Veröffentlicht am 27.05.2014FOTO UND TEXT: Kathrin Koch

Blitzlicht: Glöckner

Michael Frauenfelder, 34, lässt über den Dächern der Stadt Zürich eine alte Tradition wieder aufleben. Als Glöckner und Hilfssigrist der reformierten Kirche Grossmünster läutet er die Glocken immer öfters von Hand.

Haben Sie ein Morgenritual?
Nein, ein spezielles Ritual habe ich nicht. Ich stehe um sechs Uhr auf und fahre eine Stunde später mit dem Velo von Zürich Affoltern zum Grossmünster in der Innenstadt. In kurzer Zeit bin ich so am Arbeitsplatz.

Was beinhaltet Ihr Job?
Am Wochenende läute ich die Glocken wieder von Hand, wie früher. Ich steige am Samstag um elf Uhr auf den Glockenturm und setze die kleine Glocke mit dem Hebel in Bewegung. Wenn es schnell gehen muss, bin ich in zwei Minuten oben im Turm. Findet noch eine Vesper, ein kirchliches Abendgebet, statt, hänge ich das Seil ein: Dann läute ich später unten in der Kirche im Chor mit dem Seil. Sehr speziell ist für mich das Einläuten des Sonntags um sieben Uhr abends, denn ich beginne als Erster in der ganzen Stadt Zürich zu läuten. Nach und nach stimmen die Glocken der anderen Kirchen, reformiert und katholisch, mit ein. Ein bewegender Moment. Unter der Woche verrichte ich handwerkliche Tätigkeiten. Durch die Erschütterung kann sich schon mal eine Schraube lösen. Auch den Lederriemen, an dem der Glockenklöppel schwingt, muss ich von Zeit zu Zeit anziehen. Die Glocken selbst sind aus Bronze gegossen und haben eine sehr lange Lebensdauer: Die älteste Glocke im Grossmünster stammt aus dem Jahr 1716. Auch putze ich die Kirche und andere Räume. Einmal wöchentlich ist der Karlsturm, auf den die Touristen hochsteigen, an der Reihe: Er wird von oben bis unten gestaubsaugt. Zusätzlich bereite ich Gottesdienste vor, leite Führungen oder betreue die Turmkasse. An Feiertagen helfe ich dem Dachdecker, die Fahnen anzubringen: Über eine kleine Aussentreppe steigen wir zuoberst aufs Turmdach, dafür muss ich absolut schwindelfrei sein.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Ich bin mit Leidenschaft dabei. Die Arbeit ist abwechslungsreich und macht Spass. Seit ich klein bin, faszinieren mich der Klang und die Glocke an sich. Gelernt habe ich Maschinenmechaniker. Als ich hörte, dass im Grossmünster die Glocken wieder von Hand geläutet werden, habe ich als Glocken-Fan sofort Kontakt aufgenommen. Seit letztem Sommer arbeite ich hier und kann meine Faszination in meine Arbeit integrieren.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Den benötige ich nicht, denn bei meiner Arbeit kommt alles zusammen, was ich gerne tue. In meiner Freizeit fahre ich gerne Velo und besichtige weitere Kirchen. So lerne ich andere kennen, die eine ähnliche Arbeit machen. Wir tauschen uns aus und besuchen uns später gegenseitig.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Ich bin die gute Laune, immer trage ich ein Lächeln auf dem Gesicht. Die Arbeit macht Freude und begeistert mich. Viele meiner Tätigkeiten sind körperlich anstrengend, dadurch habe ich mein eigenes Fitnessstudio in der Kirche.