Veröffentlicht am 20.05.2014TEXT: Christian SchmidFOTO: Simone Gloor

Logo über dem Eingang der CS am Zürcher Paradeplatz.

«Weisse Weste»

Christian Schmid
Redaktor «der arbeitsmarkt»

Heute früh blieb mir tatsächlich für einen Moment die Luft weg. Nein, nicht wegen der horrenden Busse, die unsere liebe Credit Suisse den Amerikanern zahlen muss, sondern wegen der Reaktion ihres obersten Chefs: «Persönlich haben wir eine weisse Weste.» Der das sagt, heisst Urs Rohner, ist vollamtlich Verwaltungsratspräsident der CS und wird dafür fürstlich entlohnt. Wenn er von «wir» spricht, meint er damit neben sich selbst seinen CEO Brady Dougan, der für seinen Job ebenfalls mit Millionen versilbert wird.

Die CS hat gegenüber den US-Behörden eingestehen müssen, jahrelang amerikanischen Bürgern bei der Hinterziehung von Steuern geholfen und damit nicht nur US-Recht, sondern auch Schweizer Recht – im Sinne von Pflichtwidrigkeiten – verletzt zu haben. «Persönlich haben wir eine weisse Weste.» Dieser Satz erscheint im Zusammenhang mit diesen schwerwiegenden Verfehlungen der CS nicht nur als unglaublich arrogant, sondern zeugt davon, dass der CS-Spitze jegliches Unrechtsbewusstsein fehlt. Mehr noch: Jeder rechtschaffene Chef weiss, dass er am Schluss verantwortlich ist, was in seinem Unternehmen geschieht. Dabei ist es gar nicht so erheblich, ob er vom Fehlverhalten tatsächlich Kenntnis hatte. Erheblich ist nur, dass er dafür hätte sorgen müssen, dass solche Verfehlungen nicht begangen werden. «Verantwortung» heisst das Wort, das weder Rohner noch Dougan zu kennen scheinen.

«Wir übernehmen die Verantwortung insoweit, indem wir die Bank durch diese schwierige Phase geführt haben und weiter führen», dixit Urs Rohner. Ja bitte, sollen wir den Herren dankbar sein, dass sie die Bank führen? Dafür sind sie ja schliesslich angestellt und hoch bezahlt. Apropos Zahlen: Die 2,6 Milliarden Dollar, die die CS nun den Amerikanern zahlen muss, wird die Grossbank nicht in ihren Grundfesten erschüttern. Das ist gut so. Die Zeche aber werden, zumindest pekuniär, nicht die Herren Rohner und Dougan bezahlen. Sondern die Angestellten, die bereits jetzt unter einem harten internen Sparprogramm zu leiden haben. Und sollte weiter gespart werden müssen: Mit Entlassungen haben sich Banken selten schwer getan.

Zahlen müssen die Zeche aber auch die Steuerzahler: Einerseits hat der Steuerstreit zwischen der CS und den USA Spitzenbeamten des Bundes viel teure Zusatzarbeit beschert, andererseits wird die CS die Milliardenbusse einfach von den Steuern absetzen und damit einen Teil der Busse – in Form von Steuermindereinnahmen für den Staat – der Allgemeinheit überantworten.

«Persönlich haben wir eine weisse Weste.» Zynischer könnte sich angesichts dieser Folgen verantwortungslosen Handelns ein Topmanager nicht äussern. Verantwortung nicht wahrzunehmen, heisst, seinen Lohn und die Boni nicht verdient zu haben. Deshalb: abtreten, aber sofort! Das gilt auch dann, wenn Urs Rohner und Brady Dougan – zumindest rechtlich gesehen – eine «weisse Weste» haben sollten. Denn in einem solch’ gravierenden Fall geht es nicht nur um Verantwortung, sondern auch um Stil und Anstand. Und den hat man – oder eben auch nicht.