25.04.2017
FOTO UND TEXT: Andreas Bartholdi

Für Othmar Bissegger ist Tätowieren mehr als ein Beruf, es ist Leidenschaft.

Fünf Fragen

Tätowierer

Othmar Bissegger, 58, ist Tätowierer in Amriswil (TG). Seine Kunden lassen sich mit bis zu 7500 Stichen pro Minute ihr Lieblingsmotiv auf die Haut tätowieren.

Haben Sie ein Morgenritual?
Mein Morgenritual findet nicht bei mir zu Hause statt, sondern im Geschäft. Mit dem Fahrrad radle ich zum Studio, wo ich vor Ladenöffnung lüfte, den Boden staubsauge und nass aufnehme, damit alles hygienisch sauber ist. Danach bereite ich mich auf den ersten Kunden vor: Ich suche die passenden Farben, gebe Wasser hinzu, um die Farbe zu verdünnen, lege Tücher und Handschuhe bereit und suche die geeignete Tätowiermaschine aus. Das kann eine Magnetspulen- oder eine Rotationsmaschine sein.

Was beinhaltet Ihr Job?
Der Kunde kommt mit einem Wunsch und einer Vorstellung dessen, was er gerne hätte. Das zeichne ich zuerst auf Papier. Danach besprechen wir es noch einmal, und der Kunde sagt mir, wo er das Tattoo auf seinem Körper haben will. Die Zeichnung kopiere ich anschliessend auf einen Durchschlag und übertrage sie auf die Haut. Tätowiert wird immer von unten nach oben, damit ich mit dem Handschuh und dem vorher aufgetragenen Fett die Zeichnung nicht verwische. Mit meiner Tätowiermaschine übertrage ich dann die entsprechende Farbe mit bis zu 7500 Stichen pro Minute auf die Haut. Je nachdem, welche Nadel ich benutze und wie ich die Geschwindigkeit der Maschine eingestellt habe, können es auch mehr oder weniger Stiche sein. Bei meinen Ideen und Zeichnungen, die ich auf die Haut anderer Personen stechen darf, kann ich meiner Kreativität freien Lauf lassen. Den Personen etwas von mir zu geben, an dem sie sich das ganze Leben erfreuen können, bereitet mir Freude. Bei allen Tattoos steht fast immer eine Geschichte dahinter, sei sie lustig, traurig oder emotional.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Die beste Voraussetzung ist, wenn der Kunde mir die Freiheit gibt, eine Idee oder Zeichnung umzusetzen. Am Schluss soll immer ein «Wow»-Effekt entstehen und die Person zufrieden sein.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Ich habe kaum freie Zeit, ich arbeite viel. Oder ich sehe bei jemand anderem ein Tattoo, das mich interessiert, und ich bin schon wieder bei der Arbeit und setze die Ideen in die Wirklichkeit um. Meine Arbeit ist mein Hobby und mein Hobby meine Arbeit. Tattoos sind für mich rund um die Uhr aktuell, da ich auch im Ausland tätowiere. Habe ich jedoch Zeit, dann bin ich gerne mit meiner Harley-Davidson unterwegs.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
(Lacht.) Solange beim Tätowieren nicht jemand dauernd reklamiert, habe ich gute Laune. Wird ein Kunde wirklich unangenehm, schicke ich ihn nach Hause. Ich lasse mir nicht alles gefallen. Und wenn ein Kunde schlechte Laune hat, sollte man ihn sowieso nicht tätowieren, weil er dann eh nicht zufrieden sein wird. Angenehme Gäste sind in meinem Studio willkommen, auch um einfach nur bei einem Kaffee zu plaudern und sich auszutauschen.

Wenn ein Tattoo erweitert wird, kann auch mit einem roten oder schwarzen Stift auf die Haut gezeichnet werden. Die Uhr und Blüten sind nachträglich zur Sanduhr hinzugefügt worden. Alle Elemente werden dann noch mit Details und Schatten ausgefüllt. Othmar Bissegger gibt auch Schulungen. Bevor richtig an Kunden tätowiert wird, üben die Kursteilnehmer auf Kunsthaut. Das Stechen dieses kleinen Tattoos dauerte rund 30 Minuten. Volle Konzentration beim Stechen. Sehr kleine Fehler können korrigiert werden, hingegen sind grobe Fehler unverzeihbar. Othmar Bissegger auf seiner Harley Davidson mit seiner Frau Karin, die auch eine Harley fährt. (Bild bearbeitet.) Gäste sind zum Kaffee, Plaudern und Austauschen immer herzlich willkommen.