14.09.2017
TEXT: Christine WalliFOTO: es
Erich Schmid

Der Autor bei seinen Recherchen für sein nächstes Buch.

Fünf Fragen an den Filmemacher

«Ich habe keinen Job, sondern löse Aufgaben»

Erich Schmid (70), Schriftsteller und Regisseur, spricht über die Liebe zu Überraschungen, seinen Morgenmantel und warum ihn Thomas Mann zu körperlichen Höchstleistungen antrieb.

Haben Sie ein Morgenritual?
So wenig wie möglich, obschon ich weiss, dass es gute Gründe dafür gäbe, um beispielsweise in einem festen Arbeitsverhältnis ein ständiges Morgenritual zu pflegen. Aber ich bin als Kulturschaffender gegen Gewohnheiten, weil sie mir die Überraschungen des Tages, die ich liebe, zu einem Teil schon verbauen würden. Manchmal telefoniere ich einen halben Tag lang im Morgenmantel. Man sieht mich ja nicht. Aber das wird sich einmal ändern. Die Internet-Telefonie mit Kamera kommt bestimmt, und wenn ich sie dann ausschalte, werden die Leute denken, ich hätte etwas zu verbergen ... Natürlich habe ich das, nämlich den Morgenmantel, und wenn ich den beim Telefonieren nicht mehr tragen kann, werde auch ich zum Morgenritual gezwungen, mich anständig anzuziehen.  

Was beinhaltet Ihr Job?
Ich habe keinen Job, sondern löse Aufgaben, wenn ich ein Buch schreibe oder einen Film drehe, stelle Fragen, korrigiere Irrtümer und Fehler, die ich auf dem Weg der Problemlösungen mache, und stelle mich und meine Mitarbeitenden so dosiert in Frage, dass sie sich nicht persönlich in Frage gestellt vorkommen, sondern bereit sind, sich auf das sachliche Problem einzulassen. Dies gilt ganz allgemein für den kreativen Prozess. Konkret schreibe ich gerade einen Krimi, bin auf Seite 338 und weiss nicht weiter, habe jedoch Vertrauen, dass ich eine Lösung finde. Vertrauen in das Material, das ich bearbeite, ist vielleicht das Wichtigste, um weiterzukommen. Unsicherheiten kommen von selbst.     

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Der Umgang mit Mitmenschen, Mitarbeiterinnen, Mitarbeitern und - in einem Film - Mitwirkenden, also Darstellern, macht mich glücklich oder unglücklich. Ich habe gelernt, dass es meistens auf mich selbst ankommt, auf mein Verhalten, meinen Respekt, den ich anderen gegenüber zeige, der den Ausschlag dazu gibt.  

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Bei mir sind die Grenzen zwischen Privatem und Arbeit fliessend. Ich spüre sie eigentlich nur, wenn meine Frau und ich reisen. Aber meistens reisen wir irgendwohin, wo wir etwas zu tun haben, einen Film zeigen, eine Ausstellung vorbereiten oder eröffnen, Verhandlungen führen. Da fühle ich mich im Hotel, fernab des Hauses, in einer privaten Situation und lese meistens ein Buch. Eine wichtige Rolle spielt jedoch der körperliche Ausgleich. Ich mache ein wenig Fitness, zu wenig natürlich wie die meisten Menschen, aber ich fühle mich danach immer wohl. Zuhause lese ich dicke Schinken auf dem Hometrainer, tausendseitige Wälzer. Ich weiss nicht mehr, wie lange ich auf diese Weise für den «Zauberberg» von Thomas Mann brauchte, wahrscheinlich ein gutes halbes Jahr.         

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Gehen Sie in einer Weise mit Ihren Mitarbeitenden um, wie Sie es auch gerne für sich hätten; denunzieren Sie Mobbing sofort bei verständnisvollen Vorgesetzten; kämpfen Sie wenn nötig für bessere Arbeitsbedingungen; schliessen Sie sich unbedingt einem Berufsverband oder einer Gewerkschaft an, damit Sie sich in einer Gemeinschaft aufgehoben fühlen, die ähnliche Interessen und Probleme hat. Zum guten Arbeitsklima, ohne das die Arbeit keinen Spass macht, können alle selbst etwas im Rahmen ihrer Möglichkeiten beitragen. Haben Sie den Mut, für Überraschungen zu sorgen, wie in einem guten Film.