Veröffentlicht am 12.06.2014FOTO UND TEXT: Mareike Spalteholz

Blitzlicht: Buchhändlerin

Henriette Borchert, 52, ist Buchhändlerin in der Kunstabteilung des Orell Füessli in der Füsslistrasse in Zürich. Aufgewachsen in Kamp-Lintfort am linken Niederrhein, lebt sie seit 30 Jahren in der Schweiz.

Haben Sie ein Morgenritual?

Wenn ich morgens wach werde, gehe ich als erstes im Pyjama zu den Briefkästen und hole die Zeitungen für das ganze Haus rein. Die NZZ lege ich meiner Nachbarin Bea vor die Tür, den Tagi klemme ich mir selbst unter den Arm. Die restlichen Zeitungen platziere ich zwischen dem ersten und zweiten Stock auf der Treppe, damit die anderen Bewohner sich bedienen können. Anschliessend gehe ich wieder ins Bett, trinke dort zwei Tassen Kaffee und lese eine Stunde lang die Zeitung. Früher haben meine zwei Katzen mir dabei Gesellschaft geleistet. Seitdem aber beide von mir gegangen sind, lese ich allein. Wenn mein Freund bei mir übernachtet, schläft er meistens noch, wenn ich aufstehe. Dann weiche ich zum Lesen ins Gästezimmer aus.

Was beinhaltet Ihr Job?
Mein Job besteht in erster Linie darin, zu den Menschen, die in die Buchhandlung kommen, freundlich zu sein und zu verstehen, was diese wollen und suchen. So gut wie möglich versuche ich, deren Wünschen nachzukommen. Auch wecke ich neue Wünsche in den Kunden, indem ich Bücher für sie entdecke und diese ansprechend präsentiere. Die Kundschaft soll das Gefühl bekommen, sie könne in der Buchhandlung Bücher zu Themen finden, von denen sie gar nicht wusste, dass es sie gibt. 

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?

Ich muss die Freiheit haben, bestellen zu können, was ich möchte und informiert darüber sein, was bereits auf dem Markt ist. Da ich in der Kunstabteilung tätig bin, muss ich wissen, welche Ausstellungen aktuell stattfinden. Ich muss also immer auf dem Laufenden sein, welche Themen gerade die Welt, sprich, die Kunstwelt bewegen.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?

Ich arbeite 41 Stunden in der Woche, das sind 100 Prozent. Den ganzen Tag gehe ich auf mir fremde Menschen ein. Innerhalb von Sekunden merke ich, wie die Kunden gerade drauf sind, welche Stimmungen sie haben. Auch schätze ich deren intellektuelles Niveau ein. Oder welchen Humor sie haben. Ich spiegle, was ich sehe. Dies kann dazu führen, dass ich privat machmal gar keine Menschen mehr sehen möchte. Ich fühle mich überfüttert. Ich bedauere diesen Zustand sehr und versuche, einen erleichterten Umgang damit zu finden. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ein gutes Einverständnis mit meinen Kolleginnen und Kollegen. Sie werden zu Vertrauten und teils sogar zu Freunden. Die jeweilige Verbindung habe ich mir zwar nicht frei ausgesucht, doch geschieht dies im Laufe der Zeit durch die tägliche Nähe automatisch. Für mich ist der Kontakt zu den Kollegen ein schneller, privater Ausgleich am Arbeitsplatz.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?

Manchmal bin ich hell auf begeistert, wenn ich morgens zur Arbeit komme, die Lieferungen auspacke und es ist ein neuerschienenes Buch dabei. Ich freue mich, dass ich mir als Erste dieses schöne Buch anschauen darf. Ganz grosses Glück ist für mich, wenn gerade eine Kollegin oder ein Kollege dabei ist, die oder der das Buch auch sehr schätzt und ich den Moment teilen kann. Dass ich mich einlasse und Freude empfinde für das, womit ich gerade zu tun habe, ist das Wichtigste.