurt Furgler) an Agenten der damaligen Sowjetunion verraten zu haben. Für diesen Verrat wurde Jeanmaire 1977 in einem Geheimprozess von der Militärjustiz zu 18 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1988 wurde der degradierte Brigadier vorzeitig aus der Haft entlassen. Jeanmaire verstarb 1992 im 82. Altersjahr als gedemütigter und gebrochener Mann.