Veröffentlicht am 05.05.2014FOTO UND TEXT: Mareike Spalteholz

Blitzlicht: Psychologe

Dieter Sträuli, 66, ist Experte für Esoterik, Parawissenschaften und UFO-Gruppen. Er sitzt im Vorstand von Infosekta und war Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Universität Zürich.

Haben Sie ein Morgenritual?
Ich mache mir zwei Tassen Espresso nacheinander. Täglich überlege ich mir, ob ich zuerst duschen oder frühstücken soll. In letzter Zeit kommt das Frühstück oft an erster Stelle. Gut ist, wenn wir zu dritt essen und schwatzen. Meine Frau geht danach mit unserem Sohn zur Schule. Unter der Dusche fange ich an zu denken. Ich arbeite meist intellektuell, das heisst, ich muss Texte schreiben und Seminare planen. Und das geht viel besser, wenn ich das Ritual des Kaffeetrinkens jeden Tag einhalte. 

Was beinhaltet Ihr Job?
Ich war über dreissig Jahre an der Universität Zürich in der Psychologie tätig. Ich hatte schon früh die Gelegenheit, Vorlesungen zu halten, und hatte ziemliche Narrenfreiheit, zu tun, was ich wollte. Auch heute bin ich noch aktiv. Die Psychoanalyse ist mein Referenzsystem. Zusätzlich beschäftige ich mich mit Sektenpsychologie und arbeite bei Infosekta, einer politisch und konfessionell unabhängigen Konsumentenschutzorganisation für Fragen rund um das Thema Sekten. Das Unheimliche fasziniert mich. Ich habe viel Horrorliteratur und Science Fiction gelesen. Auch jetzt noch, als pensionierter Psychologe, halte ich ein Seminar über den Horrorschriftsteller Howard Phillips Lovecraft am Institut für Populäre Kulturen der Universität. Abends habe ich oft Kurse, die ich selber gebe oder an denen ich teilnehme. Bei mir im Büro im Zürcher Niederdorf findet einmal in der Woche ein Kurs über Psychoanalyse statt. Da lesen wir schwierige Texte und diskutieren diese.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Ich habe immer wieder Krisen und musste einfach lernen, damit zu leben. Gut läuft es, wenn alles fliesst und sich das sogenannte Flow-Erlebnis einstellt. Das passiert mir manchmal, wenn ich etwas vorbereite und dann plötzlich einen Geistesblitz habe. Beispielsweise wie ich einen Horrorfilm deuten kann. Horrorfilme sind oft sehr blöd oder einfach gruselig oder sie erzählen abstruse Geschichten. Sie folgen eher einer Traumlogik oder auch aggressiven Fantasien als irgendeiner wissenschaftlichen Logik. Die Beschäftigung damit macht mir Spass und ich frage mich, «Warum schauen wir uns so etwas an?». Und da sehe ich manchmal eine Parallele zur menschlichen Entwicklung, zu den Schicksalen des kindlichen Unbewussten zum Beispiel. Wenn ich diesen Anker habe, kann ich den ganzen Film neu aufrollen und plötzlich machen alle Elemente Sinn.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
In letzter Zeit trenne ich Arbeit und Privates sehr wenig. Ich arbeite auf dem Sofa neben meiner Frau, mein kleiner Sohn spielt mit Lego. Manchmal ist das Arbeiten gemütlich, manchmal auch schwierig. Dann gehe ich hinunter in mein Büro. So funktioniert die Arbeit recht und schlecht und manchmal gut. 

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Ich denke, man sollte ergonomisch gut sitzen und sich die Zeit gut einteilen. Ich selber halte mich oft nicht daran. Sehr gerne arbeite ich auch in Cafés. Ich habe dies aber ein bisschen reduziert, weil dies im Raum Bellevue ziemlich viel kostet. Oder ich fahre Tram mit dem Laptop, wegen der Bewegung. Ich mache eine Runde, dann steige ich wieder aus. Wenn ich zum Beispiel ein Gutachten schreiben muss, das mir auf dem Magen liegt, nehme ich ein Schiff und mache eine längere Rundreise. Ich denke, da bestehen viele Möglichkeiten. Zum Glück hatte ich eigentlich immer die Freiheit, zu erforschen, was ich erforschen wollte; oft ziemlich schräge Sachen.