Veröffentlicht am 28.07.2014TEXT: Joël FreiFOTO: Daniel Uhl

Ein Erwerbsloser entspannt sich kontrollfrei.

Schöne Kontrollfreie Tage!

Joël Frei
Journalist «der arbeitsmarkt»

Wer kennt das Kinderlied «Ferie, jetzt hämmer Ferie, das isch die schönschti Ziit»? Wie tönt das Lied, wenn «Ferien» durch «Kontrollfreie Tage» ersetzt wird?

Kontrolle ist gemäss Onlinelexikon Wikipedia «die Überwachung oder Überprüfung einer Sache, Angelegenheit oder Person und somit ein Mittel zur Herrschaft oder Gewalt über jemanden oder etwas». Der Begriff «Kontrollfreie Tage» ist Amtsdeutsch für «Ferien», die stellensuchenden Personen gewährt werden.

Der Kanton Freiburg klärt über diesen «Fachausdruck für Ferien» auf:  «Die versicherte Person darf nur Ferien nehmen, wenn ihr diese Tage zustehen. Kontrollfreie Tage können nur in Blöcken zu 5 ganzen Tagen bezogen werden, und die versicherte Person muss die Zustimmung ihrer RAV-Beraterin oder ihres RAV-Beraters einholen.»

Der Gesetzgeber delegierte den RAV viel Macht zur Kontrolle der Erwerbslosen. Dies ist ersichtlich an der Anzahl der Paragraphen wie an der Wortwahl im 75-seitigen «Bundesgesetz über die obligatorische Arbeitslosenversicherung». Das Wort «Kontrolle» und seine Ableitungen wie «kontrolliert» oder «Kontrollvorschriften» kommt insgesamt 36-mal vor.

Ein Abschnitt des Gesetzes, der über eine Seite einnimmt, widmet sich den «Sanktionen», die das RAV ergreifen kann. Den Geldhahn kann das RAV zudrehen, wenn «der Versicherte durch eigenes Verschulden arbeitslos ist» oder «sich persönlich nicht genügend um zumutbare Arbeit bemüht.»

Das RAV-Kontrollsystem

RAV-Berater sind also auch RAV-Kontrolleure, ihnen wurden zwei Hüte aufgesetzt. Auf der einen Seite vermitteln sie Stellen und schenken den Stellenlosen ein offenes Ohr. Auf der anderen Seite sind sie dafür zuständig, dass die ihnen zugewiesenen Stellensuchenden möglichst «rasch und dauerhaft in den Arbeitsmarkt wieder eingegliedert werden.» Welche Rolle nimmt ein RAV-Berater also ein? Steht er morgens vor den Spiegel und fragt sich: Bin ich heute der Seelsorger oder der Polizist? Die Gefahr ist gross, dass ein Berater je nach Laune oder Tagesform vom einem Extrem ins Andere schwankt.

Doch nicht nur über den Stellensuchenden schwebt ein Damoklesschwert: Die Kontrolle hat System, die Stellensuchenden sind einfach nur ganz unten in der Hackordnung. Ein RAV-Berater gab dem «Beobachter» anonym Auskunft über seine Arbeit: «Wir RAV-Berater werden selber auch kontrolliert, mit sogenannten Wirkungsindikatoren. Dabei wird gemessen, wie viele Taggelder unsere Klienten bezogen haben, wie viele Arbeitslose länger als ein Jahr da sind, wie viele ausgesteuert werden und wie viele nach weniger als vier Monaten erneut arbeitslos sind.»

Er betreut normalerweise 120 Dossiers, in Zeiten grosser Arbeitslosigkeit auch schon 180. Der Berater sieht seine Schäfchen pro Monat für eine halbe Stunde. Wenig Zeit, wenn man bedenkt, dass er sich in dieser Zeit ein Bild der Person machen und folgenschwere Entscheidungen treffen muss. «Am Abend bin ich oft müde und fühle mich ausgebrannt», so der Berater.

Sieht aus, als ob auch die RAV-Berater «Kontrollfreie Tage» benötigen könnten. Denn kontrollieren kann ebenso anstrengend sein wie kontrolliert zu werden. In diesem Sinne: Schöne Kontrollfreie Tage, auch an alle RAV-Berater und Beraterinnen!